Märkische Allgemeine Zeitung 16.06.07
ARMIN KLEIN
KLEINMACHNOW Agenda 21 will sagen, was in diesem Jahrhundert zu tun ist, damit
auch für die Menschen zukünftiger Generationen, also nachhaltig, das Leben in
ihrer jeweiligen Umwelt lebenswert bleibt.
Als die Agenda 21 vor 15 Jahren auf der UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro
verabschiedet wurde, war bereits klar, dass für ihre Umsetzung vor allem die
Kommunen gefragt sind. Seit zehn Jahren gibt es auch für Kleinmachnow eine
Agenda 21.
All solche Zusammenhänge erfahren Studierende des Instituts für Geoökologie der
Universität Potsdam "theoretisch" vor allem im Vorlesungsbetrieb
ihrer Professoren, doch ist man zugleich bestrebt, auch bereits im Hörsaal den
fachgerechten Blick in die Praxis zu ermöglichen.
So sprach kürzlich im Rahmen einer Geoökologie-Ringvorlesung "Umweltschutz
und Naturschutz" der "Umweltpraktiker" Walter Haase zum Thema
"Nachhaltige Mobilität für Kleinmachnow".
Promovierter Ingenieur
Haase gilt als Experte auf den Gebieten der Umwelt- und Verkehrspolitik. Als
promovierter Ingenieur, zu DDR-Zeiten in der Wasserwirtschaft tätig und nach
der Wende erster Präsident des Landesumweltamtes, verbringt er seinen heutigen
"Unruhestand" mit engagierter Arbeit im Ausschuss für Umwelt, Verkehr
und Ordnungsangelegenheiten der Gemeindevertretung Kleinmachnow.
Seine Ausführungen vor 25 Studierenden über das Verkehrsgeschehen in
Kleinmachnow dürften auch für MAZ-Leser interessant sein, muss doch zunächst
einmal davon ausgegangen werden, dass sich das hohe und immer mehr wachsende
Verkehrsaufkommen mit Belastungen wie Lärm, Abgasemission, Unfallgefahren,
Vereinnahme von Verkehrs- und Freiflächen, Fehlverhalten von Auto- und
Motorradfahrern etc. zunehmend negativ auf Gesundheit und Lebensqualität der
Bewohner auswirkt. Kleinmachnow ist geradezu ein Musterbeispiel für
Verkehrsexpansion mit all ihren Folgen.
So hat sich seit der Wende die Einwohnerzahl der etwa 120 Quadratkilometer
großen Flächengemeinde fast verdoppelt. Von den heute ca. 19 000 Einwohnern ist
jeder fünfte jünger als 18 Jahre. Diese etwa 4000 jungen Leute, unter ihnen
alljährlich 350 Schulanfänger, gehören schon einmal zur Gruppe der besonders
verkehrsgefährdeten Bewohner.
Quell-, Ziel- und Binnenverkehr
In einer Studie wurden vor einigen Jahren auf dem Gebiet der Gemeinde innerhalb
in 24 Stunden 61 000 motorisierte Verkehrsbewegungen gezählt, herbeigeführt von
rund 15 000 Kraftfahrzeugen. 60 Prozent davon waren dem Quell-, Ziel- und
Binnenverkehr zuzuordnen. Der Durchgangsverkehr kam auf 40 Prozent. Die auf
8000 Wohneinheiten "verteilten" Kleinmachnower selbst besitzen
derzeit 9700 Kraftfahrzeuge. Es gibt 464 Lastkraftwagen und 585 Kräder.
Zwar besitzt die Gemeinde ein 80 Kilometer langes, immerhin 190 Straßen und
Wege umfassendes Verkehrsnetz, aber darunter nur sechs Haupt- und acht
Sammelstraßen.
In einer Gemeinde mit einem derartigen Gesamtverkehrsbild bleiben Reaktionen
der Bevölkerung auf verkehrsbedingte Belastungen nicht aus. So wird die
Verkehrssituation nicht selten als bedrohlich empfunden, es gibt Hunderte von
Eingaben, Bürgerinitiativen entstehen und ein immer stärkerer Anpassungsdruck
zwingt die Gemeindeverwaltung zu einem klaren, langfristig angelegten
verkehrskonzeptionellen Denken. Genau darum geht es Walter Haase und seinen
"Mannen" von der Agenda-Verkehrsgruppe.
Nachhaltige Entwicklung
Sie schätzen die begonnenen Entlastungsbemühungen wie
"Flüsterasphalt", Ausbau des Radwegesystems, Ansiedlung von
Geschäften, medizinischen Einrichtungen oder Schulen usw. im Zentrum rund um
das Rathaus als richtige Schritte in Richtung auf eine nachhaltig verträgliche,
die Lebensqualität sichernde Verkehrsentwicklung ein. Doch ist ihr Katalog von
Empfehlungen noch wesentlich umfangreicher. Wichtig wäre zum Beispiel ein
durchgängig sicheres Fußwegenetz mit mehr "Zebra"-Überwegen.
Kreisverkehr an Kreuzungen könnte Ampelstau mindern. Verkehrsberuhigte Zonen,
verbunden mit weiteren lärm- und gefahrverringernden Maßnahmen, sind besonders
gewünscht. Notwendig wären die Entwicklung eines Parkraum- und
Schulwegekonzepts sowie die Optimierung des öffentlichen Personennahverkehrs.
Immerhin tut sich ja aktuell etwas in Bezug auf ein Radwegenetz hoher Qualität.
Die Aktion "Mit dem Rad zur Arbeit" wurde von Bürgermeister Wolfgang
Blasig sogar ganz persönlich gestartet.