Märkische Allgemeine 01.03.08

 

Stammbahn-Gutachten stößt auf wenig Gegenliebe

"Untersuchung hat Schwächen"/ Ministerium will öffentliche Debatte

KLEINMACHNOW - Die vorab an die Öffentlichkeit geratenen Ergebnisse eines Gutachtens zum Wiederaufbau der Stammbahn sorgen in Brandenburg für Wirbel. Die Expertise war vom Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg in Auftrag gegeben worden. Stimmen die in einem Zeitungsbericht genannten Zahlen der Nutzen-Kosten-Untersuchung, so würde sich der 170 Millionen Euro teure Wiederaufbau der Bahnstrecke nicht rechnen.

„Das Gutachten liegt uns noch gar nicht vor“, sagte der Sprecher des brandenburgischen Infrastrukturministeriums, Lothar Wiegand, gestern zur MAZ. Sobald es in der kommenden Woche im Ministerium angekommen ist, würden die Inhalte im Internet zugänglich gemacht, versprach Wiegand. Ende März werden die Gutachter ihre Ergebnisse „bei einem öffentlichen Termin“ erläutern, so der Ministeriumssprecher.

Die Gutachter sollen in ihrem Bericht darauf hingewiesen haben, dass die Stammbahn, die von Potsdam über Kleinmachnow-Dreilinden nach Berlin fahren würde, kaum neue Nahverkehrskunden gewinnen werde. Die Trasse verlaufe ungünstig ganz am Rande Kleinmachnows. Auch wenn das Gewerbegebiet „Europarc“ eine Station erhalte, bringe dies ebenfalls nicht genug neue Fahrgäste. Die Nutzen-Kosten-Relation liege mit 0,64 weit unter dem wirtschaftlich vertretbaren Mindestwert von 1,0.

Europarc-Geschäftsführer Walter Brümmer sprach gestern von einem „echten Tiefschlag“, falls sich die Zahlen bestätigen sollten. „Wenn der Bahnanschluss nicht kommt, haben wir gravierende Standortnachteile zu kompensieren.“ Die Busanbindung über die Autobahn sei keine Alternative. „Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob die Gutachter mit belastbaren Zahlen gerechnet haben“, so Brümmer. Am Ende der Entwicklung würden im Europarc rund 7000 Menschen arbeiten – zum größten Teil Berlin-Pendler. Für die nahe Zukunft sei der Bau von acht bis neun Bürogebäuden fest eingeplant. „Da kommt noch was und ich glaube nicht, dass dies richtig eingeschätzt worden ist.“

Auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Jens Klocksin, schlägt in diese Kerbe. „Die Untersuchung hat Schwächen“, sagte er gestern zur MAZ. Unter anderem sei darin der aktuelle Landesnahverkehrsplan nicht berücksichtigt. Klocksin will sich in der kommenden Woche mit Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) treffen, um das Gutachten „genau unter die Lupe zu nehmen“.

Wenn sich die Unrentabilität einer Regionalbahn auf der Stammbahn-Trasse bestätigen sollte, „dann muss zumindest die S-Bahn von Zehlendorf nach Kleinmachnow verlängert werden“, fordert Klocksin. „Für eine solche innerörtliche Erschließung gibt es dringenden Bedarf und auch genügend Fahrgäste.“ (Von Jürgen Stich)