MAZ 01.10.09

 

JUSTIZ: Machtwort der Verfassungsrichter

Restitution von Grundstücken in der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung endgültig vom Tisch

KLEINMACHNOW - Die Verfassungsbeschwerde des Berliner Anwalts Christian Meyer im Restitutionsverfahren der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung ist vom Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen worden. Mit dieser Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts vom 16. September ist der Rückübertragungsanspruch Meyers auf rund 700 Grundstücke aller Voraussicht nach endgültig vom Tisch.

Meyer war mit seiner Klage auf Rückübertragung der fraglichen Grundstücke bereits vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Er entschloss sich dann zum Gang vor das Bundesverfassungsgericht, weil er der Auffassung war, die den Urteilen zugrunde liegenden Vermögensgesetze seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Mit dieser Auffassung ist er nun aber in Karlsruhe abgewiesen worden.

Im Kleinmachnower Fall geht es um Grundstücke, die zum Betriebsvermögen einer Siedlungsgesellschaft gehörten. Die Gesellschaft erschloss, parzellierte und verkaufte Bauflächen ab 1930 direkt an Siedler. 80 Prozent der Gesellschaftsanteile befanden sich im Besitz des jüdischen Bauunternehmers Adolf Sommerfeld, der im April 1933 aus Deutschland flüchten musste.

Die „arisierte“ Gesellschaft setzte ihren Geschäftsbetrieb unverändert fort. Nach Auffassung der Gerichte bezahlten die Grundstückskäufer auch weiterhin marktübliche Preise. In der Juristensprache werden sie als „loyale Erwerber“ bezeichnet und sind nach den geltenden Gesetzen, die nach der Wiedervereinigung präzisiert wurden, vor Rückübertragungsansprüchen geschützt.

Sommerfeld-Erben und die Jewish-Claims-Conference forderten in den 1990er Jahren dennoch die Restitution der Grundstücke. Ihre Ansprüche traten sie aber 1997 an den Anwalt Christian Meyer ab, der seitdem auf Rückübertragung klagt. Er hält den „Siedlerschutz“ für nicht verfassungskonform. Die gegenteilige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nannte Meyer gestern „nicht nachvollziehbar“. Er kündigte eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an.

Die Entscheidung zur Sommerfeld-Siedlung wird Meyer damit aber nicht mehr hinauszögern können. „Der Prozess zu den 700 Grundstücken könnte im November wieder aufgenommen und dann rasch zum Abschluss gebracht werden“, sagte der Sprecher des Potsdamer Verwaltungsgerichts, Ruben Langer, gestern zur MAZ.

Die heutigen Besitzern der Grundstücke litten jahrelang unter der Unsicherheit, ob sie Häuser und Grundstücke behalten dürfen. Zahlreiche Eigentümer haben Meyer den drohenden Restitutionsanspruch inzwischen sogar abgekauft. Nach Maz-Informationen sollen anfangs rund 20 000 Euro, zuletzt bis zu 80 000 Euro gefordert worden sein.

„Viele Bewohner mussten Kredite aufnehmen“, erzählt ein Betroffener. Es sei eine Frage der Nerven gewesen, ob man weiter mit der Angst leben wollte, sein Grundstück zu verlieren, oder sich für die Zahlung an Meyer entschied. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, so hoffen die heutigen Eigentümer, könnte die Gefahr vorüber sein. „Uns allen ist ein Stein vom Herzen gefallen.“ (Von Jürgen Stich)

MAZ 01.10.09

 

Rechtsfrieden

Jürgen Stich über den langen Weg bis zum Sommerfeld-Urteil

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung zur Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung in zweifacher Weise Rechtssicherheit geschaffen. Zum einen stellten die höchsten deutschen Richter klar, dass die Vermögensgesetze, die nach der Wiedervereinigung auch auf Restitutionsfälle zugeschnitten wurden, verfassungskonform sind. Andererseits betrifft der hergestellte Rechtsfrieden ganz konkret hunderte Kleinmachnower Bürger, die sich jetzt ziemlich sicher sein können, dass sie Haus und Grundstück behalten dürfen. Die enorme nervliche und finanzielle Belastung ist diesen meist älteren Menschen nun von den Schultern genommen worden.

Damit aber bei aller Freude der heutigen Hausbesitzer keine Missverständnisse aufkommen: Das Schicksal des jüdischen Bauunternehmers Adolf Sommerfeld, dem die Nazis das ganze Vermögen abpressten und den SA-Leute aus dem Land trieben, ist ein erschreckendes Beispiel der Willkür im NS-Staat. Es war seine „arisierte“ Firma, von denen die Siedler in Kleinmachnow ihre Grundstücke abkauften. Die meisten zahlten aber den marktüblichen Preis. Sie haben ihren Besitz nach Auffassung der Gerichte deshalb redlich erworben. Ihre Enteignung würde neues Unrecht schaffen.