MAZ 17.12.08
Den Müllskandal und die Debatte um Havelbus hat der kommende Landrat Wolfgang Blasig von seinem Vorgänger geerbt. Über Ver- gangenes und Zu- künftiges sprach mit dem SPD-Politiker MAZ-Redakteur
Jürgen Stich.
MAZ: Wie fühlt man sich als neuer Landrat von Potsdam-Mittelmark?
Wolfgang Blasig: Wenn man sich bewirbt und die Wahl gewinnen will, dann ist man erst einmal glücklich, wenn das am Ende gelungen ist. Ich weiß aber auch, dass ich es mit einer neuen, großen Aufgabe zu tun habe, die ich bisher nicht trainieren konnte.
Immerhin sind Sie Verwaltungschef einer Kommune.
Blasig: Das, was ich bisher gemacht habe, hat mir sicherlich ein Rüstzeug gegeben, so dass ich bestimmt nicht scheitern werde. Aber Landrat zu sein, ist dennoch eine große Herausforderung.
Also ein pures Gefühl von Glück?
Blasig: Auf jeden Fall eine freudige Erwartung. Hinter mir liegt aber ein langes Bürgermeisterleben in Kleinmachnow und das kann ich nicht einfach abstreifen. Also es gibt auch ein weinendes Auge, obwohl ich sicher bin, dass das, was ich in Kleinmachnow hinterlasse, gute und geordnete Verhältnisse sind. Das kann sich sehen lassen.
Wer soll denn Ihr Nachfolger in Kleinmachnow werden?
Blasig: Es steht mir nicht an, Namen zu nennen. Aber man wird mir wohl zugestehen, dass ich aus meiner Mitgliedschaft in der SPD nie einen Hehl gemacht habe und deshalb dem SPD-Kandidaten den Daumen drücke. Mehr kann ich nicht tun. Eines ist gewiss: Der Wähler irrt sich nicht. Es wird auch in Zukunft eine geeignete Bürgermeisterin oder einen geeigneten Bürgermeister in Kleinmachnow geben.
Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?
Blasig: Kleinmachnow ist ein sehr aufgeweckter Ort. Es gibt immer etwas zu diskutieren, es gibt immer Kontroversen, aber letztendlich entsteht daraus immer ein Kompromiss. Und bisher waren die Kompromisse so schlecht nicht, das kann man sich im Ort anschauen. Meinem Nachfolger kann ich nur empfehlen, Ruhe zu bewahren, und manchmal auch die preußische Beschwerdeordnung einzuhalten: kurz aufregen, eine Nacht drüber schlafen und am nächsten Tag mit zwar heißem Herzen, aber kühlem Verstand handeln.
Ihre Wahl zum Landrat war eine Zitterpartie. Sie erhielten 29 Stimmen im Kreistag und damit die Mindestzahl, obwohl die Koalition über 40 Sitze verfügt. Ist das eine zu schmale Basis?
Blasig: Ich betrachte das Ergebnis eher als einen Akt mittelmärkischer Freundlichkeit. Wenn man genauer hinschaut, gab es genau drei Gegenstimmen. Der Rest war Zustimmung. Die vielen Enthaltungen haben unterschiedliche Gründe. Eine Gruppe favorisierte die Direktwahl des Landrats, einige wollten wohl gleich zu Anfang die Machtverhältnisse klarlegen: hier der Kreistag, dort der Landrat. Dass es im ersten Wahlgang klappte, hat vielleicht sogar den ein oder anderen überrascht. Aber ich nehme es durchaus als Signal der Abgeordneten: Lieber Landrat, mit uns immer, ohne uns siehst du nicht gut aus.
Haben Sie die volle Unterstützung der Koalition?
Blasig: Ja. Ich will aber nicht ausschließen, dass es auch in der Koalition den ein oder anderen Abgeordneten gibt, der mich erst einmal besser kennen lernen will, bevor er sich eine endgültige Meinung bildet. Ich komme aus dem engeren Verflechtungsraum, da schwingen dann schon Fragen mit: „Versteht er denn überhaupt was von Wiesenburg, von der Unteren Havel, von Beelitz?“ Das muss ich akzeptieren. Da bin ich neu.
Wie wollen Sie sich das Vertrauen der Abgeordneten erarbeiten?
Blasig: Natürlich haben zunächst einmal die Koalitionäre ein Anrecht darauf, ihre politischen Vorstellungen an mich und die Verwaltung heranzutragen. Dennoch: Jeder Mandatsträger, der einer Fraktion angehört, soll in den Stand versetzt werden, sachgerecht entscheiden zu können. Es ist sein Recht und ich sehe es als meine Pflicht an, dass er mit allen Informationen versorgt wird.
Es gibt eine Kluft zwischen dem „Speckgürtel“ um Berlin und den ländlichen Gebieten jenseits des Autobahnrings. Wie wollen Sie das ändern?
