Märkische Allgemeine Zeitung 08.09.07
ULRICH WANGEMANN
REGION TELTOW Sie kommen nachts auf Fahrrädern, haben es auf Autos der
Volkswagengruppe und Daimler-Limousinen abgesehen und rauben den Besitzern von
Mittelklasse- und Luxusfahrzeugen in Kleinmachnow und Umgebung seit Monaten den
Schlaf: Eine Bande hochprofessioneller Einbrecher hat seit Jahresbeginn im
Wachenbereich Teltow 111 Navigationsgeräte erbeutet – Schwerpunkt ist das
wohlhabende Kleinmachnow. In der Nacht zu Dienstag brachten ortskundige
Dunkelmänner dort fünf der teuren elektronischen Orientierungshilfen in ihren
Besitz. Seit August hat die Polizei in der Region rund 30 Navi-Diebstähle
registriert – die Fälle in Potsdam Babelsberg nicht eingerechnet. Eine
beunruhigende Serie.
"Es handelt sich um organisierte Kriminalität", sagt
Kriminalkommissar Henry Rampfel, Leiter einer dreiköpfigen
Sonderermittlungsgruppe, die ausschließlich die Navigationsgeräte-Mafia jagt.
Nach Erkenntnissen der Fahnder geht die Navi-Bande arbeitsteilig vor. Späher
auf Fahrrädern kundschaften die ruhigen Straßen der Waldgemeinden aus und
prägen sich ein, wo Porsche Cayenne, Audi A6, Passat und Co. parken. Nachts
pirschen sie sich mit umgeschnallten Rucksäcken an die Fahrzeuge heran und
brauchen kaum eine Minute, um ein Navigationssystem samt Laufwerk und
Verkabelung fachmännisch auszubauen. Dabei sind die Diebe nur die Bauernfiguren
auf einem europaweiten Spielfeld. "Sie bekommen für jedes Gerät vielleicht
20 Euro", sagt Ermittler Rampfel.
Die fetten Summen streichen die Großhändler ein. Sie mieten in Berlin Wohnungen
für ihr diebisches Fußvolk und Bunker für die Beute. Von dort aus werden die
Geräte laut Polizei per Lastwagen nach Litauen verfrachtet, wo Spezialisten sie
umcodieren und für den Wiederverkauf vorbereiten. Bevorzugter Markt:
Deutschland. Ein bewährter Absatzweg: Das Internet, insbesondere die
Auktionsbörse Ebay mit Sitz in Kleinmachnow. Knapp jedes fünfte in Deutschland
gebraucht gehandelte Gerät ist nach Einschätzung der Polizei gestohlen.
Dass die Ermittler es mit Berufskriminellen zu tun haben, belegt die für die
Kriminalisten frustrierend niedrige Aufklärungsquote von einem Prozent. Dabei
waren die Fahnder, die regelmäßig nachts Kollegen in Uniform und Zivil
hinzuziehen, schon ganz nah dran. Am 16. August stellte ein Polizist in
Kleinmachnow einen Dieb. Der schlug den Beamten und floh. Unterstützt von einem
Helikopter stellten Polizisten Bandenmitgliedern nach, die per Fahrrad
flüchteten – vergebens. Und wenn die Behörden eines Diebes habhaft werden,
schweigt der nach bundesweit gemachten Erfahrungen wie ein Grab. Er weiß, dass
seine Auftraggeber nicht spaßen und sich im Zweifel seine Familie in der Heimat
vorknöpfen.
Einen Fahndungserfolg verbuchte die 2005 eingesetzte Ermittlungsgruppe im
vergangenen Jahr. Damals ergriffen die Potsdamer einen Moldawier, der für
Russen und Litauer arbeitete. Dennoch konnten 2006 nur neun Prozent der 158
Diebstähle im Schutzbereich geklärt werden.
Um den baltischen Hehlern das Leben schwer zu machen, arbeiten Polizei und
Auktionshaus Ebay Hand in Hand. Die Ermittler bekommen auf Nachfrage prompt
alle Informationen zu Käufern und Verkäufern, die auf den Ebay-Seiten handeln.
"Die Zusammenarbeit läuft bestens", sagt Rampfel. Generell, so der
Kriminalist, sollten alle Bieter stutzig werden, "wenn ein Händler aus
Litauen 200 nagelneue Navigationsgeräte auf einmal anbietet – dann ist etwas
faul."
Zu erhöhter Wachsamkeit ruft Kripo-Chef Lars Brückner die Bürger auf. Wer eine
Garage besitze, solle diese nutzen und vor allem verschließen.
Navigationsgeräte sollten unbedingt beim Verlassen des Fahrzeugs mitgenommen
werden. Schon der Verbleib des Saugnapfes an der Scheibe sei für die Täter ein
Grund, die Scheibe einzuschlagen und im Handschuhfach nachzuschauen. Wer
Unbekannte mit Rucksäcken nachts auf Fahrrädern in Wohnvierteln umher fahren
sehe, solle dies der Polizei melden.