Potsdamer Neueste Nachrichten 23.06.04

Politik im Hinterzimmer

In Kleinmachnow werden Kompromisse fern des Ortsparlaments geschmiedet – nicht alle finden das gut

Von Peter Könnicke

Kleinmachnow - Als nach Wochen kontroverser Diskussionen im jüngsten Bildungsausschuss eine Leitlinie verabschiedet wurde, nach der eine neue Turnhalle in Kleinmachnow gebaut werden soll, gab es Applaus. Es war nicht irgend jemand, der in die Hände klatschte. Mit Peter Weiß war es einer jener Anwohner aus der Eigenherd-Siedlung, der am heftigsten für einen moderaten Bau inmitten des reinen Wohngebietes gestritten hat.

Die Freude über die Einigung stand auch vielen Volksvertretern ins Gesicht geschrieben. Doch sorgt sich WIR-Vertreter John Banhart um den Preis des Kompromisses. Es wurde eifrig hinter den Kulissen der kommunalpolitischen Bühne gearbeitet: Die Telefonkosten des engagierten und um Vermittlung bemühten CDU-Abgeordneten Guido Beermann dürften in diesem Monat gestiegen, so manch Spesenquittung nach einem Hintergrundtreffen ausgeschrieben worden sein. „Die Einigung ist außerhalb der Gemeindegremien in einem interfraktionellen Gespräch erfolgt“, weiß Banhart nur zu gut und befürchtet: „Dies scheint der Trend zu sein.“ In den Fachausschüssen werde kaum mehr fachlich diskutiert. „Sie sind nur noch Abstimmungsorgan.“

Banhart muss das bedenklich finden. Schließlich forderte die im vergangenen Sommer gegründete Initiative „WIR in Kleinmachnow“ wie keine andere Wählergruppe mehr Transparenz bei der Ortspolitik. Das Misstrauen über die Art und Weise, wie in der Gemeinde politische Entscheidungen getroffen wurden, gilt schlechthin als Keimzelle von WIR. Inzwischen sind Banhart und seine Abgeordneten-Kollegin Angelika Scheib jedoch selbst in den Zwang geraten, Politik am Telefon zu machen. Bei der außerparlamentarischen Kompromisssuche für den Turnhallenbau „haben wir mitgemacht“, beeilt sich Banhart auf der WIR-Homepage das hintergründige Zutun öffentlich zu machen und zu mahnen, dass „solche Vorabsprachen auf Notfälle beschränkt werden“ sollten.

Bildungsausschuss-Chef Guido Beermann kann die „Grundkritik nachvollziehen“. Treffen im Hinterzimmer seien nicht das Ideal einer demokratischen Auseinandersetzung, gibt der Christdemokrat zu, „gelegentlich aber notwendig“. Mitunter lassen sich „Dinge eher bewegen, wenn man sie zunächst unter sich bespricht“. Und im Fall der Turnhalle habe es der Sache genützt.

Politik-Profi Klaus-Jürgen Warnick geht sogar noch weiter: Für den PDS-Vorderen sind außerparlamentarische Absprachen ein völlig legitimes Mittel. „Die Überzeugung findet im Vorfeld statt“, weiß der Landes- und Kommunalpolitiker nicht zuletzt aus seiner Zeit im Bundestag. Warum sonst gebe es in den Parlamenten so häufig leere Bänke. Und in Kleinmachnow könne so manche „Schauspieleinlage“ in der Gemeindevertretung durch Absprachen im Vorfeld vermieden werden. Gerade in Kleinmachnow, wo die Mehrheiten knapp sind und ständig wechseln, gebe die Demokratie ein gutes Bild nach außen ab, wenn hinter der Bühne Kompromisse ausgehandelt würden und vor dem Vorhang Geschlossenheit demonstriert werde.

Warnicks Gelassenheit ist umso erstaunlicher, als die CDU ihre Bereitschaft zur außerparlarmantarischen Verständigungsrunde um den strittigen Turnhallenbau von einer Bedingungs abgemacht hatte: ohne PDS. „Die beiderseitige Distanz ist zu groß“, begründet Beermann die Abgrenzung.

Auch PRO Kleinmachnow und Lokalunion waren bei der Konstruktion nach dem Turnhallen-Konsens nur Zaungast. „Kungelei“, wettert deshalb Bernd Pape erbost. Der Vertreter der Lokalunion habe den Eindruck, „dass die Großen einige Sachen nur unter sich klären wollen und die Kleinen nur noch für gut befunden werden, um Mehrheiten aufzufüllen“. Pape fürchtet, „dass dies Schule macht“ und fordert von den gestandenen Parteien wie CDU und SPD „eine Selbstverpflichtung, zur parlamentarischen Arbeit zurückzukehren“.

„Zur Integration gehören immer zwei“, verhehlt SPD-Gemeindevertreter Jens Klocksin nicht, dass der Schulterschluss mitunter schwer fällt und persönliche Befindlichkeiten noch dominieren. Bereits bei der Grundsatzentscheidung zur dritten Grundschule hat Klocksin vergeblich darum geworben, dass PDS, PRO und Lokalunion ins Boot steigen. Vor allem die PDS vertritt bei der Schule wie auch bei der Turnhalle eine konträre Position gegen die Mehrheit im Ortsparlament. Auffallend: Bis auf PDS-Fraktionschef Wolfgang Kreemke sind es in der PDS, in der Lokalunion und bei PRO die Repräsentanten der alten Wahlperiode, die häufig eine ablehnende oder zurückhaltende Minderheit bilden.

Dass sich Mehrheiten auch außerhalb des Sitzungssaals finden, ist für SPD-Ortschef Klocksin normal: „Gebe es keine informelle Ebene, würde man überhaupt nicht zu Ergebnissen kommen.“ Wichtig sei nur, so Christdemokrat Beermann, „die Wege zur Entscheidung öffentlich nachzuzeichnen“.