Potsdamer Neueste Nachrichten 27.10.04
Euphorisch in die Pleite
Im Hakeburg-Prozess gesteht der Ex-Bundestagsabgeordnete Rösch seine Schuld:
„Ich habe mich weiter geschwungen wie auf einer Liane im Urwald.“
Kleinmachnow - „Offensichtlich gelingt mir nichts. Ich will Gutes, doch das
Ergebnis ist schlecht.“ Ein Haufen voller Demut und Reue hockte da gestern vor
dem Potsdamer Landgericht. Als Klaus Wolfgang Rösch seine komplette Schuld
einräumte, von 1997 bis 1998 die Kleinmachnower Hakeburg in den Ruin getrieben,
betrogen, veruntreut und Insolvenzen verschleppt zu haben, resümierte er für
sich „ein wirtschaftliches Leben ohne Erfolg“. Der fast 60-Jährige gab sich als
gescheiterte Existenz, der um Bewährung flehte.
Doch wiegen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft schwer. Allein eine Stunde
brauchten die beiden Ankläger Martin Netz und Michael Verdroß gestern, um die
70 Straftaten zu verlesen, die Rösch als Generalbevollmächtigtem der Alten und
Neuen Hakeburg GmbH vorgeworfen werden. Mehr als 800000 Euro an offenen
Rechnungen, unbezahlten Beiträgen und Sozialabgaben, Pachtschulden und
veruntreutem Vermögen haben sich in dem Jahr angehäuft, in dem Rösch die
Hakeburg führte. Von Beginn an, so die Anklage, habe er gewusst, dass er weder
Pacht noch Aufträge und Bestellungen bezahlen kann. Unter den geprellten
Gläubigern sind neben der Telekom als Eigentümerin der Hakeburg Computerfirmen,
Getränke- und Weinhändler, Baufirmen und auch das renommierte KaDeWe. In einem
umfassenden Geständnis gab Rösch seine Schuld in allen Anklagepunkten zu. „Ich
räume alles ein, was gegen mich vorgebracht wurde.“ Vorsätzlich allerdings will
er nicht gehandelt haben: „Ich habe die Folgen verdrängt.“
Das Strafregister des Schwaben spricht
indes eine andere Sprache: Mehr als ein Dutzend Vorstrafen hat Rösch
vorzuweisen: Betrug, Untreue, Vorenthalten von Beiträgen, hinzu kommen
Fahrerflucht und Steuerhinterziehung. Rösch behauptet dennoch: „Ich bin
prinzipiell kein schlechter Kerl.“
So reumütig wie gestern war Rösch nicht immer. Überschwänglich und euphorisch
wusste er Pläne zu schmieden und Visionen zu malen. „Der hat uns alle
mitgerissen“, sagt der Mitangeklagte Jürgen Schulz. In den 70er Jahren begann
Rösch als FDP-Landtagsabgeordneter politische Karriere zu machen. 1980 zog er
gar in den Bundestag, als Präsident führte er den Provinzklub BSV Schwenningen
1976 in die 2. Bundesliga. Der Abstieg des Vereins riss auch Rösch in die
Tiefe. Er bürgte für die Vereinsfinanzen, vor denen nach dem Höhenflug ein
Minus von vier Millionen Mark stand. Abstürze, Verurteilungen, Schulden,
Rausschmiss aus dem Bundestag haben nicht verhindert, dass sich Rösch immer
wieder zu Großem berufen sah. „Ich habe mich weiter geschwungen wie auf einer
Liane im Urwald“, beschrieb er sich gestern vor der Richterschaft. „Ich habe
andere mit meiner Begeisterungsfähigkeit besoffen gemacht.“ Der Fall der Mauer
eröffnete dem Tatendurstigen neue Möglichkeiten. Auf dem Brocken im Harz
träumte er von einem edlen Restaurant, das Schloss Marquardt beflügelte seine
Phantasie und in Kleinmachnow lockte die ehrwürdige Hakeburg. Als Mitte der
90er Jahre die Deutsche Telekom den Seeberg mit der Hakeburg übertragen bekam
und mit der damaligen Pächterin keine gemeinsame Zukunft sah, legte Rösch ein
imposantes Konzept für den Betrieb des einstigen SED-Gästehauses auf den Tisch.