Blasig: Zunächst einmal: Ich kann mit dem Begriff Speckgürtel nicht viel anfangen. Will man im Bild bleiben, sind es doch allenfalls „Speckwürfel“ um die Metropole Berlin herum. Es gibt selbst dort Gebiete, die Defizite in ihrer Entwicklung haben. Grundsätzlich gilt der Verfassungssatz, dass in einem Landkreis gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen sind. Das heißt schlichtweg, dass der Kreis eine Ausgleichsfunktion erfüllen muss. Nicht immer nur mit Geld, sondern auch in der Planung und der Unterstützung von Kommunen.
Wie soll das gehen?
Blasig: Der Landkreis kann für Ausgleich sorgen, wenn wir Stärken und Schwächen genau analysieren. Im ländlichen Bereich haben wir eine wunderbare Landschaft und eine nicht zu unterschätzende Landwirtschaft. Natürlich wandern auch junge Menschen ab, um woanders Arbeit zu finden. Und ganz ehrlich: Es wird nicht gelingen, tief im Land den großen Arbeitgeber zu platzieren. Dennoch gibt es dort gute Lebensbedingungen und wenn die Verkehrsverbindungen stimmen, dann werden die Menschen gerne dort wohnen.
Bislang galt Ihr Interesse allerdings mehr dem berlinnahen Raum.
Blasig: Natürlich kenne ich mich im engeren Verflechtungsraum gut aus. Die ländlichen Gebiete werde ich in Zukunft genauer unter die Lupe nehmen, um zu erfahren, wie die Menschen dort ihre Situation einschätzen und wo der Schuh drückt. Mein Vorteil ist der Blick von außen. Dass ich die Region Teltow bevorzugen werde, steht überhaupt nicht zu befürchten. Sie wissen doch: Wenn ein Lehrer sein eigenes Kind in der Klasse hat, dann behandelt er dieses Kind am strengsten.
Sie haben von guten Verkehrsanbindungen für den ländlichen Raum gesprochen. Reicht das bisherige Angebot aus?
Blasig: Ich will gar nicht darum herum reden: Es gibt im Kreis Defizite im Nahverkehr, bei Bussen und Bahnen. In einigen Gegenden ist der Schulbus das einzige Verkehrsmittel, mit dem Menschen ohne Auto von A nach B kommen. Das ist definitiv zu wenig. Hier muss der Landkreis etwas tun, auch wenn es Geld kostet.
Debattiert wird derzeit auch über eine Fusion der Havelbus Verkehrsgesellschaft mit den Verkehrsbetrieben Potsdam und Brandenburg/Havel. Ist das eine Option?
Blasig: Ziel muss es sein, dass wir ein möglichst dichtes Verkehrsnetz erhalten können, das bezahlbar ist. Es geht also um ein attraktives Angebot im öffentlichen Personennahverkehr, das den Menschen nützt. Wenn das über größere Strukturen leistbar ist, zum Beispiel in enger Kooperation des Landkreises Potsdam-Mittelmark mit den Städten Brandenburg und Potsdam, dann bin ich auf jeden Fall dafür. Allen drei Partnern würde es Vorteile bringen, wenn es in diesem Bereich weniger Kirchturmdenken gäbe.
Was sind zentrale Projekte Ihrer Amtszeit als Landrat?
Blasig: Erstens wird es ganz wichtig sein, die Bürgermeister des Kreises stärker einzubeziehen. Ich will die Erfahrung vor Ort nutzen und ein Podium schaffen, damit sich Bürgermeister und Kreisverwaltung regelmäßig austauschen können. Zweitens möchte ich die Abfallproblematik, also den Müllskandal, schnell einer Klärung zuführen. Vieles, was da im Dunkeln liegt, muss ans Licht gebracht werden. Die Betroffenen sollen wissen, mit welcher Situation es die Menschen und der Kreis bei den illegal abgelagerten Abfällen zu tun haben. Drittens will ich die Außenwirkung des Landkreises verbessern. Die Definition als stark, modern und gerecht ist das Eine, der Kreis muss sich dann aber auch so darstellen.
Ihr Amtsantritt in Belzig ist am 16. Februar 2009. Was passiert an diesem Tag?
Blasig: Ich bin sicher, dass sich das Landratsbüro und die Fachbereichsleiter etwas ausdenken werden. Meine Aufgabe am ersten und den folgenden Tagen besteht im Zuhören.
Wie definieren Sie für sich persönlich das neue Amt – als neuen Lebensabschnitt, als Karrieresprung oder als Zwischenstation?
Blasig: Die Phasen in meinem Leben habe ich nie als Zwischenstationen betrachtet, weil ich auch nie karrieristisch gedacht habe. Ich habe mich in Kleinmachnow als Diener des Ortes gesehen und sehe mich in Zukunft als Diener im Landkreis. Ich schiele nicht nach anderen Verwendungen. Was kann es schöneres geben, als Landrat zu sein, und ganz besonders Landrat von Potsdam-Mittelmark? Für mich ist das eine wunderbare Aufgabe.