Potsdamer Neueste Nachrichten 01.07.04
Die Gefahr der hohen Erwartungen
Der Kleinmachnower Landtagskandidat Klaus-Jürgen-Warnick
über Chancen der PDS, Großprojekte und sein Verhältnis zur SPD
Ist das Ergebnis der Brandenburger PDS nach der Europawahl bereits die
halbe Miete?
Nein, höchstens ein Viertel.
Was gilt es in den kommenden Wochen zu tun, um – wie Sie es einmal gesagt
haben – erfolgreichste Kraft im Land zu werden?
Die PDS hat in vielen Punkten gut ausgearbeitete Lösungsansätze, die
aber in vielen Teilen der Bevölkerung nicht genügend bekannt sind. Die PDS muss
ihr Profil noch weiter schärfen. Es ist nach wie vor nicht gelungen,
hundertprozentig den Leuten klar zu machen, was eigentlich unsere Ziele sind
und wie wir uns eine andere Politik vorstellen.
Was sind die hauptsächlichen Ziele der PDS für Brandenburg?
Unser Hauptziel ist, wieder eine vernünftige Bildungspolitik zu
gewährleisten. Ich finde, dass das Bildungssystem, das Brandenburg nach 1990
bekommen hat, die schlechteste Hypothek ist, die wir aus den alten
Bundesländern übernommen haben. Wir hätten bei unserem alten System bleiben
sollen, ohne ideologische Belastungen. Es wäre billiger gewesen und wir wären
mit der Bildung unserer Kinder wesentlich weiter.
Das heißt Einheitsschule bis zur 10. Klasse.
Ja. Ich plädiere dafür. Auch in der PDS wagt man sich nicht überall zu sagen,
„Ich will meine DDR-Schule wieder haben!“ Das sind ideologische Scheuklappen.
Alle haben Angst davor. Das sieht man auch bei anderen Parteien. Jetzt wird
überlegt, wie man hintenrum mit anderen Bezeichnungen dasselbe wieder einführt.
Warum kann ich nicht sagen, dass sich dieses System bewährt hat: zehn Jahre
gehen alle gemeinsam zur Schule und die Leistungsstärksten gehen ab der 9.
Klasse in ein Gymnasium. Völlig egal, wie man das Ganze nennt, aber dieses
System erscheint mir vorteilhafter.
Bildung kristallisiert sich als zentrales Wahlkampfthema heraus. Gilt es
auch in der Brandenburger Wirtschaftspolitik andere Wege einzuschlagen, nachdem
der Versuch, auf Großprojekte zu setzen, fehlgeschlagen ist?
Richtig. Ich bin Mitglied im LEG-Untersuchungsausschuss. Nach den
Erfahrungen dieser zweieinhalb Jahre bin ich der Meinung, dass man eine viel
stärkere Kontrolle der Ministerien durch das Parlament braucht. Es gibt eine
viel zu große Selbstständigkeit der Verwaltungen bei wirtschaftspolitischen
Entscheidungen.
Nur durch Kontrolle entwickelt und stärkt man keine Wirtschaft.
Das ist richtig. Für meine Begriffe muss der Mittelstand viel mehr
gefördert werden, weil der im Endeffekt mehr Arbeitsplätze bringt als irgend
welche Großprojekte. Ich kenne Unternehmer, die nur deshalb niemanden
einstellen und nicht vorankommen, weil sie keine Kapitalausstattung haben. Wenn
ich denen die 150 Millionen, die der Lausitzring gekostet hat, als zinslosen
Kredit gegeben hätte, wäre das ein riesiger Gewinn. Wir hätten 5000
Arbeitsplätze mehr und nicht 40, wie jetzt am Lausitzring. Aber Großprojekte
lassen sich nun einmal besser politisch verkaufen.
Mit einem PDS-Wirtschaftsminister wird es keine Großprojekte mehr geben?
Dafür könnte man natürlich nicht garantieren. Wenn sich hier ein
Investor niederlassen würde, würde niemand sagen: Den nehmen wir nicht! Aber
man muss sich die Bedingungen ganz genau anschauen und darf sich die
Konditionen nicht diktieren lassen. Man darf aber auch nicht unterschätzen, dass
der Handlungsspielraum der Wirtschaftspolitik auf Landesebene relativ klein
ist. Nur wenn man auch die Bundespolitik beeinflussen kann, würde man zu einem durchschlagendem
Ergebnis kommen. So kann man nur versuchen, die schlimmsten Auswüchse dieses
Systems zu reparieren.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass für das Gestalten auf Landesebene die
PDS nach dem 19. September in die Verantwortung genommen wird. Sehen Sie sich
persönlich dazu in der Lage?
