MAZ 04.08.08

 

 

LANDESPLANUNG: "Das Land macht alles falsch"

Experten plädieren für Beibehaltung der Grundzentren in Brandenburg

MITTELMARK - Die für 2009 geplante Abschaffung der Grundzentren in Brandenburg stößt bei Regionalplanern auf heftige Kritik. Harald Knauer, Leiter der Regionalen Planungsstelle Havelland-Fläming, zog im Gespräch mit der MAZ ein nüchternes Fazit: „Das Land Brandenburg macht alles falsch.“

In seiner Ansicht wird Knauer von Experten aus zehn Bundesländern und Forschern aus fünf deutschen Universitäten bestärkt, die sich kürzlich in Berlin trafen. Thema waren die „Sicherung der Daseinsfürsorge und Zentrale-Orte-Systeme“. Dabei sei der neue Landesentwicklungsplan Brandenburgs „durchgefallen“, so Knauer.

Die Neugliederung in Oberzentren und Mittelzentren hat für Knauer verheerende Folgen für Entwicklungschancen in den ländlichen Gebieten Mittelmarks. „In Gemeinden, die den Status als Grundzentrum verlieren, wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt.“ Investoren, die dort medizinische Versorgung, Altenpflege oder Unternehmen aufbauen wollen, würden abgeschreckt, weil sie an der Zukunft solcher Gebiete zweifeln, vermutet Knauer.

Die Landesregierung hat für den Landkreis Potsdam-Mittelmark lediglich drei Mittelzentren vorgesehen: Belzig, Teltow und das Städtepaar Werder-Beelitz. Um überregionale Aufgaben zu erfüllen, erhalten sie 800 000 Euro an Zuschüssen pro Jahr. „Einen Ausstattungskatalog für die Mittelzentren gibt es aber nicht“, kritisiert Knauer. Damit sei völlig unklar, welche Angebote dort vorgehalten werden müssen. So sei zum Beispiel von Bildungsangeboten die Rede. „Soll es aber nun ein zweizügiges Gymnasium sein, gehört eine Volkshochschule oder eine Musikschule dazu?“, fragt sich der Leiter der Planungsstelle. Ähnliches gelte für die Bereiche Sport und Kultur. „In anderen Bundesländern wird klar definiert, was ein zentraler Ort leisten muss, in Brandenburg sucht man vergebens nach Vorgaben.“

Für Knauer ist es ein Fehler, „die Grundzentren zu negieren“. Die Landesregierung habe ihr neues Zentrale-Orte-System nach den Verwaltungsgrenzen der Gemeindegebietsreform ausgerichtet. „Eine Analyse, wie sich der Raum für die Menschen im täglichen Leben strukturiert, ist unterblieben.“

Gemeinsam mit zahlreichen weiteren Regionalplanern hat Knauer einen Alternativvorschlag entwickelt, der neben den Mittelzentren weitere Kategorien vorsieht. In seinem Konzept wäre Michendorf ein Grundzentrum mit mindestens einer Oberschule, praktischen Ärzten, Altenheim, Apotheke und Sportanlagen. Als „Landstädte“, die eine Grundschule, Ärzte, eine ambulante Altenpflegestation und Geschäfte für den täglichen Bedarf vorhalten müssten, kommen Wiesenburg und Ziesar in Frage.

„Entscheidend ist aber, dass wir für den berlinnahen Raum Siedlungs- und Entwicklungsschwerpunkte vorsehen“, so Knauer. Sie sollten ein Potenzial von zwei Gymnasien haben, der Hauptort müsse 7000, die Region mindestens 10 000 Einwohner beherbergen. Einen solchen Schwerpunkt bilden Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow. „Dort werden höherwertige Einrichtungen für ein größeres Gebiet gebündelt.“ (Von Jürgen Stich)