Märkische Allgemeine Zeitung 29.08.07

 

Wenn Kretzschmar ruft ...

... dann kommen alle / Porträt-Ausstellung in Kleinmachnow eröffnet

JÜRGEN STICH

KLEINMACHNOW "Harald Kretzschmars Herz schlägt links", da ist sich der Fernsejournalist und ehemalige Intendant des ORB, Hansjürgen Rosenbauer, sicher. "Er ist außerdem ein typischer Kleinmachnower – nämlich ein Zugezogener." Auch Rosenbauer ist Neu-Kleinmachnower, nach der Wende in die Gemeinde gekommen, und hatte am Montagabend die Aufgabe, den Karikaturisten, Grafiker und Autor Kretzschmar zu würdigen.

Eröffnet wurde die Ausstellung "Kleinmachnower Köpfe", und selbst für den gestandenen Künstler war es "ein absoluter Rekord", dass sich rund 200 Interessierte die Ehre gaben. Der Hauptausschuss der Gemeindevertretung hatte sogar seine Sitzung beschleunigt, um mit dem Bürgermeister an der Spitze die Schar der Neugierigen im Foyer des Rathauses noch größer zu machen. Die Musikerfamilie Kaliga schaffte den musikalischen Rahmen.

"Das Kommen und Gehen in Kleinmachnow" ist nach Ansicht des Laudators Rosenbauer das Kernthema der insgesamt 40 Porträtskizzen prominenter Einwohner, die bis 22. Oktober zu besichtigen sind. Den Zeitrahmen hat Kretzschmar auf die Jahre 1900 bis 1990 festgelegt, viele der Gezeichneten hat er persönlich gekannt.

Dass diejenigen außen vor bleiben, die sich nach dem Ende der DDR in Kleinmachnow ansiedelten und als "prominent" gelten können, liege daran, dass sie erst beweisen müssten, "Köpfe" zu sein, so Bürgermeister Wolfgang Blasig. Immerhin stünden sie mit Christa Wolf, Fred Wander, Arnold Schönberg, Kurt Weill, Lotte Lenya, Nordahl Grieg und vielen anderen in Konkurrenz. Auch Rosenbauer stellte die Frage, ob von Kleinmachnow nach den Zuzügen vergangener Jahre noch vom "Künstlerort" gesprochen werden kann.

Kretzschmar nahm diese Debatte gelassen zur Kenntnis. Er versuche in seinen Zeichnungen und Texten "Geschichte zu objektivieren". Seit 1956 lebt er als freischaffender Karikaturist in Kleinmachnow. Seine wichtigsten Arbeitgeber waren der "Eulenspiegel", ein Satiremagazin, dass es sich leisten konnte, die Verhältnisse in der DDR kritisch unter die Lupe zu nehmen, aber auch das SED-Parteiorgan "Neues Deutschland". Kretzschmars Künstlerleben, wie sich zeigt, ging nicht ohne Kompromisse und Brüche ab.

Jetzt nimmt er sich Zeit, "den besonderen Ort Kleinmachnow" unter die Lupe zu nehmen. Die Zeichnungen sind lediglich Vorarbeit für ein Buch, in dem 80 Prominente vorgestellt werden sollen.

Die Spurensuche könnte vor allem für Neubürger manche Überraschung bereit halten. Doch noch hapert es an der Finanzierung des Kompendiums. Würde die Gemeinde Kleinmachnow die Porträtskizzen für 6000 Euro jedoch ankaufen, wäre das Problem gelöst. Bürgermeister Wolfgang Blasig zeigte sich an dieser besonderen Art der "Ahnengalerie" durchaus interessiert.