Märkische Allgemeine 08.05.08

 

BILDUNG: "Skandalöse" Zahlen aus dem Schulamt

Eltern zweifeln an offizieller Statistik zum Unterrichtsausfall im Landkreis Potsdam-Mittelmark

Treuenbrietzen - Der Kreiselternrat der Schulen in Potsdam-Mittelmark hat eine Erhöhung der Lehrer-Vertretungsreserve auf sechs Prozent gefordert. Bislang hat das Land die Zahl der Reservekräfte auf drei Prozent der Lehrerschaft begrenzt. „Nur mit mehr Vertretungslehrern kann dem Unterrichtsausfall begegnet werden“, sagt der Vorsitzende des Elternrats, Martin Köhler aus Borkheide.

Nach Angaben von Schulrat Eckhard Dörnbrack soll der Stundenausfall im 1. Halbjahr 2007/2008 nur bei 1,31 Prozent gelegen haben. „Diese Verharmlosung ist skandalös“, so Köhler. „Die Statistik wird geschönt, da als vertretende Stunden auch das Zusammenlegen von Klassen, Kursen, Gruppen, der Wegfall von Teilungs-, Förder- und Wahlunterricht sowie Stillbeschäftigung zählen.“ In Wirklichkeit seien in Potsdam-Mittelmark über alle Schulformen hinweg von 503 694 Stunden rund 33 000 Stunden nicht planmäßig erteilt worden. Dies entspreche einem Ausfall von mehr als 6,5 Prozent, so Köhler. „Die offizielle Statistik des Schulamtes gaukelt vor, das alles gar nicht so schlimm sei, aber die Wahrnehmung von Eltern und Kindern spricht eine andere Sprache.“

Auch Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie des brandenburgischen Philologenverbands hatten kürzlich bei einer Diskussionsveranstaltung in Kleinmachnow eine Erhöhung der Vertretungsreserve gefordert. „Drei Prozent reichen hinten und vorne nicht aus“, hieß es, zumal bei den Schulen nur zwei Prozent ankämen.

Das bestätigt auch die stellvertretende Leiterin der Grundschule Treuenbrietzen, Sigrun Kunert. Dort sind derzeit zwei Lehrer langfristig erkrankt. Dadurch hängen allein 21 Deutschstunden in der Luft, beziehungsweise werden „igendwie überbrückt“. Für die Grundschüler, „die ansonsten nicht versorgt sind, müssen wir uns immer etwas einfallen lassen“, sagt die Pädagogin. Das bedeutet auch Zusammenlegung oder Beschäftigung durch andere Lehrer. „Echten Ausfall gibt es nur ab der siebten Stunde, wenn schon die Busse fahren“. Auch als zwischenzeitlich einmal sechs der 25 Lehrer erkrankt waren, wurden der Schule nur zusätzlichen Stunde für die Lehrer, „die in den Hauptzeiten aber schon unterrichten“, eingeräumt. Ersatzlehrer gibt es indes nicht, so Kunert. Im Kreis Potsdam-Mittelmark ist fast jede zehnte ausgefallene Schulstunde auf einen kranken Lehrer zurückzuführen, hat der Elternrat ermittelt. „Das Land sollte Gesundheitsförderprogramme für Lehrer auflegen“, so Köhler. Insgesamt müssten die Rahmenbedingungen, unter denen Schule in Brandenburg stattfindet, auf den Prüfstand. Die nachteiligen Bedingungen für Schüler und Lehrer sollten schleunigst beendet werden.

Der Elternprotest gegen Unterrichtsausfall entzündete sich zu Beginn dieses Jahres in Kleinmachnow. Dort sah sich das Schulamt nicht in der Lage, Ersatz für eine fehlende Klassenlehrerin an einer Grundschule zu beschaffen. Auch in Teltow und Stahnsdorf beklagen Eltern Unterrichtsausfall an den Grundschulen. Inzwischen hat sich eine Elterninitiative „Kinder ohne Lehrer“ gegründet, die das Problem überregional zur Sprache bringt. (Von Jürgen Stich und Thomas Wachs)