Märkische Allgemeine Zeitung 18.05.06
KLEINMACHNOW Es war
höchste Zeit, sowohl für die Alteingesessenen als auch für die in Scharen
hinzugezogenen Neuen, dass Helfried Winzer ihnen einen tieferen Blick auf
das "historische Klein-Machnow" ermöglicht. Übriggeblieben ist
davon nicht viel, die Dorfkirche, der Kirchhof, das Medusentor, die Bäkemühle
und kaum noch entzifferbare Mauerreste des einstigen Domizils der Familie
von Hake.
Schlimmer Zustand
Die Gegend ist in einem schlimmen Zustand, und es ist
so ganz und gar nicht nachvollziehbar, dass sich die heute wohlbetuchte -
allerdings in Gruppierungen zerfallene - Gemeinde Kleinmachnow für ihre
Historie nicht interessiert. Dabei hatte schon Cicero drei Dinge benannt,
welche die Ansiedlung und die Gesellschaft kennzeichnen und sie gleichsam
unentbehrlich für den Ort machen: Eine Umwallung, welche die Gemeinde nach
innen zusammenhält, einen Platz, auf dem sich die zusammengelaufene
Gesellschaft zusammenrauft und einen gemeinsamen Kult als das Fundament
jeglicher gesellschaftlicher Übereinstimmung.
Während anderswo aus doch wohl gut nachvollziehbaren
Gründen historische Strukturen wieder sichtbar gemacht werden, die Berliner
Mitte, das Potsdamer Stadtschloss, der Verlauf der Mauer, kommt am
Teltowkanal kaum ein Gedanke dazu auf. Auch dem "Förderverein Alter
Dorfkern Kleinmachnow e. V." ist es bisher nicht gelungen, die alten
und neuen Bürger für diese Kleinmachnower Geschichte wirklich zu
interessieren.
Mit wenig Aufwand
Der Verein hat sich in den Wiederaufbau der alten Hakeburg
verrannt, von der nichts "Sichtbares" mehr vorhanden ist, und
darüber vergessen, dass die Strukturen des Gillyschen Herrenhauses mit
wenig Aufwand wieder erlebbar gemacht werden können.
Dazu braucht es keine Beschlüsse der ohnehin ziemlich
beschlussunfähigen Gemeindevertreter, dazu braucht es einige Leute, die den
Wildwuchs einfach beiseite schaffen und damit ein Zeichen setzen.
Das informative Buch von Helfried Winzer könnte der
Start für einen Neubeginn sein, für den sich alte und neue Kleinmachnower
gleichermaßen gewinnen lassen. Wer das noch "Vorhandene" aufnimmt
und die höchst anschaulichen Modelle des alten Dorfkerns dagegensetzt,
kommt nicht darum herum, den Worten endlich Taten folgen zu lassen.
Fontanes "reizend gelegenes Dorf" ist nicht
mehr. Die Wurzeln aber gibt es noch. Die "Neuen" haben die
Kleinmachnower Geschichte, die jetzt doch wohl auch die ihre werden müsste,
noch nicht für sich entdeckt. Teltowkanalaue, Teltowwerftbrücke, Wanderwege
auf der Treideltrasse und Naturlehrpfad mit der Pflege von
Sumpfgänsedisteln allein können es nicht sein. Der alte Dorfkern von
Kleinmachnow gehört dazu. Das Buch von Helfried Winzer ist empfehlenswert -
für diese und jene. hph
Helfried Winzer: Das Gutsdorf Kleinmachnow vor 100
Jahren. Mit Dorfgeschichten von Alfred Waßmund sowie Postkarten aus der
Sammlung Wallberg. 48 Seiten mit zahlreichen schwarz-weißen und farbigen
Abbildungen und Plänen. ISBN 3-936872-72-4. 9,80 Euro. Lukas Verlag Berlin,
2006.