Märkische Allgemeine Zeitung 19.09.07
ULRICH WANGEMANN
KLEINMACHNOW Mit einem Vergleich wird aller Wahrscheinlichkeit nach der Streit
zwischen der renommierten "Berlin Brandenburg International School"
und einem Schüler enden, der wegen Sex auf der Toilette im vergangenen Jahr von
der Schule flog. Die Eltern des heute 19-jährigen Fabian S. verständigten sich
gestern vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Brandenburg/Havel darauf, den
Konflikt beizulegen – welche Summe die Kleinmachnower Schule bezahlen soll,
müssen die Parteien aushandeln.
Fabian S. – er war damals 17 Jahre alt – hatte im Januar 2006 während einer
Freistunde mit einer gleichaltrigen Schülerin Oral-Sex auf der Toilette des
benachbarten Grundschultrakts praktiziert. Zwei Wochen später verhafteten
Polizisten den Jugendlichen im Unterricht. Zu diesem Zeitpunkt verdächtigten
die Ermittler den Jungen aus gutem Hause, die junge Frau vergewaltigt zu haben.
Bald stellte sich heraus, dass der Akt auf der Toilette dem Willen beider
Schüler entsprach – die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.
Zwar war Fabian strafrechtlich voll rehabilitiert, doch den Schulverweis nahm
die International School nicht zurück. Fabian S. hat bereits ein Schuljahr
verloren. Seine Gespielin vom Grundschulklo dagegen verließ freiwillig nach dem
Vorfall die noble Einrichtung und hat inzwischen ihr Abitur auf einer
benachbarten Schule gemacht. Seit dem Schulausschluss streiten Fabians Eltern
für die Wiederaufnahme des Jungen – nun hat mit dem OLG Brandenburgs oberste
Instanz das Wort.
Während Fabians Eltern erzwingen wollen, dass ihr Kind, das derzeit ein
Internat in der Schweiz besucht, wieder nach Kleinmachnow zurückkehren kann,
hält die Schulleitung eine Wiedereingliederung in den laufenden Betrieb für
undenkbar. "Für uns stand anfangs eine sexuell motivierte Straftat im Raum
– wie hätten wir uns anders verhalten sollen?" sagte Schulanwalt Tim Wünnemann.
Nach Klärung des Vergewaltigungsvorwurfs hätten die Eltern jede Beilegung des
Konflikts abgelehnt und die Geschichte via Boulevardzeitung in die
Öffentlichkeit getragen. "Wir wurden in der Presse mit Füßen
getreten", sagte Wünnemann. Angesichts dieses Verlaufs und der Verfehlung
des Schülers sei es nicht vorstellbar, "dass Fabian als strahlender Held
anrückt".
Demgegenüber betonte Fabians Mutter Nicole S. vor dem OLG, ihr Sohn wolle
"ausdrücklich wieder an die Schule". Er habe dort "Superlehrer
und seine Freunde".
Das Gericht machte gestern klar, dass der Schulausschluss durchaus angreifbar
sei. "Eine Abmahnung wäre verhältnismäßig gewesen", ließ der
Vorsitzende Richter Joachim Hütter die Rechtsauffassung der Kammer
durchblicken. Die Schule hätte den Jungen für die Zeit der Ermittlungen vom
Unterricht suspendieren und zeitweise auf eine andere Schule schicken können,
sagte Hütter. Da die Schule sich Toleranz auf ihre Fahnen geschrieben habe,
stelle die Kammer sich die Frage, ob "sich im Falle pubertären Fehlverhaltens
nicht Milde ausüben lässt", sagte Hütter.
Allerdings hält die Kammer das Verhältnis zwischen Schüler und Lehranstalt für
derart zerrüttet, dass sie beide Seiten beschwor, die Angelegenheit mit einem
Vergleich beizulegen. Auf rund 70 000 Euro schätzen die Eltern die Kosten, die
ihnen durch das Internatsjahr in der Schweiz entstanden sind. Ihre finanziellen
Reserven seien aufgezehrt, sagte Fabians Mutter. In den kommenden drei Wochen
wollen die Streitparteien sich auf eine Summe einigen.