Märkische Allgemeine Zeitung 30.10.06
KLEINMACHNOW
Weiterhin im Exil agieren die Mitglieder des Trägervereins Kammerspiele,
die am Wochenende zu einem Lesemarathon eingeladen hatten. Im ehemaligen
Beratungszentrum von Kondor Wessels an der Förster Funke-Allee reichten
sich Autoren und Künstler an drei Tagen die Lesestaffel weiter. Die
Schauspielerin Käthe Reichel eröffnete die Reihe mit eigenen Texten aus
ihrem im August erschienen Buch "Windbriefe an den Herrn b.b.".
Die Brecht-Schülerin, wie sie sich selbst nennt, lernte den Dichter in
jungen Jahren kennen und noch heute spürt man die Intensität ihres sie
prägenden Verhältnisses zu Bertolt Brecht. In ihren
"Windbriefen", imaginäre Korrespondenzen mit dem 1956
verstorbenen Dichter, den sie in Dantes "Limbus" versetzt, eine
Art Zwischenwelt, "Vorhof der Hölle oder auch des Himmels",
entfaltet sie Ansichten der gesellschaftlichen Zustände und der kleinen und
großen Welten. Von poetischen Einschüben, über anrührend
dramatisch-humorvolle Geschichten aus der Kindheit, bis hin zu wütenden
Kommentaren und kompromisslosen eigenen Ansichten - die Gesellschaft, die
Weltpolitik und den "Kampf der Kulturen" betreffend -, die
durchaus zum Widerspruch reizen.
Weitere acht Lesungen und der publikumswirksame Film
"We feed the world", von Erwin Wagenhofer, über die Produktion
und Verschwendung von Nahrungsmitteln, fügten sich zu einem dichten
Programm.
Frank-Patrick Steckel, Mitglied im Trägerverein
Kammerspiele, äußerte sich am Rande der Veranstaltung dahin gehend, dass
die verbliebenen Aktiven im Trägerverein weiterhin um die Kammerspiele bemüht
seien. Der Regisseur hat nach eigenen Angaben Bürgermeister Blasig um einen
neuen Gesprächstermin gebeten. Hintergrund ist, dass sich der Förderverein
Kammerspiele aufgelöst hat (MAZ berichtete) und der Vorstand des
Trägervereins Kammerspiele nun ebenfalls sein Amt niedergelegt habe.
Steckel nannte die Auflösung "verfrüht". Es mangele an Geduld und
Engagement bei den Beteiligten. Zumal alle politischen Parteien in der
Gemeinde das Kulturprojekt Kammerspiele einst begrüßt und Unterstützung zugesagt
hätten.
Die Verhandlungen der Gemeinde mit dem Eigentümer der
Kammerspiele um einen Ankauf seien jedoch mangels Kommunikation für den
Verein nicht nachvollziehbar. Hätte man hingegen eine Erfolgsmeldung, die
Kulturarbeit betreffend, sei man weiter der Überzeugung, "dass das
(das Projekt Kammerspiele als Kultureinrichtung) laufen" würde.
Vielleicht, so räumt Steckel ein, seien die eigenen Angebote bisher auch
noch nicht konkret genug gewesen. K.W.