VOR FÜNF JAHREN
Gegenrudern
In einem Boot: Bündnisgrüne und Bürgerinitiative mit neuen
Argumenten gegen den Schleusenausbau
Von Peter Könnicke
Kleinmachnow - Sollte die Kleinmachnower Schleuse allen Widerständen zum
Trotz einmal auf 190 Meter ausgebaut werden, gebe es eines nicht mehr: ein
Wahlkampfthema.
Immer, wenn in der Vergangenheit der
Gang in die Wahlkabine anstand, wurde das Schleusen-Projekt zum
Wahlprüfstein. Und die Erklärungen der angehenden Politiker klangen für all
jene, denen die Millionen-Investition unsinnig erscheint, ermutigend. Teils
erstaunt, teils enttäuscht wird jetzt registriert, dass die Pläne aktueller
sind denn je und der erste Spatenstich für viele bedrohlich näher rückt.
Am Mittwoch nun ließen die Bündnisgrünen Elisabeth Schroedter und Cornelia Behm
vor der Schleuse ein Ruderboot zu Wasser, um zu illustrieren, wozu der
Teltowkanal am besten tauge. Schroedter will im Juni erneut ins
Europaparlament gewählt werden, Behm strebt in den Landtag und würde dafür
ihr Bundestagsmandat aufgeben. Die Kahnpartie auf einen Wahlkampf-Gag zu
reduzieren, wäre allerdings nicht fair. Seit Jahren streitet die
Kleinmachnowerin Behm gegen den Schleusenausbau. Briefe an
Bundesverkehrsminister Stolpe, in denen Brandenburgs einstigem Landesvater
ins Gewissen geredet wird, vom dem wirtschaftlich und ökologisch fragwürdigen
Vorhaben Abstand zu nehmen, tragen Behms Handschrift. Nach dem Maut-Desasters
haben die Grünen nun Stolpe erneut aufgefordert, Projekte im
Bundesverkehrswegeplan neu zu bewerten und zu priorisieren. Inzwischen streiten
sich im rot-grünen Kabinett das Umwelt- mit dem Verkehrsministerium. Ersteres
will auch die Wasserstraßen-Projekte neu justieren, im Stolpe-Ressort gelten
diese als fest positioniert. „Doch bringen die nachweislich keine Effekte“,
meint Behm.
Was die EU-Abgeordnete Schroedter bestätigt: Beim Ausbau der
Bundeswasserstraßen werde mit dem Aufwand von einer Million Euro gerade mal
ein Arbeitsplatz geschaffen. Aus er EU sollen 12 Millionen Euro in das
Ausbau-Budget des Bundes fließen. „Es würden ganze zwölf Arbeitsplätze
entstehen“, verdeutlicht Schroedter die unschwere Rechnung. „Allein dies
zeigt, das Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis stehen.“ Da der Ausbau der
Schleuse zudem Auswirkungen hat auf das angrenzende Flora-Fauna-Habitat-Gebiet
(FFH), dem europäischen Naturschutzband, sieht Schroedter Brüssel gefordert,
den Anteil der EU-Finanzen zu überprüfen. Bereits im Fall des Domfelsens am
Elbufer habe sie im Europaparlament auf die negativen Folgen für das FFH-Gebiet
aufmerksam gemacht. Dadurch wurde der Ausbau der Wasserstraße nicht
verhindert, aber der Bund musste auf EU-Geld verzichten.
Dass die Eingriffe in die Kanalaue für den Ausbau der Schleuse in der
Vergangenheit erheblich reduziert wurden, ist nicht zuletzt ein Verdienst der
Bürgerinitiative „pro Kanallandschaft“. Diese hat sich heute erneut in einem
Brief mit einem dringenden Appell an Ministerpräsident Platzeck gewandt, sich
persönlich einzuschalten, um „quasi in letzter Minute den Neubau der
überdimensionierten 190 Meter Schleusenkammer im Interesse des Baus einer den
Transportbedarf vollauf befriedigenden 115 Meter Schleuse zu stoppen“.
Dadurch könnte ein 75 Meter langer Streifen des sensiblen Ufers unterhalb der
Neuen Hakeburg vor der im Spätherbst vorgesehenen Abbaggerung verschont
werden. Dabei weist die Initiative auf ein Argument von „außerordentlicher
Bedeutung“ hin: Der gültige Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der
Schleuse beinhaltet eine Vorbehaltsklausel. Die besagt, dass bei einer
wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die dem Planfeststellungsbeschluss
zugrunde liegen, „weitere Entscheidungen vorbehalten bleiben, um eine Beeinträchtigung
des Wohles der Allgemeinheit zu verhüten oder auszugleichen“.
Dieser Umstand „macht eine Intervention nicht nur möglich sondern notwendig“,
mahnt Initiativen-Sprecher Manfred Hauck. In einer umfangreichen
Dokumentation, die im Januar sowohl Platzeck wie auch Stolpe übergeben wurde,
habe die Initiative ausführlich „wesentliche Änderungen der Verhältnisse“
nachgewiesen. „Alle entscheidenden Rahmenbedingungen, die 1992 der Planung
dieser Großschleuse zugrunde gelegt worden waren, haben sich grundlegend
verändert“, so Hauck. Allein die Prognosen des künftigen Transportaufkommens
sind – vom Bund selbst – drastisch reduziert worden.
„Das Planfeststellungsverfahren für den Schleusenbau zu Ende führen, sich
alle Punkte darlegen lassen und dann nachhaken.“
Christel Dettmann, SPD-Landtagskandidatin 1999
„Ohne Wenn und Aber stoppen, das ganze Verkehrsprojekt Nr. 17.“
Klaus-Jürgen Warnick, PDS-Landtagskandidat 1999
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bundesverkehrsminister
weitermacht, wenn ein klares Veto aus Brandenburg kommt.“
Hinrich Enderlein, FDP-Landtagskandidat 1999
„Man vergibt sich nichts, die Investitionen für den Havelausbau auf Eis
zu legen.“
Barbara Sahlmann, Landtagskandidatin für die Grünen 1999
„Ernsthafte Bedenken im Planfeststellungsverfahren sollten präzise
beantwortet werden.“
Jörg Schönbohm, CDU-Landtagskandidat 1999
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