KONSTANZE WILD
KLEINMACHNOW Es ist wohl unumstritten, dass ein mit Handy, TV und neuen Medien
hoch gerüstetes Kinderzimmer von heute leicht zur Reizüberflutung schon bei den
Kleinsten führt. Herkömmliches Spielzeug gerät immer früher ins Abseits. Viel
Zeit wird vor diversen Bildschirmen verbracht. Kreative Langeweile, die so
manchen früher zu phantastischen Einfällen und Tagträumen verleitete, kommt oft
gar nicht mehr auf. Stattdessen taucht – übrigens nicht nur – die junge
Generation gern in virtuelle Welten ein. Die hat einiges zu bieten. Das stellte
der häufig als Experte für neue Medien genannte Journalist Thomas Feibel gleich
zu Anfang eines Themenabends klar, der sich vor dem Hintergrund einer
verbreiteten medialen Unterhaltungskultur mit Computerspielen befasste. Unter
dem Motto "Pacman und Co." hatten Evangelische Grundschule und
Kindergarten Kleinmachnow Eltern und Interessierte eingeladen.
In vielen Spielen gehe es um Kraft, Macht, man hat die Kontrolle über Gewalt,
man kann Manipulieren, ohne Grenzen und Konsequenzen, erklärte Feibel, der
zugleich Mitinitiator des deutschen Kindersoftwarepreises "Tommi"
ist. Dieder Preis wird alljährlich auf der Frankfurter Buchmesse vergeben. Ob
Rollen- Strategie- oder Actionspiele, Autorennen, die virtuelle Tierklinik oder
die Familie Sims, viele Spiele und entsprechende Spielfiguren, sogenannte
"Avatare", befriedigen persönliche Bedürfnisse nach
Selbstbewusstsein, Überlegenheit und einem "perfekten" äußeren
Erscheinungsbild.
Problematisch wird es indes, wenn mit Inhalten "gespielt" wird, die
zumindest scheinbar gegen gesellschaftliche Wertekodexe verstoßen. Scheinbar,
da geflissentlich ausgeblendet wird, so der Autor, dass die uns umgebende Welt,
von plump-aggressiven Talkshows im TV, über die einschlägige
Nachrichtenübermittlung von Gewalt und Terror, bis zu sexistischer Werbung oder
einer Plakataktion der Hannelore-Kohl-Stiftung, die mit der Abbildung eines
Mädchens, das nach einem Fahrradunfall im eigenen Blut liegt, wohl nicht nur
Erwachsene aufrüttelt, sondern vor allem Kinder schockiert.
Den Ruf nach dem Gesetzgeber, der Gewalt verherrlichende Killerspiele verbieten
möge, hält Feibel für wenig erfolgreich. Längst werden solche Inhalte nicht
mehr nur gekauft, sondern kursieren als Kopien auf Schulhöfen, ganz zu
schweigen von all den unappetitlichen und makabren Dingen, die sich im
weltweiten Netz betrachten und beschaffen lassen. Feibel fordert eher die
Eltern heraus, stellt ihre Verantwortung klar.
So geriet das Fazit des Abends genauso einleuchtend wie schlicht. Wer seine
Kinder vor den Abgründen brutalster "Spielwelten" und Suchtverhalten
am Bildschirm bewahren möchte, dabei gleichzeitig einen individuellen
tragfähigen Weg durch eine Kindheit und Jugend im Zeitalter virtueller
Unterhaltungskultur bereiten möchte, der muss vor allem eines: Hinsehen und
Mitmachen, bei älteren Kindern am Ball bleiben, sich immer wieder Zeit nehmen,
auch für andere Aktivitäten. Er muss Interesse zeigen an akzeptierten Spielen,
gesprächsbereit sein bei problematischen Inhalten, aber auch klare Verbote
aussprechen, da, wo die Gewalt dominiert und Kinder und Teenager bedroht, er
muss – erziehen eben.
Wirkliche Angst übrigens, auch vor dem Hintergrund von Gewalt in diesen Medien,
haben auch die Kinder von heute vor ganz anderen Dingen. So war es erstaunlich,
zu erleben, dass niemand auf die Frage, "Wovor haben Kinder wohl am
meisten Angst?", antwortete. Erst ein zwölfjähriger Junge sagte, angesichts
des großen Schweigens der Erwachsenen leicht irritiert, "Natürlich davor,
dass ich meine Eltern verliere".
Weitere Informationen zu diesem Thema sowie eine Übersicht über ausgewählte
Kindersoftware sind auch im Internet unter www.kindersoftwarepreis.de
sowie www.feibel.de zu
finden.