Potsdamer Neueste Nachrichten 07.07.04
Weniger Schutz für Bäume
Die neue Baumschutzverordnung tritt in Kraft – sie erleichtert das Fällen
auf privaten Grundstücken
Potsdam-Mittelmark - Regina Wiesner vom Nuthetaler Bauamt hat in den
vergangenen Wochen schon einige Anrufer enttäuschen müssen. Ob sich denn Nuthetal
jetzt an der neuen – gelockerten – Baumschutzverordnung des Landes orientieren
werde, hatten die gefragt. Die Antwort: Nuthetal hat eine Gemeindesatzung, und
die geht vor. Die macht in dem Ort das Baumfällen auf Privatgrundstücken nach
wie vor schwer.
Für die meisten Gemeinden gilt allerdings Landesrecht, da sie keine eigenen
Satzungen haben und der Landkreis bislang keine Vorschriften macht. Die neue
Verordnung aus dem Umweltministerium von Wolfgang Birthler (SPD) tritt in den
nächsten Wochen in Kraft, es fehlt nur die amtliche Veröffentlichung. Bis dahin
gilt die restrikitivere, alte Verordnung. Ziel der neuen Verordnung: Einen Baum
zu fällen, soll leichter werden.
Während in Nuthetal für eine Fällung ein gewichtiger Grund vorliegen muss –
etwa, dass morsche Äste eine Gefährdung darstellen – wird in Kommunen ohne
eigene Regelung der Schutz für Bäume in Zukunft gelockert: Er gilt nicht auf
Grundstücken „mit einer vorhandenen Bebauung von bis zu zwei Wohneinheiten“. Zu
deutsch: Der private Hausbesitzer soll in Zukunft die Möglichkeit haben, ohne
Antrag und ohne Ersatz, einen Baum auf seinem Grundstück abzusägen. Bäume mit
einem Stammdurchmesser von weniger als 19 Zentimetern sind zudem generell nicht
geschützt.
Das erschien im Hause Birthler – nach einer Reihe von Protesten der Bund- und
Naturschutzverbände – offenbar doch zu radikal. Und so fügte man der Ausnahme
eine Ausnahme hinzu. Auch auf Privatgrundstücken sind gewisse Baumarten
weiterhin geschützt: Eichen, Ulmen, Platanen, Linden und Rotbuchen. Das gilt
wiederum nur für die Exemplare, die einen Stammdurchmesser von mindestens 60
Zentimetern haben, gemessen in 1,30 Meter Höhe.
Günter Kehl, Leiter der Naturschutzbehörde Potsdam-Mittelmark, sieht diesen
Passus mit Skepsis: Bäume mit einem solch dicken Stamm seien oft schon so alt,
dass das Holz langsam morsch werde. Die müssten dann eben doch gefällt werden.
Sein Fazit: „Dieser Zusatz wird ins Leere gehen.“
Kehl warnt außerdem vor der Nebenwirkung: dass Grundstücksbesitzer Bäume dieser
Arten fällen werden, bevor sie die genannte Größe erreicht haben, um die
Verordnung zu umgehen.
Im Umweltministerium denkt man da anders. Wolfgang Birthler glaubt, dass seine
neue Anweisung dazu führen wird, dass die Leute wieder mehr Bäume pflanzen,
weil sie sie auch wieder ohne Probleme fällen können.
In der Belziger Naturschutzbehörde hat man die Geschichte der neuen Verordnung
mit Interesse verfolgt. Denn auch hier wird an einer Baumschutzatzung
gearbeitet, der ersten für Potsdam-Mittelmark. „Das Land ist vorgeprescht und
hat Pflöcke eingeschlagen“, stellt Kehl fest. Die grundsätzliche Vorgabe aus
Potsdam kann der Kreis seiner Einschätzung nach nicht ignorieren: weniger
Bürokratie, mehr Verantwortung für die Bürger. Dass Land und Kreis gleichzeitig
dasselbe Thema in Angriff nahmen, sei Zufall gewesen. Es gehe um eine
Vereinfachung des Verfahrens: „Die Bäume beschäftigen uns zu sehr. Wir haben
noch andere Aufgaben.“
Im Herbst, so hofft Kehl, wird der Landkreis seine Regelung verabschieden. Für
die meisten Gemeinden wird es dann eine neue Richtschnur geben. Einzig Nuthetal,
Kleinmachnow, Teltow Seddiner See und Schwielowsee werden weiterhin ihre –
strengeren - Gemeindesatzungen anwenden.
