MAZ 17.02.09
WÜNSDORF - Seit mehr als 50 Jahren überrascht der Karikaturist Harald Kretzschmar die Menschen damit, sie quasi aus dem Hut zu porträtieren. Einige seiner „Köpfe“ zeigt gegenwärtig die Neue Galerie in der Bücherstadt Wünsdorf (MAZ berichtete).
Doch Kretzschmar hat noch eine andere künstlerische Seite – er kann nicht nur ausgesprochen gut zeichnen, sondern auch ausgesprochen gut schreiben. Und so stellte er am Sonntagvormittag zur besten Künstlerzeit sein Buch „Paradies der Begegnungen – der Künstlerort Kleinmachnow“ vor. Dort lebt der Zeichner und Karikaturist nun seit mehr als einem halben Jahrhundert und dort haben sich auch immer wieder Komponisten, Schriftsteller, Schauspieler, Regisseure, Bildhauer, Maler, Journalisten und Fotografen niedergelassen. Die einen nur kurzzeitig, die anderen länger, manche ein Leben lang. „Was zuerst als Auflistung derer gedacht war, die hier einen Teil ihres Lebens verbrachten“, so Kretzschmar, „ist es nun ein Buch über deren Miteinander in Kleinmachnow geworden.“
Der Autor hat Biografien und Schicksale von vielen bekannten Künstlern zusammengetragen. Stellvertretend sollen genannt werden: Lily und Heinrich Braun, die sozialdemokratischen Schriftsteller, die sich als erste in Kleinmachnow ansiedelten. „Das war um 1910, als der Ort unter Erlen und Eichen entstand“, so Kretzschmar. Zu jener Generation in Kleinmachnow zählt auch Arnold Schönberg, der Schöpfer der Zwölftonmusik. Zwei Jahrzehnte später zog es Kurt Weill dorthin, wo inzwischen Rundfunkgründer Adolf Grimme, Schauspieler Paul Henckels oder Norbert Schultze lebten. Norbert Schultze war der junge Schlagerkomponist, der „Lili Marleen“ 1938 vertonte.
Zu denen, die in den späten 1940er-Jahren, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, einen Neuanfang in Kleinmachnow wagten, gehörten so bekannte Mimen wie Erwin Geschonneck oder Agnes Kraus, der Naturwissenschaftler Robert Havemann, der Komponist Eberhard Rebling und seine Frau Lin Jaldati oder der Journalist Walther Victor.
Es folgten später Prominente wie Walter Janka, Gisela Uhlen, Herbert Köfer, Herbert Otto, Maxi und Fred Wander, Christa und Gerhard Wolf, die Dokumentarfilmer Gitta Nickel oder der jüngst verstorbene Karl Gass, Regisseure wie Lothar Warnecke, Hermann Beyer, Sportreporter Heinz-Florian Oertel, die Sängerin Chris Doerk oder Professor Flimmrich, alias Walter E. Fuß, bekannt aus dem DDR-Kinderfernsehen.
Kleinmachnow, bestätigt Kretzschmar auf die Frage einer Zuhörerin, hatte schon den Nimbus, ein besonderer Ort zu sein. Aber nicht so wie die Künstlerkolonien Ahrenshoop oder Worpswede. In Kleinmachnow, so schreibt Kretzschmar in seinem Buch, „realisierte sich wie kaum anderswo Partnerschaft wie Nachbarschaft zwischen Kunst und Wissenschaft“. Hier sind Schicksale der Künstler untereinander und mit der Geschichte verknüpft. Und Kretzschmar bedauert am Schluss, dass er nur neun Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts berücksichtigen konnte. Ob eine Fortsetzung folgt, ließ der 78-Jährige offen.
Harald Kretzschmar: „Paradies der Begegnungen“, Faber & Faber Verlag, Leipzig 2008, ISBN 978-3-86730-082-7. (Von Heidi Borchert)