KONSTANZE WILD
KLEINMACHNOW Das Schicksal meinte es gut mit Carola.
Am 20. Mai 2001 kam die heute 90-jährige Schiffsdame als Museumsschiff in
Zehdenick noch einmal ganz groß heraus. Für Helmut und Anita Mewes war das
ein Trost. Über ein Vierteljahrhundert diente das Transportschiff der
Schifferfamilie als Existenzgrundlage.
1916 in Speyer gebaut, gelangte Carola 1970 in den
Besitz von Emil Mewes. "Wir transportierten von Getreide bis
Waschpulver beinahe alles", erzählt Sohn Helmut Mewes aus einem
arbeitsamen Leben an Bord. Im Vor- und Achterschiff liegen die Wohndecks.
Vorbei am glatt polierten Holzsteuerrad geht es hinunter in die winzige
Schiffswohnung.
Nach Hamburg zur Hafenrundfahrt
Enkelin Lydia Dohrmann ist beim Kanaljubiläum in
Kleinmachnow mit von der Partie. Schon früher unternahm sie mit Oma und Opa
manche Schiffsreise, "am liebsten nach Hamburg zur
Hafenrundfahrt", schwärmt die heute 19-Jährige. Und wenn Carolas Bauch
voll Sand geladen war, dann war das besser als jede Buddelkiste, erzählt
Anita Mewes von glücklichen Kindertagen ihrer Enkelin an Bord mit
Schiffskater Peter.
In Kleinmachnow stiegen zum 100. Geburtstag des
Teltowkanals beinahe 500 Besucher über eine eigens angefertigte Holztreppe
in den ehemaligen Frachtraum des so genannten Finowmaßkahns. Eine
Standardbezeichnung übrigens, die sich an der Größe der Schleusen am
Finowkanal orientierte.
Arbeitslose Jugendliche, darunter zwei Mädchen, haben
den 25 Meter langen Schiffsbauch in einjähriger Arbeit restauriert und
umgestaltet: Neben Elektrik, Heizung und kleinen Fenstern, wurden ein
Notausstieg und eine Zwischendecke eingebaut. Heute sind in dem gemütlichen
Innenraum etwa 450 Exponate zu besichtigen. Alle stammen aus Privatbesitz
und gewähren als Sammlung Einblick in die Schifffahrtshistorie, auch in
Beziehung zu Zehdenick. Hölzerne Schippen, Werkzeuge zum Schiffsbau, Bild-
und Schriftdokumente, darunter eine Stromkarte der Elbe von 1884, und
Schiffsmodelle sind zu sehen. Eine Schiffsglocke ist auf Hochglanz poliert,
doch das eigentliche Glanzstück der Ausstellung ist wohl die Gründungsfahne
des Schiffervereins Zehdenick von 1829.
Nicht ohne Stolz führt Udo Klein zur
Vitrine, um über die Traditionspflege des Schiffervereins zu berichten, der
maßgeblich daran beteiligt war, dass die Stadt Zehdenick den Großfinowmaßkahn
erwarb, um ihn zum schwimmenden Museum umzugestalten.
Pastellfarbene breite Bänder mit filigranen Stickereien
schmücken die Bordwände. Mit Fleiß bestickten die Frauen früher diese
Tradtionsbänder, die als Eintrittskarten zum Schifferball dienten.
Der eiserne Rettungshaken und entsprechende -westen waren
wichtig, erklärt Klein, konnten doch die meisten Kinder der Schiffer gar nicht
schwimmen. Apropos Kinder, auf manchem Schiff tummelten sich ein Dutzend, kein
Wunder bei dem einsamen Leben auf dem Wasser, welches außer schwerer Arbeit
nicht viel Abwechslung bot. Zur Schule ging der Nachwuchs dort, wo das Schiff
gerade lag. Auch Schifferkinderheime boten Bildung und Unterkunft.
Heute tuckert das Ehepaar Mewes mit zehn bis zwölf
Kilometern in der Stunde ehrenamtlich über Flüsse und Kanäle. In den 90er
Jahren waren die Zeiten für die Schiffer immer schwieriger geworden. Als
zunehmend unrentabel erwies sich das Geschäft mit dem Warentransport. Am
Schluss habe er nur noch "Kies gekutscht", erzählt Mewes.
Die Stadt Zehdenick erwarb den Kahn
Der Großfinowmaßkahn, der pro Ladung 280 Tonnen Kies nach
Berlin befördern konnte, war zu klein oder die Konkurrenz zu groß, je nach
Sichtweise. Eine glückliche Fügung, dass die Stadt Zehdenick Räumlichkeiten für
ihre Ausstellung zum Thema Schiffshistorie suchte und den "Kahn"
erwarb. Im August wird Carola in ihrer Karriere als Museumsschiff ihre bislang
weiteste Reise antreten. Acht Tage braucht die alte Dame, um zum Fest in
Europas größtem Binnenhafen in Duisburg einzulaufen.
Wer der 90-Jährigen in der Region noch einen Besuch
abstatten möchte, der kann dies an der Alten Zollstelle am Schiffbauerdamm in
Berlin tun. Dort liegt sie bis zum 7. Juni vor Anker.