Märkische Allgemeine 19.03.08
KLEINMACHNOW - Zur Verlegung der ersten Stolpersteine in Kleinmachnow wird am 26. März der in Köln lebende Künstler Gunter Demnig erwartet. Ab 10 Uhr lädt dazu die Projektgruppe „Stolpersteine“ der evangelischen Jungen Gemeinde Kleinmachnow gemeinsam mit dem Heimatverein und dem Schirmherrn Bürgermeister Wolfgang Blasig ein.
Treffpunkt ist die Adresse Wendemarken 108. Dort soll der erste Stolperstein, der in Kleinmachnows Straßen in den Gehweg versenkt wird, an den SPD-Politiker Georg Gradnauer erinnern. Es ist seine letzte freiwillig gewählte Wohnstätte gewesen – ein Kriterium des Projektkünstlers Demnig, der mit seiner Aktion an Opfer des Nazi-Terrors in Städten und Gemeinden Deutschlands sowie in Ungarn und Österreich mit inzwischen über 12 500 Stolpersteinen erinnert (MAZ berichtete). Nach dieser letzten Heimat verlieren sich die Lebensspuren der Opfer des Terror-Regimes, derer nun auch in Kleinmachnows idyllischen Siedlungsstraßen gedacht werden soll: Sie wurden verschleppt, ermordet oder gelten seither als verschollen. Eine Gravur auf der Messinghaube der Betonwürfel wird künftig mit Namen und Lebensdaten an die ehemaligen Mitbürger und Nachbarn erinnern – mitten unter uns. Man habe in den letzten Wochen großes Interesse und Zustimmung aus der Bevölkerung erfahren, sagt Martin Bindemann, der als Diakon maßgeblich an der rund zweijährigen Projektarbeit mit einer „schwierigen und teils belastenden Recherche“ Anteil hatte.
Nach der Verlegung und einführenden Reden führt der Weg weiter zur Stammbahn 141 und den Wendemarken 41, bevor es eine kleine Pause im Gemeindehaus der Auferstehungskirche am Jägerstieg 2 gibt. Anschließend werden Steine am Weidenbusch 23, am Zehlendorfer Damm 138 sowie Auf der Drift 11 und 10/12 verlegt werden.
An ihren ehemaligen Wohnstätten werden die gewürdigten Menschen kurz vorgestellt. Die Verlegung der durch Spenden finanzierten Stolpersteine soll jeweils etwa 30 Minuten dauern. Ab 14Uhr gibt es im Gemeindehaus für alle Beteiligten Suppe, Kaffee und Kuchen und Zeit für Gespräche.
www.junge.gemeinde-online.de. Näheres bei Martin Bindemann: 033203/7 91 73.(Von Konstanze Wild)
Märkische Allgemeine 19.03.08
Die so genannten Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnhäusern von Kleinmachnower Nazi-Opfern sind eine zeitgemäße Form des Gedenkens. Sie sind den künstlichen Groß-Gedenkstellen – etwa dem Mahnmal für die ermordeten Juden am Brandenburger Tor in Berlin – in gewisser Weise überlegen: Weil sie Teil unseres Alltags werden, beim Einkaufen, beim Weg zur Arbeit oder zur Schule.
„Kranzabwurfstellen“ haben Kritiker jene zentralen Leuchttürme der Gedenkkultur genannt, wie sie überall auf der Welt errichtet wurden – auch in der DDR. Als Kulisse für Staatsbesuche sind solche Monumente geeignet. Den Bürger erreicht ihre Botschaft oft nicht.
Vielen Menschen erschließt sich das Grauen des Hitlerregimes nicht, wenn sie durch einen Wald von Betonstelen schlendern. Die bizarren Bauten eines Daniel Libeskind – etwa des Jüdische Museums in Berlin – sind ein sehr abstrakter Hinweis auf die Verfolgung und Auslöschung von Menschen. Hingegen weisen die Stolpersteine eindringlich aber unaufdringlich täglich darauf hin, welche Leerstellen die Nazi-Barbarei bis heute in der deutschen Gesellschaft hinterlassen hat. Die Quader haben ihren Zweck erfüllt, wenn Kinder ihre Muttis auf dem Weg zum Sport nach dem Sinn der Steine fragen.