Märkische Allgemeine 02.02.08
Die Schulen in der Region sorgen für Gesprächsstoff. Mit dem Leiter des staatlichen Schulamts, Ulrich Rosenau, dessen Zuständigkeitsbereich über Potsdam bis ins Havelland und nach Brandenburg/Havel reicht, sprach Ulrich Wangemann über den Umgang mit Rechtsextremismus, knappe Gymnasiumsplätze und Personalprobleme.
MAZ: An der Teltower Mühlendorf-Oberschule gab es in den vergangenen zwei Wochen Diskussionen um den Umgang mit einem Schüler, der im Unterricht den Hitlergruß zeigte – die Schulleitung fürchtete Image-Schäden und pfiff eine auskunftsfreudige Lehrerin zurück. Wie beurteilen Sie das Geschehen mit Abstand?
Ulrich Rosenau: Die Schule arbeitet seit Jahren kontinuierlich an den Problemen, die sie hat. Es gibt Schulsozialarbeit, die Klassen machen Exkursionen. Ausländische Schüler werden mit eingebunden. Nun plötzlich ist diese Schule durch eine öffentliche Schilderung ins Scheinwerferlicht geraten. Es herrscht Irritation. Aus Sicht des Schulamts handelt es sich nicht um eine Problemschule. Die Lehrerschaft ist sich ihrer schweren Aufgabe bewusst. Wir hoffen, dass die Lehrer in ihrer wichtigen Arbeit weiter machen und nicht resignieren – dazu werden wir die Schule in Gesprächen mit der Leitung und der betroffenen Lehrerin ermutigen.
Rechtsextremistische Organisationen drängen vielerorts auf die Schulhöfe – wie oft tauchen sie wirklich auf?
Rosenau: Sie versuchen es. Soweit wir erfahren haben, sind sie bisher weitgehend erfolglos. Die im Herbst ziemlich groß angekündigte Schulhof-CD-Kampagne ist offenbar kläglich gescheitert – durch die Wachsamkeit der Schulen.
Wie viele Versuche, Hassmusik zu verteilen, haben Sie registriert?
Rosenau: Im ganzen Schuljahr 2006/2007 haben wir in unserem Schulamtsbezirk in lediglich drei Fällen Musik mit rechtsextremistischem Inhalt auf dem Schulgelände gefunden. Das ist sicher nur die Spitze eines Eisbergs, aber die gesellschaftliche Ächtung wirkt in der Schule offenbar. Die Jugendlichen tauschen sich im Verborgenen aus.
Sind Oberschulen anfälliger für Extremismus als Gymnasien?
Rosenau: Die 30 rechtsextremistischen Vorfällen, die uns im vergangenen Schuljahr gemeldet wurden, traten an Grundschulen, Oberschulen, Gesamtschulen und Gymnasien auf. Vier Oberschulen waren betroffen. Die rechtsextreme Szene hat sich verändert. Sie will stärker in der Mitte der Gesellschaft Fuß fassen. Deswegen beobachten wir in Kleidung, Auftreten und Äußerungen eine gewisse Mäßigung. Die Extremisten wollen auch Angehörige der gebildeteren Schichten ködern.
Wird Schulsozialarbeit überbewertet?
Rosenau: Sie ist eine wichtige Ergänzung. Aber wir halsen einem Schulsozialarbeiter zu viel Verantwortung auf, wenn wir erwarten, er könnte die Probleme von mehreren hundert Schülern lösen. Die Lehrer haben den längsten und intensivsten Kontakt zu den Schülern, haben den Auftrag zu bilden und zu erziehen. Aber auch von Lehrern wird viel zu viel erwartet. Die immer neuen Schulfächer, die erfunden werden, zeigen, dass man eine Art Verantwortungsentsorgung betreibt. Denken Sie an Rechtskunde, Umwelt, Gesundheit, Wirtschaft. Sie können jedes Modethema nehmen. Irgendwer kommt immer auf die Idee, der Schule auch noch da die Verantwortung überzuhelfen. Gleichzeitig wird die Schulzeit verdichtet, die Leistungsanforderungen steigen. Die Schulen ächzen unter dieser Übererwartung.
