Märkische Allgemeine Zeitung 29.05.06
WOLFGANG POST
TELTOW Die Redensart "Rechtzeitiges Kommen
sichert die besten Plätze" bewahrheitete sich gestern im Bürgerhaus.
Stadtverwaltung und Heimatverein hatten zur Eröffnung einer Ausstellung
eingeladen, mit der "100 Jahre Teltowkanal und seine Bedeutung für die
Entwicklung von Teltow" gewürdigt werden. Viele Besucher mussten mit
Stehplätzen vorlieb nehmen, ein Zeichen, welche Bedeutung die Teltower und
viele Gäste dem Ereignis beimaßen.
Der Beelitzer Spielmannszug ließ mit "Preußens
Gloria" und dem "Yorkschen Marsch" den Sound der Zeit, als
der Teltowkanal am 2. Juni 1906 eröffnet wurde, anklingen. Bürgermeister
Thomas Schmidt begrüßte u.a. Innenminister Jörg Schönbohm und
Bezirksbürgermeister Herbert Weber von Steglitz-Zehlendorf und schätzte
diese Veranstaltung auf den Spuren der Geschichte mit vielen Überraschungen
als die besondere im Trubel des Kanal-Jubiläums. Darüber sagte er:
"Der Teltower Ehrenbürger Landrat Ernst von Stubenrauch erklärte den
Kanalbau als Gemeinschaftsaufgabe. Von diesem Gedanken könnten wir heute
auch mal eine Scheibe abschneiden."
Mit dem Kanal wuchs Teltow und der Kreis entwickelte
sich zum Lieblingskreis des Kaisers. "Aber er ist nicht nur ein
Wasserweg schlechthin, sondern integriert sich immer deutlicher in die
Naherholung", erklärte Schmidt. "Die Kanalaue ist in der
Diskussion, und ich nehme an, dass die Nachbarn Kleinmachnow und Steglitz-Zehlendorf
diese Entwicklung unterstützen." Jörg Schönbohm stimmte mit dem
Bürgermeister überein: "Der Teltowkanal gehört nicht Teltow, es ist
unser, er gehört der Region und hoffentlich bald einem gemeinsamen
Bundesland Berlin-Brandenburg."
Übersichtlich und nach Rubriken
geordnet - so präsentiert sich die Ausstellung. "Wir wollten mit wenig
Text auskommen. Dafür erzählen die Bilder die Geschichte", erklärte Peter Jaeckel,
Vorsitzender des Teltower Heimatvereins. Es sind aussagekräftige Elemente,
historische und neue, die ergänzend wirken. Selbstredend sind die
Dokumentationen, wie mit dem Teltowkanal die Elektroenergie in der Region
Einzug hielt, wie das Kraftwerk Schönow entstand, um den elektrischen
Treidellokomotiven den nötigen "Saft" zu liefern. Natürlich
profitierte die aufstrebende Industrie wie beispielsweise die Teltowwerft vom
Strom aus Schönow. Zudem wurde das Schifferkinderheim nicht vergessen, und die
traurigen Kriegsschäden und das leidige Kapitel des Wasserweges als Grenze zwischen
Ost und West spielen ihre eigenen Bilderrollen. Dazu brachte der Heimatverein
unter der Federführung von Anton Sieber noch eine erklärende Broschüre heraus.
"Das habt Ihr ausgezeichnet gemacht", haben die
meisten Gäste zum Lob der fleißigen Mitwirkenden des Heimatvereins gesagt. Es
gelang das, was das Jahrhundertbauwerk verdient hat. Deshalb dankte Jaeckel
auch all seinen Mitstreitern für die tolle Arbeit.
Herbert Leib, Ortschronist zu DDR-Zeiten in Teltow, fügte
hinzu: "Bei unseren Recherchen und Dokumentationen der Zeitgeschichte
spielte damals auch der Teltowkanal eine große Rolle, obwohl er für die meisten
Menschen ringsum ein Tabufeld war." Er meint, diese realen Informationen
würden das gesamte Leben in der Region recht aussagekräftig darstellen.
Schauspielerisch stellte die Theatergruppe "Arlecchino"
der Kleinmachnower Steinwegschule mit Bürgermeister Schmidt als Erdarbeiter
Igor Klammrowsky vieles menschliche Drum und Dran beim Bau des
Jahrhundertbauwerkes dar. 10 000 Arbeiter aus aller Herren Länder waren dabei,
um das Werk vollenden zu helfen, bis Kaiser Wilhelm II. mit Stubenrauch an
seiner Seite von Bord der kaiserlichen Yacht "Alexandria" den
Teltowkanal für eröffnet erklärte. Wer genau hinhörte, dem begegneten im Text
von Fiorenza Renn Parallelen zur heutigen Zeit. So wird das Schauspiel auch am
Kanalfeiertag, dem 2. Juni, um 17 Uhr an der Schleuse wohl einen ebenso tollen
Beifall erhalten wie im Bürgerhaus. Ob wohl die Schleusengaststätte ein Menü
wie vor 100 Jahren bietet? Kraftbrühe mit Mark, Rehrippchen mit Trüffeln,
Kanalforelle blau mit frischer Butter, Teltower Ente, eingelegte Früchte und
Salat, Artischockenböden mit grünen Spargelspitzen und geschlagenem Eiersulz, Machnower
Schleusenspeise und Nachtisch. Auch diese Speisenkarte trieben die Teltower
Heimatfreunde auf.