Mit 280 000 Euro, Geld eines Geschäftspartners, kaufte er die Anteile der
damaligen Hakeburg-Gesellschaft. Der Geldgeber spekulierte mit einer späteren
Bebauung des Areals, heute steht er als Zeuge gegen Rösch bereit, der das Geld
veruntreut haben soll.
In den ersten Monaten nach Übernahme der noblen Adresse am Machnower See und
der Gründung der Neuen Hakeburg GmbH florierte das Geschäft: Feiern, Empfänge
und Banketts standen auf der Tagesordnung. Hochzeitspaare und Politiker kamen.
Und der Gerichtsvollzieher. Denn zahlungsfähig war Röschs Gesellschaft nie.
Allein die monatliche Pacht betrug 20 000 Mark. „Ich wusste, dass es eng wird“,
gestand Rösch gestern. Insolvenz beantragt hat jedoch weder er noch sein
Geschäftsführer Dirk Armin Dietzel. Auch der stand gestern vor Gericht und
zeigte sich geständig. Der Jurist, der in der DDR an der Akademie für Staat und
Recht sowie in Berlin Jura studierte, kam im April 1997 auf die Hakeburg.
Rösch, den er aus einer Freimaurerloge kannte, bat ihn um Mithilfe, weil die
Alte Hakeburg „verheerende Außenstände“ verzeichnete. Mit seinem juristischen
Sachverstand soll Dietzel die Neue Hakeburg GmbH konzipiert haben. Und
gleichwohl ihn Rösch mit einem Hilfeschrei aufgrund der Finanznot nach
Kleinmachnow holte, meinte Dietzel gestern: „Ich habe nicht gemerkt, dass die
Hakeburg faktisch pleite war. Ich habe mich an der Auftragslage orientiert.“ Er
habe sich von Röschs Euphorie anstecken lassen, doch gesteht Dietzel: „Ich bin
meiner Verantwortung nicht gerecht geworden.“ Die 27 Anklagepunkte, die gegen
ihn vorgebracht wurden, seien zutreffend und gerechtfertigt.
Als Gegenleistung für die Geständnisse wurde mit dem Gericht und der
Staatsanwaltschaft ein Höchsstrafmaß vereinbart. Rösch drohen maximal drei
Jahre Gefängnis. Dietzel, der erst vor wenigen Wochen wegen eines anderen
Betrugsdelikts vom Potsdamer Amtsgericht verurteilt wurde, drohen unter
Anrechnung dieser Strafe zwei Jahre Bewährung. Zur Zeit sitzt der 45-Jährige in
der Brandenburger Haftanstalt. „Fluchtgefahr“, begründet die
Staatsanwaltschaft. Nach seinem Engagement auf der Hakeburg hatte Dietzel noch
einmal in Petzow mit dem zweifelhaften Versuch für Aufsehen gesorgt, das
einstige Jugendtouristhotel in ein „Fransiskanerhaus für Bedürftige“
umzuwandeln.
Wenn am Freitag die Verhandlung fortgesetzt und der Richterspruch erwartet
wird, bleibt der Stuhl des dritten Angeklagten, Jürgen Schulz, leer. Gegen den
Klempner wurde gestern eine Geldstrafe über 1000 Euro verhängt und das
Verfahren eingestellt. Der 60-Jährige war sechs Wochen als „Technischer
Geschäftsführer“ von Rösch auf der Hakeburg angestellt. Gehalt hat Schulz nicht
bekommen, er erhoffte sich Aufträge bei den groß angekündigten
Sanierungsarbeiten an der Burg. Nach sechs Wochen hat er gekündigt: Anders als
Dietzel und Rösch hatte er „den Eindruck, dass der Laden pleite ist“. Schulz
hat die sechswöchige Episode bitter bezahlt. Seine eigene Klempnerfirma ist
pleite und als Geschäftsführer stand er in der Steuerpflicht des Unternehmens.
Das Finanzamt hat ihn jetzt zur Zahlung von den 31 000 Euro aufgefordert.