MAZ 06.01.09

 

GESPRÄCH: Mit heißem Herzen und kühlem Verstand

Am 16. Februar wird Wolfgang Blasig als Landrat von Potsdam-Mittelmark antreten / Erste Amtshandlung: Zuhören

Wolfgang Blasig (SPD), Bürgermeister in Kleinmachnow, spürt als künftiger Landrat im Landkreis Potsdam-

Mittelmark eine freudige Erwartung. Mit ihm sprach MAZ-Re-

dakteur Jürgen Stich.

MAZ: Wie fühlt man sich als neuer Landrat von Potsdam-Mittelmark?

Wolfgang Blasig: Wenn man sich bewirbt und die Wahl gewinnen will, dann ist man erst einmal glücklich, wenn das am Ende gelungen ist. Ich weiß aber auch, dass ich es mit einer neuen, großen Aufgabe zu tun habe, die ich bisher nicht trainieren konnte.

Immerhin sind Sie Verwaltungschef einer Kommune.

Blasig: Das, was ich bisher gemacht habe, hat mir sicherlich ein Rüstzeug gegeben, so dass ich bestimmt nicht scheitern werde. Aber Landrat zu sein, ist dennoch eine große Herausforderung.

Sie spüren also ein pures Gefühl von Glück?

Blasig: Auf jeden Fall eine freudige Erwartung. Hinter mir liegt aber ein langes Bürgermeisterleben in Kleinmachnow. Das kann ich nicht einfach abstreifen. Es gibt also ein weinendes Auge, obwohl ich sicher bin, dass ich in Kleinmachnow geordnete Verhältnisse hinterlasse.

Wer soll denn Ihr Nachfolger in Kleinmachnow werden?

Blasig: Es steht mir nicht an, Namen zu nennen. Aber man wird mir wohl zugestehen, dass ich aus meiner Mitgliedschaft in der SPD nie einen Hehl gemacht habe und deshalb dem SPD-Kandidaten den Daumen drücke.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?

Blasig: Kleinmachnow ist ein sehr aufgeweckter Ort. Es gibt dort immer etwas zu diskutieren, es gibt immer Kontroversen, aber letztendlich entsteht daraus immer ein Kompromiss. Meinem Nachfolger kann ich nur empfehlen, Ruhe zu bewahren, und manchmal auch die preußische Beschwerdeordnung einzuhalten: kurz aufregen, eine Nacht drüber schlafen und am nächsten Tag mit zwar heißem Herzen, aber kühlem Verstand handeln.

Ihre Wahl zum Landrat war eine Zitterpartie. Sie erhielten 29 Stimmen und damit die Mindestzahl, obwohl die Koalition über 40 Sitze verfügt. Ist das eine zu schmale Basis?

Blasig: Ich betrachte das Ergebnis als einen Akt mittelmärkischer Freundlichkeit. Wenn man genauer hinschaut, gab es genau drei Gegenstimmen. Der Rest war Zustimmung. Die vielen Enthaltungen haben unterschiedliche Gründe. Eine Gruppe favorisierte die Direktwahl des Landrats, einige wollten wohl gleich zu Anfang die Machtverhältnisse klarlegen: hier das Parlament, dort der Landrat. Dass es im ersten Wahlgang klappte, hat vielleicht sogar den ein oder anderen überrascht. Aber ich nehme es als Signal der Abgeordneten: Lieber Landrat, mit uns immer, ohne uns siehst du nicht gut aus.

Haben Sie die volle Unterstützung der Koalition?

Blasig: Ja. Ich will aber nicht ausschließen, dass es auch in der Koalition den ein oder anderen Abgeordneten gibt, der mich erst einmal besser kennen lernen will, bevor er sich eine endgültige Meinung bildet. Ich komme aus dem engeren Verflechtungsraum, da schwingen dann schon Fragen mit: „Versteht er denn überhaupt was von Wiesenburg, von der Unteren Havel, von Beelitz?“ Das muss ich akzeptieren. Da bin ich neu.

Wie wollen Sie sich das Vertrauen der Kreistagsabgeordneten erarbeiten?

Blasig: Natürlich haben zunächst die Koalitionäre ein Anrecht darauf, ihre politischen Vorstellungen an mich und die Verwaltung heranzutragen. Dennoch: Jeder Mandatsträger, der einer Fraktion angehört, soll in den Stand versetzt werden, sachgerecht entscheiden zu können. Es ist sein Recht und ich sehe es als meine Pflicht an, dass er mit allen Informationen versorgt wird.

Es gibt eine Kluft zwischen dem „Speckgürtel“ um Berlin und den ländlichen Gebieten jenseits des Autobahnrings. Wie wollen Sie das ändern?

