03.02.2004

 

 



„Wir sind hart im Nehmen“

Angelika Scheib und John Banhart, die New-Comer in Kleinmachnows Ortspolitik, über erste Erkenntnisse, Vertrauen und Hindernisse

Er galt als Überraschung der Kleinmachnower Kommunalwahl im vergangenen Oktober: Der Wahlerfolg von „WIR in Kleinmachnow“. 6,2 Prozent holte die aus Frust und Unmut über Fehlentwicklungen und fehlende Transparenz enstandene Wählerinitiative. Sie stellt mit Angelika Scheib und Prof. John Banhart zwei Gemeindevertreter. Die Architektin lebt seit dreieinhalb Jahren in der Gemeinde. Banhart, im Hahn-Meitner-Institut tätig, ist seit zwei Jahren Kleinmachnower. Nach ihren Eindrücken nach den ersten drei Monaten in der Ortspolitik fragte PNN-Redakteuer Peter Könnicke.

Nach den ersten Wochen nächtlichen Aktenstudiums, intensiver Koalitionsgespräche, Wochenendklausuren und abendlichen Sitzungen: Wie oft haben Sie Ihren Schritt auf die Bühne der Kleinmachnower Kommunalpolitik bereits bereut?

Scheib:
Bereut gar nicht. Der Schritt war richtig: Man lebt in einer Demokratie und hat eigentlich doch recht wenig Ahnung, wie sie funktioniert. Bei genauerem Hinsehen war ich doch entsetzt zu sehen, wer meine eigenen Interessen vertritt oder nicht vertritt. Daraus entstand der Entschluss, es selbst zu tun und Gleichgesinnte zu finden. Was wir nicht erwartet haben, ist der große Arbeitsaufwand.

Banhart: Es ist aufwendiger als ich es gedacht hätte. Wir sind zur Wahl mit zwei Themen angetreten. Ich hatte mir das so vorgestellt, dass wir diese beiden Themen abdecken und das andere außen vor lassen. Aber es ist sehr schnell klar geworden, dass wir alles abdecken müssen. Doch es ist sehr interessant, Einblicke zu bekommen. Auch die Resonanz ist sehr gut. Wir bekommen viel Lob von den Bürgern.

Wie gut funktioniert der Rücklauf, das Feedback zu ihren Wählern?

Banhart:
Ich habe jetzt aus dem Kreis der Elternvertreter der Eigenherd-Schule erfahren, dass uns dort viele bei der Wahl unterstützt haben. Sie sprechen uns jetzt auch an, um Probleme, von denen sie wissen, in die Politik einzubringen. Wir hatten uns ja angeboten als Schnittstelle zur Politik. Das wird jetzt aufgegriffen und akzeptiert. Die Informationen zurück an die Bürger fließen in erster Linie über unsere Internetseite.

Scheib: Zudem bereiten wir jetzt einen Newsletter vor, den wir über einen eMail-Verteiler verschicken werden und der auf unserer Homepage bestellt werden kann.

WIR hat im Wahlkampf die gestandenen Parteien des Ortes - SPD, CDU, PDS - in Generalhaftung für die Entwicklung Kleinmachnows genommen, auch mit Kritik an den kleineren Gruppierungen wurde nicht gespart. Wie fühlen Sie sich als New-Comer in der politischen Familie des Ortes aufgenommen?

Scheib:
Unterschiedlich …

Banhart: … aber auch überraschend gut. Wir hatten schon ein mulmiges Gefühl vor der Wahl und sahen uns im Falle eines Erfolges als Aschenputtel in der Ecke sitzen. Aber das ist nicht der Fall. Man muss auch sagen, dass die Parteien, wie sie jetzt nach der Wahl stehen, sind nicht mehr die, die sie vorher waren. Die CDU hat sich völlig erneuert. Auch die SPD hat sich zu Teilen verändert. Mit den Neuen, den Jungen Wilden in den alten Parteien, kommen wir sehr gut zurecht. Es ist fast ein sehr kollegiales Verhältnis. Wir erkennen alle, dass sich etwas ändern muss.

Scheib: Man kann wirklich mitgestalten mit den anderen Kollegen, gemeinsame Initiativen anstrengen und fachlich fundierte Informationen bekommen. Man kann sich über Themen austauschen. Bei den Leuten, die gewillt sind, etwas zu verändern, ist auch eine Kooperation spürbar.

Wenn Sie von Veränderungen in diesem Ort reden, meinen Sie damit auch ein neues Politikverständnis.

Banhart:
Auf jeden Fall. Es ist eigentlich fast noch schlimmer, als wir es vermutet haben, wie hier Politik betrieben wurde und noch betrieben wird. Die Gemeindevertretung hatte eine äußerst schwache Statur. Das bestätigen auch die Jüngeren aus den alten Parteien. Es gibt einige wenige Leute in der Gemeinde, die in der Vergangenheit recht autokratisch regiert und ihre Pläne und Ideen durchgesetzt haben. Weil es unserer Meinung nach nicht immer die richtigen Ideen sind, haben wir ein Problem.

