Märkische Allgemeine 02.05.08
KLEINMACHNOW - In ländlichen Regionen ist der Protest längst Programm. Eltern, ob in der Prignitz oder der Uckermark, wehren sich gegen Schulschließungen, weite Schulwege, Kosten für Fahrkarten und Klassenfahrten. Nun regt sich auch in den Regionen rund um Berlin Widerstand gegen die Bildungspolitik des Landes. Unterrichtsausfall, Lehrermangel und zu große Klassen treiben die Eltern auf die Barrikaden. „Das sind keine Luxusprobleme“, betont Michael Inacker, Vertreter der Elterninitiative „Kinder ohne Lehrer“. Diese hatte Dienstagabend zu einer Podiumsdiskussion nach Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) geladen.
Wie groß der Unmut ist, zeigte ein Blick in den überfüllten Gemeindesaal: Mehrere hundert Betroffene aus Potsdam-Mittelmark, Potsdam, Oberhavel und Falkensee waren gekommen, um vor allem Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) auf den Zahn zu fühlen.
„Es ist sehr schwer im Moment, Qualität an den Schulen zu entwickeln“, gab Rupprecht unumwunden zu. Während in dünn besiedelten Regionen die Schülerzahlen dramatisch sinken und Schulen ums Überleben kämpfen, müssten in einigen Gemeinden im berlinnahen Raum dringend neue Schulen gebaut werden. „Unter diesen Rahmenbedingungen ist es nicht leicht, allen gerecht zu werden“, so Rupprecht.
„Es gibt zwei Gesichter von Schule in Brandenburg“, betonte auch die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Klara Geywitz. Keine neue Erkenntnis. Aber das Auseinanderklaffen zwischen „Speckgürtel“ und Peripherie wird im Bildungsbereich mehr und mehr zum Problem. Zwar liegt die Schüler-Lehrer-Relation in Brandenburg mit 15,4 sogar unter dem Bundesschnitt, doch sagt die Zahl wenig über die tatsächlichen Verhältnisse an den Schulen aus: Während in einer Landschule in der Uckermark eine Lehrerin für zwölf Schüler zuständig ist, können im „Speckgürtel“ auf einen Lehrer bis zu 30 Schüler kommen.
Was als Protest gegen dramatischen Lehrermangel an der Steinweg-Grundschule in Kleinmachnow begonnen hatte, hat sich mittlerweile zu einer gemeindeübergreifenden Initiative von Eltern entwickelt. Ihr Hauptkritikpunkt: der Unterrichtsausfall, der in den Statistiken zunächst nicht sonderlich besorgniserregend klingt. 2,1 Prozent der Unterrichtsstunden fielen im Schuljahr 2006/2007 – meist wegen Krankheit der Lehrer – ersatzlos aus. Was in den Daten nicht auftaucht ist das, was die Schüler den Eltern zufolge immer wieder erleben: Förderunterricht, der gestrichen werden muss; Klassen, die zusammengelegt werden oder Kinder, die zur Beschäftigung Mandalas zeichnen anstatt Mathe zu lernen.
Die Bildungspolitiker der Fraktionen von CDU und SPD, Ingo Senftleben und Klara Geywitz, plädierten dafür, den Schulen ein Budget zu überlassen, um sich auf eigene Faust Vertretungslehrer suchen zu können. Dagmar Heinisch-Weiser von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Kathrin Wiencek, Landesvorsitzende des Philologenverbandes, forderten, die Vertretungsreserve zu erhöhen. „Drei Prozent reichen hinten und vorne nicht“, so Heinisch-Weiser – zumal davon nur zwei Prozent tatsächlich an den Schulen ankämen.
„Es werden immer mehr Aufgaben ins System gegeben, aber nicht mehr Lehrer“, beklagte Petra Brückner, Chefin des Landeselternrates. Es sei zu wenig Geld im System. „Es geht hier um nichts anderes als ums Geld“, betonte auch Kathrin Wiencek.
Eine Patenlösung brachte die teils hitzige Debatte nicht. Doch für die Eltern war die Veranstaltung in Kleinmachnow erst der Anfang. Bereits am 11. Juni soll in Potsdam weiterdiskutiert werden. (Von Marion Kaufmann)