Themenwechsel: Gibt es in der Region Teltow Bedarf für ein weiteres Gymnasium?
Rosenau: Der Kreis hat kund getan, dass kein weiteres Gymnasium nötig ist. Es muss geprüft werden, ob die Entwicklung einem Strohfeuer gleicht. Durch die Ansiedlung vieler Familien in den Zuzugsgebieten kann sich eine große Schülerschaft ansammeln, die aber über die Jahre nicht stabil sein wird. Ein Gymnasium kann man nicht wie einen Lichtschalter an oder aus knipsen. Bis eine solche öffentliche Schule errichtet und in Betrieb genommen wäre, könnte passieren, dass sie von unten wieder leer läuft. Das wäre keine vorausschauende Schulentwicklungsplanung.
Für die derzeit starken Jahrgänge muss dennoch eine Lösung her.
Rosenau: Man kann etwa prüfen, ob zusätzliche Züge an bestehenden Schulen möglich sind. Es geht aber nicht an, sich die Verpflichtung, Schulplätze vorzuhalten, abkaufen zu lassen, indem man Schulgelder für Berlin zahlt.
Was spricht dagegen, mit Berlin, wo die Schulen nicht so überlaufen sind, einen Zeitvertrag abzuschließen?
Rosenau: Wir können nicht an der Grenze das Problem für ein paar Jahre verschieben. Die öffentlichen Leistungen werden immer noch von den Steuerzahlern dieses Landes erbracht. Wir in Brandenburg haben einen Lehrerüberhang, also ein Beschäftigungsproblem für unsere Lehrkräfte. Deshalb haben wir als Land kein Interesse daran, weitere Schüler zu verlieren. Wir müssen unsere Personalentwicklung verlässlich planen können.
Es ist schlicht ein Platzproblem, die starken Jahrgänge unterzubringen.
Rosenau: Bei einem zeitlich befristeten Problem kann man über Filialen nachdenken oder provisorische Gebäude errichten.
Sie meinen Container?
Rosenau: Das sind Gebäude, die inzwischen alle Anforderungen für einen Schulbetrieb erfüllen. Sie haben eine Standzeit von mehr als zehn Jahren.
Für Aufsehen sorgte kürzlich der Fall der Kleinmachnower Steinweg-Grundschule. Eine Klasse verlor dort binnen weniger Monate drei Klassenlehrerinnen – sie gingen unter anderem nach Berlin, weil sie dort mehr verdienen können. Ist das Schulamt hilflos?
Rosenau: Die Klasse war in der gesamten Zeit komplett versorgt. Es hat keinen Unterrichtsausfall gegeben, aber der Stundenplan musste umgestaltet werden. Es war ein unglückliche Verkettung von Zufällen, die wir so sicher nicht noch einmal haben werden. Die Frauen hatten sich mehrgleisig in verschiedenen Bundesländern beworben. Generell stimmt aber: Es wird einen Wettbewerb unter den Ländern um die besten Bedingungen geben. In puncto Arbeitsbedingungen und Bezahlung sollten die Länder nicht so weit auseinander driften, dass es zu einem Problem wird.
Wie kann eine Abwanderung verhindert werden?
Rosenau: Wir haben mit Berlin eine Abmachung, dass es nicht zu Abwerbungen kommt. Wir haben vereinbart, im laufenden Schuljahr niemanden aus dem Schuldienst des anderen Landes zu nehmen. Die Verwaltungen halten sich auch daran.
Wie konnte eine der Lehrerinnen dann in die Hauptstadt wechseln – gibt es keine Vertragsstrafe?
Rosenau: Die Lehrerin hatte zwei Arbeitsverträge unterschrieben. Unsere schärfste Waffe wäre gewesen, sie zu entlassen. Aber dann hätte sie genau das erreicht, was sie eigentlich wollte.