Scheib: Was für uns ein großes Hindernis darstellt und was wir entschlossen angehen wollen, ist, dass man von der Verwaltung ungenügende Vorlagen bekommt. Einem selbst wird dann fehlende Kompetenz nachgesagt, nur weil man inhaltliche Fragen stellt. Doch liegt das an den dürftigen Vorlagen und der teilweisen Unfähigkeit der Verwaltung,

Überfordert die neue oder zunehmende Stärke der Gemeindevertretung die Verwaltung?

Banhart:
Ja, ich habe den Eindruck. Im jüngsten Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales wurde die Verwaltung sehr deutlich gerügt, weil sie überhaupt nicht vorbereitet war und keinerlei Auskunft über Finanzen geben konnte, so dass die Aussprache zum Haushalt vertagt werden musste.

Ihre Wortmeldungen und Redebeiträge haben häufig ein kritisches Nachfragen und Infragestellen zum Inhalt. Als dies jüngst mit Missfallen quittiert wurde, entgegneten Sie, sich ein gewisses Misstrauen vorbehalten zu wollen. Woher kommt dieses Misstrauen?

Scheib:
Vielleicht kann man es anders sagen: In den dreieinhalb Jahren, die ich in Kleinmachnow lebe, ist noch kein Vertrauen

gewachsen.

Banhart: Als ich hierher gezogen bin, hatte ich ein Problem mit der Verkehrssituation. Ich habe Briefe geschrieben an den Bürgermeister und keine Antwort bekommen. In der Diskussion um die dritte Grundschule und um das Problem mit den weiterführenden Schulen, was uns sehr sensibilisiert hat, kam einfach nichts von der etablierten Politik. Auch die dritte Grundschule, um die wir kämpfen, ist noch immer umstritten. Speziell in der Verwaltung wird gehofft, dass nun mit der evangelischen Grundschule das Problem vom Tisch ist. Das führte und führt zu Vertrauensproblemen. Wir haben gemerkt, dass es für unsere Probleme in der Verwaltung und in Teilen der Politik keine Ansprechpartner gibt.

Haben sich durch diese Einblicke Frust und Unverständnis relativiert?

Scheib:
Der Frust ist eigentlich größer geworden.

Banhart: Gleich in unserer ersten Gemeindevertretersitzung ging es darum, Grundstücke im Wert von vielen Millionen Euro an die GeWoG zu übertragen. Es hieß, in nichtöffentlicher Sitzung, wir müssen zustimmen, sonst kann das Kinderhaus am Steinweg nicht gebaut werden. Gleich so unter Zugzwang gesetzt zu werden, frustet. Dann haben uns die anderen zum Anfang auch vermittelt: Ihr könnt eh nix machen, wir haben mehr Stimmen. Da wurden ein bisschen nach Blöcken gerechnet. Jetzt merken wir aber, die Blöcke gibt es so eigentlich gar nicht, es geht eher nach Personen. Der Frust wäre doch sehr groß, wenn wir nicht die Hoffnung hätten, dass wir etwas verändern können. Ich bin gedämpft optimistisch, dass wir das können.

Was hat in den vergangenen Wochen zu dieser Motivation beigetragen?


Banhart: Mir hat es gut gefallen, dass wir die Bebauung am östlichen Erlenweg vorerst verhindert haben. Da habe ich gesehen, dass man doch etwas bewegen kann, obwohl man nicht die Mehrheit stellt, aber es vernünftige Anliegen sind. Jetzt bewegt sich hoffentlich etwas für die dritte Grundschule: In allen Parteien fordern Leute jetzt ganz schnell und ganz konkret einen Beschluss. Angenehm überrascht waren wir auch, dass zum Haushaltsentwurf aus anderen Parteien Ansätze kritisiert wurden, die uns auch sofort aufgefallen sind, wie zum Beispiel die überdimensionierte Sporthalle an der Eigenherd-Schule oder die Zuwendungen an die GeWoG.

Ihre jetzigen Fraktionskollegen Franke und Faensen, die vor fünf Jahren gleichfalls von einer Bürgerinitiative ins Gemeindeparlament kamen, haben im Vorfeld der Kommunalwahl neue Gruppierungen wie WIR gewarnt, dass es kein leichtes Unterfangen ist, aus bürgerlicher Unzufriedenheit parlamentarische Arbeit zu machen. Es werde Reibungsverluste geben, Ideale würden Kompromissen weichen, Biss gehe verloren. Haben Sie Sorge, von Ihrem Engagement und dem Willen zur Veränderung zu verlieren?

Banhart: Nein, eigentlich nicht.

Scheib: Wir haben insofern eine andere Situation, dass von den anderen Parteien einige Leute angebissen haben oder mehr Biss zeigen. Das macht es uns leichter als es für die beiden vor fünf Jahren war.

Banhart: Außerdem sind wir kämpferisch. Uns machen die rauen Gegebenheit wenig aus. Ich bin nicht in die Kommunalpolitik gegangen, um mir nur Freunde zu machen. Wir sind hart im Nehmen und lassen uns nicht so schnell den Schneid abkaufen.