Potsdamer Neueste Nachrichten 24.09.04
Leuchtturm im märkischen Sand
Das neue eBay-Bürohaus in Dreilinden gilt als hoffnungsvolles Zeichen für
eine ganze Wirtschaftsregion
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Die vergangenen zwölf Monate hat Stefan Groß-Selbeck in Shanghai
verbracht. Seit Sommer vergangenen Jahres feilschen die Chinesen im weltweit
größten online-Auktionshaus eBay. Groß-Selbeck war für den Aufbau der
fernöstlichen Firmenzentrale zuständig und staunte nebenbei „wie schnell in
Shanghai die Wolkenkratzer in den Himmel wachsen“. Nun wird der neue
Geschäftsführer von eBay Deutschland Zeuge, wie in der Europazentrale des
Unternehmens – im Europarc Dreilinden – gebaut wird: kein Skyliner, aber
immerhin ein Sechsgeschosser. Das neue eBay-Bürogebäude „wird das neue
Wahrzeichen vom Europarc“, verheißt Architekt William Joslin.
Ein Zeichen ist der Neubau, dessen
Grundstein gestern gelegt wurde, auch für Brandenburgs Ministerpräsident
Matthias Platzeck. „Was hier entsteht, ist Zukunft und eine exzellente Werbung
für den Standort und die Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg.“ eBay gilt als
eines der Paradebeispiele erfolgreicher märkischer Ansiedlungspolitik. Seit dem
Umzug von Berlin-Kreuzberg nach Dreilinden vor vier Jahren ist das Unternehmen
auf Expansionskurs. Neben wachsenden Umsätzen steigt die Zahl der Mitarbeiter.
680 Arbeitsplätze unterhält des Unternehmen inzwischen im Europarc. In das neue
Gebäude wird vor allem der wachsende europäische Kundenservice ziehen, der
eBay-Nutzer in neun Ländern Europas betreut. Etwa 500 Arbeitsplätze werden in
dem vom Europarc gemieteten Haus beherbergt. Damit zählt eBay zu den hundert
größten Arbeitgebern in Brandenburg.
Nach dem Bau dreier Bürohäuser für eBay vor drei Jahren beschert das
Internet-Auktionshaus dem Europarc einen weiteren Entwicklungsschub. „Mit dem
Neubau sind wir auf dem besten Weg, bis zum Herbst 2005 hier 2000 Arbeitsplätze
geschaffen zu haben“, gibt sich Europarc-Geschäftsführer Walter Brümmer
zuversichtlich. Gleichzeitig versichert Bertrand Descours für die Société
Général, der französischen Bank hinter dem Europarc, dass sie als
Gesellschafterin weitere zehn Jahre an dem Standort aktiv sein und an der
langfristigen Entwicklungsstrategie des Gewerbeareals festhalten werde. Doch
sei die Zukunft des Europarcs von einer „Optimierung der öffentlichen
Verkehrsanbindung“ abhängig, warben gestern Brümmer und eBay-Geschäftsführer
Groß-Selbeck um den Wiederaufbau der Stammbahn mit einem Stopp in Dreilinden.
Vor allem auf Berliner Seite „fehle es der Politik an Weitsicht“ für die
Notwendigkeit, die einstige Schienenverbindung zwischen Potsdam und Berlin
wieder aufzunehmen, so Brümmer. „Damit fördert man den Wirtschaftsstandort
Berlin-Brandenburg“, animierte auch Kleinmachnows Bürgermeister Wolfgang
Blasig.
Ministerpräsident Platzeck habe die „kritischen Anmerkungen“ verstanden. „Es
wird schwierig bleiben“, lautete seine Einschätzung. Und so blieb es bei einer
unverbindlichen Zusage: „Wir wollen uns um einen ersten Schritt bemühen“, denn
er sehe die gestrige Grundsteinlegung als „Verpflichtung des Landes, für gute
Rahmenbedingungen zu sorgen“, so Platzeck.
Glaubt man Groß-Selbeck, hat das Zusammenwirken zwischen eBay und der
Landesregierung sowie der Industrie- und Handelskammer in der Vergangenheit
bereits gut funktioniert. Mit letzterer hat eBay erst im August das
Pilotprojekt „Existenzgründung im Online-Handel“ gestartet, mit dem
Existenzgründern und Arbeitssuchenden der Einstieg in die Selbständigkeit als
zertifizierter Online-Händler ermöglicht werden soll. Bereits seit zwei Jahren
veranstalten eBay und die IHK Potsdam Tages-Workshops, in denen über die
Möglichkeiten des Online-Handels informiert wird. Inzwischen haben sich
deutschlandweit mehrere Industrie- und Handelskammern diesem Projekt
angeschlossen.
„Derzeit gibt es in Deutschland 10 000 Menschen, die mit dem Handel über eBay
ihren Lebensunterhalt verdienen“, weiß Groß-Selbeck. Dass die Drehscheibe für
das „3…2…1…meins“-Geschäft in Dreilinden rotiert, bedeutet für Bürgermeister
Blasig auch eine Verpflichtung. „Denn wenn im Europarc Schnupfen ausbricht,
liegt Kleinmachnow im Fieber.“ Daher appellierte Blasig gestern an seine
„Kollegen aus Politik und Verwaltung“, Wirtschaftsförderung zu praktizieren,
indem Unternehmen durch schnelle Genehmigungsverfahren unterstützt werden. Die
Bauerlaubnis für den Sechsgeschosser lag innerhalb von sechs Wochen vor.
So kann ein Gebäude entstehen, das sich von der gläsernen Architektur seiner
Vorgänger unterscheidet. Baukünstler Joslin hat eine grüne Sandsteinfassade und
eine Geometrie gezeichnet, die von der bisherigen Architektur abrückt. „Das
Haus“, so Joslin, „ist ein Zeichen für die Restentwicklung des Europarcs.“