Potsdamer Neueste Nachrichten 17.09.04
Die Wahl am Kanal
Die Region Teltow zeichnete sich bislang durch hohe Wahlbeteiligung aus –
darauf wird am Sonntag gesetzt
Kleinmachnow - Es war nur ein kleines Scharmützel am Rande einer
Podiumsdiskussion. Jens Klocksin meinte gegenüber dem Ex-General bekennen zu
müssen, dass er nicht gedient habe. Und Jörg Schönbohm erwiderte kurz: „Das
merkt man.“ Ansonsten blieb der frontale Schlagabtausch zwischen dem SPD- und
CDU-Direktkandidaten aus im prestigeträchtigen Wahlkreis 20, der Kleinmachnow,
Stahnsdorf, Teltow und Nuthetal umfasst. Der „Burgfrieden in Brandenburg“, wie
politische Kommentatoren das Verhältnis zwischen CDU-Landeschef Schönbohm und
seinem SPD-Pendant Matthias Platzeck titeln, ist auch am Teltowkanal zu spüren
gewesen.
Während in der ländlichen Mark Hartz IV zur dominierenden Streitvorlage
avancierte, blieb der große Aufschrei hier – im südlichen Speckgürtel – aus.
Einzig auf dem Ruhlsdorfer Platz in Teltow trifft sich montags eine
Protestgemeinde von gut 70 Leuten. Sicherlich: Auch im hiesigen Wahlkreis wurde
Hartz IV mit den verschiedensten politischen Zungenschlägen kommentiert, doch
der Wahlkampf hatte mehr Facetten. Während Schönbohm früh anfing, durch
regionale Unternehmen zu tingeln, Baustellen besuchte und Heimatvereine
erfreute, lud sich Klocksin SPD-Bundesprominenz zu Talkrunden ein und polierte
seinen Bekanntheitsgrad durch Bürgersprechstunden und an Infoständen auf.
Hingegen nutzte PDS-Direktkandidat Klaus-Jürgen Warnick nahezu jede
Gelegenheit, auf seine Erfahrungen als langjähriger Bundes- und Landespolitiker
zu verweisen. Mit Erfolg: Obwohl sich der Kleinmachnower damit begnügte, sich
unter Info-Schirme zu stellen, zudem erst spät zur Tour durch den Wahlkreis
aufbrach, auf abendliche Gesprächsrunden und repräsentative Visiten verzichtete,
bekam er beim Telefon-Voting einer Zeitung hinter Schönbohm die meisten
Stimmen.
Traditionell kann sich Warnick wohl
auch am Sonntag darauf verlassen, dass die PDS-Wählerschaft diszipliniert ihr
Kreuz macht. Ein Erfolgsgarant ist das nicht: Vor allem Kleinmachnow, aber auch
Teltow und Stahnsdorf haben sich in der Vergangenheit durch eine – verglichen
mit dem Land – hohe Wahlbeteiligung ausgezeichnet. Deshalb ist eine Prognose
nach dem Ausgang im Wahlkreis 20, nach der man in diesen Tagen immer wieder
gefragt wird, schwierig. Lediglich der Bündnisgrünen Cornelia Behm und dem
FDP-Direktkandidaten Hans-Peter Goetz wird unverhohlen die Außenseiterrolle
gegeben. Zwar hat sich Behm als ehemalige Kleinmachnower Gemeindevertreterin,
tapfere Bürgermeisterkandidatin und inzwischen als Bundespolitikerin
profiliert, als märkische Spitzenkandidatin der Bündnisgrünen lächelt sie
landesweit von Wahlplakten. Dass sie vor ihrer eigenen Haustür das Direktmandat
gewinnt, traut sie sich allerdings selbst nicht zu: Von Laternenmasten wirbt
sie lediglich um die „Zweitstimme Grün“. Zum Verdruss ihrer Kleinmachnower
Verbündeten, die eifrig propagieren, Behm auch direkt zu wählen.
Bei der Europawahl hat die FDP in der Region die Fünf-Prozent Hürde deutlich
übersprungen, in Brandenburg kam sie auf 4,7 Prozent. Daher kündigte der
Teltower Liberale Goetz einen „stärker personifizierten Landtagswahlkampf an“.
Das hat er durchaus umgesetzt: Ob bei Demonstrationen gegen drohende
Schulschließungen, beim Anti-Hartz-Protest auf dem Ruhlsdorfer Platz, beim
Funkmast-Streit im Bannwald – Goetz war da.
Am Sonntag nun wird abgerechnet: Klocksin vertraut auf die „starke
sozialdemokratische Wählerschaft der Region“, die bislang als eine der letzten
roten Hochburgen im Land gilt. Auf dem Teltower Marktplatz hat er vor
Wochenfrist mit kräftiger Stimme und rhetorischem Geschick den Anhang
beschworen, nicht zu verzagen. Für sein Ziel, Schönbohm trotz einer – nicht
zuletzt durch Zuzug – erstarkten konservativen Wählerschaft den Gewinn des Direktmandats
nach 1999 erneut zu vermiesen, ist Klocksin aufs Drahtseil geklettert. Verliert
er, muss er all seine Ambitionen als Landespolitiker begraben, denn auf einen
vorderen Platz auf der SPD-Liste, der ihm ein Mandat sichern würde, hat Klocksin
verzichtet. Auch Warnick kämpft ohne Auffangnetz. Mit PDS-Listenplatz 32 hätte
er eher geringe Chancen in den Landtag zu ziehen, wenn er nicht direkt gewinnt.
Die Konkurrenz ist frei von dieser Sorge. Als Spitzenkandidat seiner Partei
fragt sich Schönbohm wohl mehr, ob es am Sonntag doch noch besser wird als es
die letzten Umfragen hergaben. Und Behm wie auch Goetz würden über ihre guten
Listenplätze auch indirekt in den Potsdamer Kreml ziehen, wenn ihre Parteien
die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Genug Motivation also für die Anhänger gleich
welcher Partei, am Sonntag wählen zu gehen. Vor allem aber, um den
Rattenfängern von Rechts keine Chance zu lassen.