MAZ 14.10.08
Auch hauptamtliche Bürgermeister fanden sich am 28. September auf den Kreistagslisten. Foto: HÜBNER
POTSDAM - Die Koalition der Kampfbereiten steht. Parteizugehörigkeiten sind Bodo Oehme dabei egal. „Es geht um die Sache“, sagt der CDU-Bürgermeister von Schönwalde-Glien (Havelland). So sieht es auch Oehmes Amtskollege Herbert Burmeister (Linke) aus Schulzendorf (Dahme-Spreewald). Gemeinsam wollen sie das brandenburgische Kommunalwahlrecht in die Knie zwingen.
Bei der Kommunalwahl Ende September haben beide Bürgermeister den Einzug in die Kreistage geschafft. Burmeister sogar mit sensationellem Ergebnis: Er bekam so viele Stimmen wie kein anderer Kreistagskandidat zuvor. Es nützt ihm nur nichts. Bürgermeister dürfen laut Kommunalwahlrecht zwar zur Wahl antreten, müssen sich hinterher aber zwischen Amt und Mandat entscheiden. Doch wer tauscht schon freiwillig seinen Chefsessel gegen einen Stuhl im Kreistag? Die Kandidatur der hauptamtlichen Politpromis, so der Vorwurf im Vorfeld der Wahl, ist damit nichts anderes als ein Manöver, um Stimmen für die eigene Partei zu ziehen.
Nicht für Oehme und Burmeister. Sie wollen beides – und dafür notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen. „Bürgermeister bringen Sachkompetenz in die Kreistage“, argumentiert Oehme. Insgesamt 14 Gemeindeoberhäupter wurden in die Kommunalparlamente gewählt. „Das zeigt, dass die Bürger das wollen“, sagt Burmeister. Er hofft, dass sich weitere Kollegen der Klage anschließen. Schließlich wird der Gang vor Gericht nicht ganz billig. Mit 12 000 Euro Prozesskosten rechnen die streitbaren Bürgermeister.
Zumindest moralische Unterstützung bekommen sie von ihren Landesparteien und dem Städte- und Gemeindebund, der alle betroffenen Stadtchefs in einem Schreiben aufgefordert hat, sich gegen das Wahlrecht zur Wehr zu setzen. „In anderen Bundesländern werden wir für diesen Anachronismus belächelt“, sagt Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher. In Süddeutschland und sämtlichen anderen neuen Ländern seien Bürgermeister im Kreistag längst gang und gäbe. Es könne nicht sein, dass Minister in Brandenburg ihr Mandat wahrnehmen dürfen, Gemeindechefs aber nicht.
„Das kann man nicht vergleichen“, findet hingegen Klaus Ness, Generalsekretär der märkischen SPD. Kreisumlagen, Investitionen vor Ort – Bürgermeister seien von Kreistagsentscheidungen ganz anders betroffen als Minister – und gerieten deshalb womöglich in einen Interessenkonflikt. „Im Extremfall geht es dann um regionale Egoismen“, sagt Ness. Die Mehrheit der SPD-Fraktion lehnt deshalb eine Änderung des Wahlrechts ab.
Für Uwe Pfeiffer (CDU), Bürgermeister von Mittenwalde (Dahme-Spreewald), ist das schizophren. Schließlich sind mit Jann Jakobs in Potsdam und Wolfgang Blasig in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) auch prominente SPD-Bürgermeister auf Stimmenfang gegangen. Für Letzteren habe sogar SPD-Landtagsfraktionschef Günter Baaske öffentlich Stimmung gemacht – obwohl klar war, dass Blasig sein Mandat nicht annehmen wird. „Das ist doch makaber“, findet Pfeiffer, der überlegt, sich der Klage anzuschließen. „Die Leute haben uns gewählt und dann können wir unserer Verantwortung nicht gerecht werden. Das ist nicht in Ordnung“, sagt Pfeiffer. Auch die Bürgermeister von Senftenberg, Großräschen und Vetschau (alle Oberspreewald-Lausitz) hoffen auf eine Änderung der Rechtslage – der Meinung ihrer Landespartei zum Trotz. Alle drei sind für die SPD ins Rennen gegangen.
„Ob es einem passt oder nicht, das ist nun einmal Landesgesetz“, sagt hingegen Winand Jansen (SPD), Präsident des Verbands der kommunalen Wahlbeamten in Brandenburg. Nichtsdestotrotz werde der Verband prüfen, ob er sich an den Prozesskosten der Bürgermeister beteiligt.
Nach Einschätzung von Michael Nierhaus, Professor für Kommunalrecht an der Universität Potsdam, können sie sich das Geld sparen. Eine Klage habe wenig Aussicht auf Erfolg. Schließlich hat bereits 1998 ein hauptamtlicher Bürgermeister vor dem Landesverfassungsgericht geklagt – und verloren. Persönlich halte er es aber für sinnvoll, dass Bürgermeister ihren kommunalen Sachverstand in die Parlamente einbringen können. Um das zu erreichen, gibt es für Nierhaus nur einen vernünftigen Weg: „Die Angelegenheit muss politisch entschieden werden.“ (Von Marion Kaufmann)
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