MAZ 04.10.08
KLEINMACHNOW - Mit einem Festgottesdienst in der Dorfkirche Kleinmachnow hat der Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf gestern am Tag der Deutschen Einheit seine eigene Wiedervereinigung vor zehn Jahren gefeiert – ein erstaunliches Stück deutsch-deutscher Geschichte. 500 Gäste kamen zu der Gedenkveranstaltung.
„Durch die Kirche ist die Mauer durchlässig geworden“, sagte der Superintendent des Kirchenkreises, Harald Sommer. Trotz Teilung und Grenzregime hätten die Kirchen der Region beiderseits des Eisernen Vorhangs den Kontakt aufrecht erhalten. So hätten Pfarrer aus Zehlendorf und Teltow gemeinsame Konvente abgehalten. Heute gelte es, diese „Durchlässigkeit auch angesichts unsichtbarer Mauern zu gewährleisten“, so Superintendent Sommer.
Eine positive Bilanz der Verschmelzung der Kirchenorganisationen aus West-Berlin und dem Speckgürtel – Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow und Großbeeren – zog der Güterfelder Pfarrer Helmut Kulla, heute stellvertretender Superintendent. Er kennt den kirchlichen Wiedervereinigungsprozess, der 1998 formell in die Gründung des gemeinsamen Kirchenkreises mündete, wie kaum ein zweiter. „Alles ist lebendiger geworden.“ Der Großstadtbezirk und die kleinstädtisch-ländlich geprägte Region Teltow arbeiteten in Kirchengemeinden und Pfarrsprengeln wieder selbstverständlich miteinander. Kulla ergänzt: „Die Unterschiede des Herkommens – nicht nur aus Ost und West, auch die von Stadt und Land – haben uns begleitet. Sie sollen ja auch nicht verwischt werden. Ganz im Gegenteil, sie sind Teil des Profils, das dieser Kirchenkreis hat.“
Kulla erinnerte an die schwierigen Anfänge: Über noch durchlässige Grenzen zweier politischer Machtblöcke hinweg hatte sich bereits am 1. April 1948 der Kirchenkreis Zehlendorf gebildet, ein Zusammenschluss evangelischer Gemeinden aus Stadt und Land.
Doch der Mauerbau zwang diejenigen Gemeinden, die nicht auf West-Berliner Stadtgebiet lagen, einen selbstständigen Kirchenkreis Teltow zu gründen. Verbindungen blieben freilich bestehen. Zum Beispiel in Form von Patenschaften, die, durch die diakonische Konferenz 1949 begründet, in 40 Jahren Teilung in ganz Deutschland ein dichtes Netz materieller Hilfe von West nach Ost und geistigem Austausch bildeten.
Nach der Wende sei der Zuzug von Berlinern in den Speckgürtel „ein zentrales Motiv“ für den Zusammenschluss von Stadt- und Landgemeinden zu einem Kirchenkreis gewesen, sagte Pfarrer Kulla. K.W./uw
MAZ 04.10.08
Ohne die Kirchengemeinden wäre die Wiedervereinigung unter Umständen ausgefallen. Das erkennt auch an, wer nicht jeden Sonntag in die Kirche geht. Es ist nur folgerichtig, dass die größte Gedenkveranstaltung in der Region zum 3. Oktober an der Kleinmachnower Dorfkirche stattfand.
Westdeutsche Jugendliche hatten vor dem Mauerfall kaum eine Chance, ostdeutsche Altersgenossen kennenzulernen – außer im Rahmen von Gemeindepartnerschaften. Während weite Teile der Bevölkerung im Westen aus einer Mischung aus Pragmatismus und Frustration die Teilung anerkannten und mit den Menschen in Potsdam oder Jena nicht mehr verbanden als mit denen in Bordeaux oder Brüssel, hielten die Kirchen das Flämmchen der Einheit am Leuchten. In Teestunden und beim Packen von Päckchen für die Glaubensbrüder jenseits der Mauer pflegten die Pfarrer den Kontakt. Manche Konfirmandengruppe aus der Maggi-Republik saß plötzlich bei Soljanka in einem ostdeutschen Pfarrhaus. Man muss traurigerweise sagen: Alle anderen hatten wohl aufgegeben.
Vielleicht ist deshalb das Zusammenwachsen des Kirchenkreises Teltow-Zehlendorf solch ein erfolgreiches ostwestliches Unternehmen: Man hatte nie vergessen, dass man zusammengehört.