Ich als Person? – ich denke schon. Ich habe genug Erfahrung gesammelt
in den letzten 14 Jahren. Aber ich sehe eine große Gefahr, dass die PDS ab
Herbst mitregieren muss, weil ich einen Widerspruch sehe zwischen der
Erwartungshaltung in großen Teilen der Bevölkerung und dem, was möglich ist.
Das sehen wir ja in Berlin: Da fragt keiner, wer sich die 60 Milliarden Euro in
die Tasche gesteckt hat und alles verbockt hat. Sondern man beschimpft die, die
jetzt versuchen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Das kann uns hier auch
passieren. Ich habe 14 Jahre lang gewarnt vor dem Prinzip „Rückgabe vor
Entschädigung“, vor Flughafen, Chipfabrik und Lausitzring. Es hat sich
bewiesen, dass meine Befürchtungen richtig waren. Und nun kommen wir in eine
Situation, wo es heißt: Nun zeigt doch mal, dass ihr es besser könnt! Ja, vor
14 Jahren hätte ich es auch besser gekonnt.
Hemmt die Gefahr, Erwartungshaltungen nicht erfüllen zu können, die PDS?
In gewisser Weise schon. Wir müssen den Leuten reinen Wein einschenken,
was mit uns möglich ist. Wir würden das knappe Geld, anders verteilen und
versuchen, soziale Grausamkeiten zu reduzieren. Dazu gehört eine ganz
intelligente Politik. Und man muss schauen, dass man die Gelder auch dahin
lenkt, wo sich ein Stück weit allein etwas entwickelt. Ich sehe da in unserer
Region den Europark. Da sind 1000 Arbeitsplätze entstanden ohne große
Fördermittel. Hätte ich hier die Stammbahn gebaut, mit einem Aufwand von zirka
100 Millionen Euro, hätte ich 2000 Arbeitsplätze. Am Lausitzring verprassen wir
150 Millionen und haben 40 Arbeitsplätze. Das ist keine Effektivität.
Regionen mit Potenzial, wie die Teltower, zu fördern bedeutet den
Abschied vom Prinzip der dezentralen Konzentration.
Das Prinzip ist eindeutig gescheitert. Das muss man offen und ehrlich
zugeben. Natürlich darf man die Ränder nicht vernachlässigen. Da sind ganz
pragmatische Lösungen gefragt. Da geht es nur noch darum zu retten, was zu
retten ist. Und so viel ist das nicht mehr, es ist ja vieles den Bach runter
gegangen.
Sie haben nach Ihrer Nominierung als Direktkandidat gesagt, zur Not sind
Sie auch für Rot-rot …
Ich würde mich darüber nicht freuen, mich aber nicht hundertprozentig
dagegen stellen. Ich kann auch mit Rot-rot-grün gut leben.
In Kleinmachnow zeigt sich, dass Sie sich mit der SPD schwer tun und es
hier nicht leicht ist, einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Warum
sollte das im Land besser gelingen?
Es gibt nicht die SPD, in Kleinmachnow schon gar nicht. Da gibt es zwei
sozialdemokratische Parteien. Mit der einen kann ich gut, mit der anderen
weniger. Das hängt einfach mit der Sozialisierung zusammen. Eine ähnliche
Situation haben wir auch im Land. Mit dem Teil der SPD, die den Sozialabbau
geradezu befördern, habe ich sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Doch muss man
als Mitglied einer demokratischen Partei auch Koalitionen in Betracht ziehen.
Für mich ist entscheidend, was in einem solchen Koalitionsvertrag steht und wie
dieser dann auch umgesetzt wird. Wenn wir viel für die Menschen erreichen
können und einen Großteil unserer Bedingungen erfüllt bekommen, kann man das
tun. Wir haben in der PDS ein Schnittstellenpapier gemacht, wo wir alle
Politikbereiche verglichen haben. Da gibt es eine Ampel: sofortige Einigung
heißt grün, Einigung nach Verhandlungen möglich heißt gelb. Einigung sehr
schwierig oder gar nicht möglich heißt rot. Bei der SPD haben wir fast nur
gelb, wenig rot und wenig grün. Und bei den Grünen haben wir zu 90 Prozent nur
grün.
Das klingt bei Ihnen persönlich, als würden sie weiterhin die
Oppositionsbank bevorzugen?
Ich muss das nehmen, was wir kriegen. Wenn uns der Wähler in die Lage
versetzt, dass wir Schönbohm erden können – soll ich da nein sagen? Eine
rot-rote Politik ist immer noch besser als das, was Schwarz-rot gemacht hat:
Eine gegenseitige Blockade würde es mit Rot-rot nicht geben.
Das Gespräch führte Peter Könnicke