MAZ 05.11.08
KLEINMACHNOW - Der Brandenburgische Landeskonservator Detlef Karg hält es für „zwingend geboten, unser kulturelles Erbe auf Dauer zu erforschen, zu schützen, zu erhalten und zu pflegen“. Sein engagierter Appell beschließt den einleitenden Text im aktuellen Heft „Brandenburgische Denkmalpflege“, das kürzlich erschienen ist. „Letztlich gehört unser kulturhistorisches Erbe zu den entscheidenden Voraussetzungen für unsere gegenwärtige und künftige Lebensqualität, auch für den von uns zu führenden Dialog mit anderen Kulturen.“
Auf dieser Erkenntnis fußen auch die Forschungen des Kunsthistorikers Hubert Faensen zur Neuen Hakeburg in Kleinmachnow. In seinem reich bebilderten Aufsatz im oben genannten Denkmalpflege-Band stellt er „Geschichte, Bauplastik und Ausstattung“ des Wohnschlosses auf dem Seeberg vor. Faensen hat bereits zwei Bücher zur Hakeburg veröffentlicht – nicht zuletzt deshalb gilt er als bester Kenner des monumentalen Bauwerks.
Der Hofarchitekt Kaiser Wilhelms II., Bodo Ebhardt, entwarf die Burg im Auftrag des Kleinmachnower Gutsherrn Dietloff von Hake. Vor 100 Jahren wurde Eröffnung gefeiert, bis heute hat das Wahrzeichen der Gemeinde vielfältige Nutzungen erlebt. Dabei blieb es äußerlich nahezu unverändert. Der jeweilige Geist, der ihm innewohnte, zeigte sich in der Ausstattung der Räume, die beinahe vollständig verloren ist. Dennoch gelingt es Faensen mit Hilfe zahlreich überlieferter Abbildungen und Beschreibungen zwei wichtige Phasen der Geschichte der Hakeburg zu rekonstruieren.
Da ist zum einen der Anspruch des Erbauers Dietfloff von Hake, „eine neuzeitliche Nachfolgerin der Burgen, in denen einst ein trutziger Adel gehaust hat“, erstehen zu lassen. Die Burg sollte an die „heroische Vergangenheit, insbesondere der Germanen- und Ritterzeit“ gemahnen, im Innern jedoch „modernen, großbürgerlichen Wohnbedürfnissen“ genügen.
Bei der Entschlüsselung der Fassadenelemente und plastischen Beigaben kann der Kunsthistoriker Faensen aus dem Vollen schöpfen. So identifiziert er eine erhalten gebliebene Frauenfigur an der Nordostecke der Burg als Genoveva von Brabant, symbolisiert durch die Hirschkuh an ihrer Seite, mit deren Milch sie ihr in der Wildnis geborenes Söhnchen ernährte. Zahlreiche weitere Hirsche, die im Park verteilt waren, wiesen auf das „aristokratische Jagdprivileg“ hin. Bedeutungsschwanger sind auch die mit „verschiedenem Getier“ besetzten Reliefs an den Sandsteineinfassungen des Schlosses: Salamander, Schlange, Vogel, Hundekopf, Eule, Löwe und Widder – die spätantik-frühchristliche Allegorese des „Physiologus“ weist jedem Tier eine Funktion zu. Doch die im Mittelalter wurzelnde Symbolik der Neuen Hakeburg war am Vorabend des Ersten Weltkriegs und wenige Jahre vor dem Untergang der Hohenzollern-Monarchie nur noch Dekoration. Der „trutzige Adel“ hatte längst ausgedient, von Hakes Prachtentfaltung in Kleinmachnow war Abgesang in einer Zeit, in der unweit der Burg mit dem Teltowkanal und der Schleuse moderne technische Bauwerke auf Weltniveau entstanden.
Finanziell war Hake mit der Unterhaltung des Herrensitzes bald überfordert. Ende der 1930er Jahre verkaufte er die Burg und umliegendes Gelände an die Reichspost. Treibende Kraft war Reichspostministers Wilhelm Ohnesorge, ein Nazi der ersten Stunde. „Wie andere NS-Größen liebte er persönliche Repräsentation und attraktive Immobilien“, so Faensen.
Die Hakeburg wurde Wohn- und Amtssitz des Ministers, der sich die mittelalterliche Kulisse neu ausstatten ließ. „Altehrwürdige Stuckdecken, wertvolle Tapeten und neugotische Kreuzgewölbe wurden rücksichtslos entfernt, das äußere Erscheinungsbild wurde allerdings im Wesentlichen bewahrt.“ Sachlich-funktionales Design ersetzte den Historismus der wilhelminischen Gründerzeit, die Mittelalter-Romantik für den Beschauer blieb dagegen erhalten. „Hake wie Ohnesorge“, so der Kunsthistoriker, „nutzten architektonische Formen als Bühne ihrer Selbstdarstellung.“
Als Repräsentationsgebäude für die jeweils führende Schicht hatte die Neue Hakeburg nach 1945 keineswegs ausgedient. Die SED übernahm die Regie auf dem Seeberg und nutzte das Schloss als Gästehaus. Mitglieder des Politbüros der SED wurden dort untergebracht, aber auch hohe Staatsgäste wie Fidel Castro, Jassir Arafat und zuletzt der russische Reformer Michail Gorbatschow. Seit 1993 steht das Bauwerk unter Denkmalschutz.
Die Erforschung der ungewöhnlichen und weit über Kleinmachnow hinaus bedeutsamen Geschichte der Burg ist dank der Publikationen von Hubert Faensen auf einem guten Weg. Wie aber steht es mit „Schutz und Pflege“ dieses historischen Erbes? Nicht gut. Viele Ideen haben sich zerschlagen, Zwischennutzungen erwiesen sich als nicht tragbar. Was fehlt, ist ein Konzept, mit dem die in jeder Hinsicht „sperrige“ Hakeburg ins 21. Jahrhundert geholt werden kann. Dazu bedarf es eines Kulturverständnisses, das über den reinen Immobilien-Verstand hinausgeht, eines Gefühls für historische Tektonik und nicht zuletzt eines Quantums Phantasie.
„Kleinmachnow, Die Neue Hakeburg: Geschichte, Bauplastik und Ausstattung“ von Hubert Faensen ist erschienen in „Brandenburgische Denkmalpflege“, Jahrgang 17, 2008, Heft 1, Verlag Willmuth Arenhövel, Berlin. (Von Jürgen Stich)