Einen Entwurf für eine Kreisverordnung hat es bereits gegeben. Allerdings sind
nach der öffentlichen Auslegung zahlreiche Verbesserungsvorschläge im Umweltamt
eingegangen. Was am Ende herauskommen wird, kann Günter Kehl im Moment noch
nicht sagen, schließlich muss am Ende der Kreistag entscheiden. Eine Richtung deutet
er aber an: „Eine Vereinfachung im Sinne des Umweltministeriums, aber nicht so
radikal.“ Volker Eckert
PRO
Wir Deutschen lieben unsern Wald und wir lieben unsere Bäume. Viele ziehen in
Orte wie Kleinmachnow, weil sie Natur um sich herum haben wollen. Die große
Mehrheit kommt daher gar nicht auf die Idee, einen Baum zu fällen. Wer das aber
doch will, hat es nicht leicht, dafür sorgen die Gesetze. Mitten in die Natur
darf man kein Haus stellen. Sind einem Bauherren Bäume im Weg, dann muss er so
viele neue pflanzen, wie er gefällt hat. Wir müssen uns um unsere Bäume also
keine Sorgen machen. Trotzdem erwacht bei diesem Thema in vielen der
Beschützerinstinkt. Aber können wir wirklich allen Grundstücksbesitzern
vorschreiben, wie sie mit ihrem Garten umzugehen haben? Wenn die Kinder
irgendwann anfangen, Fußball zu spielen und der Baum ist im Weg, soll dann eine
Behörde darüber entscheiden? Überall wird gefordert, Bürokratie abzubauen. Und
Bäume wachsen. Manch einer hat schon ein Haus gekauft und nach ein paar Jahren
kein Licht mehr im Wohnzimmer gehabt oder die schöne Aussicht war weg. Viele
werden einen neuen – kleineren – Baum pflanzen, der besser auf ihr Grundstück
passt. Es ist schön, große Wälder zu haben, Alleen, Parks, den Dorfplatz mit
der alten Eiche. Das Kriterium ist aber nicht das Wohl des Baums, sondern
unsere Vorstellung davon, wie unsere Umgebung aussehen soll. Und die wird grün
bleiben. Volker Eckert
& Contra
Am Stahnsdorfer Damm in Kleinmachnow entsteht eine neue Wohnsiedlung. „Wohnen
im Wald“ heißt sie. Um das Areal baureif zu machen, wurden zunächst hunderte
Bäume gefällt. Völlig zu recht sorgen sich nicht wenige Menschen, dass der
Wald- und Gartencharakter ihrer Orte verloren geht. Der Siedlungsdruck hat im
Speckgürtel seine Spuren hinterlassen. In der modernen „Gartenstadt“ und dem
noblen „Waldviertel“ erinnert häufig nur der Name an das natürliche Umfeld, das
einmal vorzufinden war. War bisher bei der Frage, ob ein Baum auf privaten
Grundstücken gefällt werden darf, Fach- und Sachkunde gefordert, soll nun das
Prinzip Hoffnung walten. Hoffnung, dass Grundstücksbesitzer für einen Baum, der
im Weg stand, einen neuen pflanzen und sich mit diesem Zögling identifizieren
werden. Die Gefahr, dass ohne Abwägung zur Axt gegriffen wird, ist groß. Unter
dem Vorwand, Versicherungsschutz wahren zu müssen, ist schon so mancher Baum
gefallen. Weil Laubfegen lästig ist, hat schon oft die Kreissäge geheult. Was
nutzen Schilder an Autobahnen „Rettet den Wald“, wenn der Baum im eigenen
Garten stört? Wo die Identität eines Ortes mit seiner natürlichen
Beschaffenheit gewachsen ist, tun die Gemeindeväter gut daran, diese Merkmale nach
eigenen Regeln zu schützen. Mit Bürokratie hat das nichts zu tun. Eher mit
Verantwortung. Peter Könnicke