Blasig: Zunächst einmal: Ich kann mit dem Begriff Speckgürtel nicht viel anfangen. Will man im Bild bleiben, sind es doch allenfalls „Speckwürfel“ um die Metropole Berlin herum. Es gibt selbst dort Gebiete, die Defizite in ihrer Entwicklung haben. Grundsätzlich gilt der Verfassungssatz, dass in einem Landkreis gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen sind. Das heißt schlichtweg, dass eine Ausgleichsfunktion erfüllt werden muss. Nicht immer nur mit Geld, sondern auch in der Planung und der Unterstützung von Kommunen.

Wie soll das gehen?

Blasig: Der Landkreis Potsdam-Mittelmark kann für Ausgleich sorgen, wenn wir Stärken und Schwächen ganz genau analysieren. Im ländlichen Bereich haben wir eine wunderbare Landschaft und eine nicht zu unterschätzende Landwirtschaft. Natürlich wandern auch junge Menschen ab, um woanders Arbeit zu finden. Und ganz ehrlich: Es wird nicht gelingen, tief im Landkreis einen großen Arbeitgeber zu platzieren. Dennoch gibt es dort ebenso gute Lebensbedingungen und wenn die Verkehrsverbindungen stimmen, dann werden die Menschen gern dort wohnen.

Bislang hat Ihr Interesse allerdings mehr dem berlinnahen Raum gegolten.

Blasig: Natürlich kenne ich mich im engeren Verflechtungsraum gut aus. Die ländlichen Gebiete werde ich in Zukunft genauer unter die Lupe nehmen, um zu erfahren, wie die Menschen dort ihre Situation einschätzen und wo der Schuh drückt. Mein Vorteil ist der Blick von außen. Dass ich die Region Teltow bevorzugen werde, steht überhaupt nicht zu befürchten. Sie wissen doch: Wenn ein Lehrer sein eigenes Kind in der Klasse hat, dann behandelt er dieses Kind am strengsten.

Sie haben von guten Verkehrsanbindungen für den ländlichen Raum gesprochen. Reicht das bisherige Angebot?

Blasig: Ich will gar nicht darum herumreden: Es gibt Defizite im Öffentlichen Nahverkehr, bei Bussen und Bahnen. In einigen Gegenden ist der Schulbus das einzige Verkehrsmittel, mit dem Menschen ohne Auto von A nach B kommen. Das ist definitiv zu wenig. Hier muss der Landkreis etwas tun, auch wenn es Geld kostet.

Debattiert wird derzeit auch über eine Fusion der Havelbus Verkehrsgesellschaft und der Verkehrsgesellschaft Belzig mit den Verkehrsbetrieben Potsdam und Brandenburg/Havel. Ist das eine Option?

Blasig: Ziel muss es sein, dass wir ein möglichst dichtes Verkehrsnetz erhalten können, das bezahlbar ist. Es geht also um ein attraktives Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr, das den Menschen nützt. Wenn das über größere Strukturen leistbar ist, zum Beispiel in enger Kooperation des Landkreises Potsdam-Mittelmark mit den Städten Brandenburg und Potsdam, dann bin ich auf jeden Fall dafür. Allen drei Partnern würde es Vorteile bringen, wenn es in diesem Bereich weniger Kirchturmdenken gäbe.

Was sind zentrale Projekte Ihrer Amtszeit als Landrat?

Blasig: Erstens wird es ganz wichtig sein, die Bürgermeister des Kreises stärker einzubeziehen. Ich will die Erfahrung vor Ort nutzen und ein Podium schaffen, damit sich Bürgermeister und Kreisverwaltung regelmäßig austauschen können. Zweitens möchte ich die Abfallproblematik, also den Müllskandal, schnell einer Klärung zuführen. Vieles, was da im Dunkeln liegt, muss ans Licht gebracht werden. Die Betroffenen sollen wissen, mit welcher Situation es die Menschen und der Kreis bei den illegal abgelagerten Abfällen zu tun haben. Drittens will ich die Außenwirkung des Landkreises verbessern. Die Definition als stark, modern und gerecht ist das eine, der Kreis muss sich dann aber auch so darstellen.

Ihr Amtsantritt in Belzig ist am 16. Februar 2009. Was passiert an diesem Tag?

Blasig: Ich bin sicher, dass sich das Landratsbüro und die Fachbereichsleiter etwas ausdenken. Meine Aufgabe am ersten und den folgenden Tagen besteht im Zuhören.

Wie definieren Sie für sich persönlich das neue Amt – als neuen Lebensabschnitt, als Karrieresprung oder als Zwischenstation?

Blasig: Die Phasen in meinem Leben habe ich nie als Zwischenstationen betrachtet, weil ich nie karrieristisch gedacht habe. Ich habe mich in Kleinmachnow als Diener des Ortes gesehen und sehe mich in Zukunft als Diener im Landkreis. Was kann es Schöneres geben, als Landrat zu sein, und ganz besonders Landrat von Potsdam-Mittelmark? Für mich ist das eine wunderbare Aufgabe