Märkische Allgemeine Zeitung 13.05.06
JÜRGEN STICH
Der Gemeindeverband "Industriegebiet
Teltow" mit Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf ist nicht mehr. Nach
der Wende strebten die Orte - ziemlich eigennützig - auseinander. Bis heute
haben sie es nicht geschafft, ihre Stärken wieder zu bündeln. So werden sie
weder von der Allgemeinheit, noch von der Landesregierung als wirtschaftliches
und gesellschaftliches Zentrum wahrgenommen.
An diese Einzelgänge war im November 1973 gar nicht
zu denken. Durch Beschluss der "Volksvertretungen von Teltow,
Kleinmachnow und Stahnsdorf" wurde damals beispielsweise auch der Bau
eines Freibades für die Region auf den Weg gebracht. Bereits am 8. Dezember
erfolgte der erste Spatenstich für das "Initiativobjekt Freibad
Kiebitzberge im Industriegebiet Teltow" am Teltowkanal Kilometer Tek
km 10,10.
Das Projekt entsprach "den Wünschen der
Werktätigen", wie die Bauchronik später vermerkte. Diese waren es dann
auch, die "außerhalb ihrer Arbeitszeit" mehr als 500 000 Stunden
investierten und das Schwimmbad nach Plänen des Architekten Manfred Thiel
aus dem Boden stampften. Rund 3000 Menschen aus den nahen Großbetrieben
sollen nach Feierabend am Bau beteiligt gewesen sein.
Als Bauplatz boten sich die "Kiebitzberge"
am Nordufer des Teltowkanals an. Die Fläche auf Kleinmachnower Gemarkung
westlich der Rammrathbrücke hatte nichts alpines mehr, seit die von der Eiszeit
geprägte Hügelkette nach dem Zweiten Weltkrieg zwecks Torfgewinnung zum
Teil abgetragen worden war.
In einer Bauzeit von zweieinhalb Jahren entstanden
drei Schwimmbecken mit Sprung- und Bademeisterturm, ein eigenes Wasserwerk
mit Tiefbrunnen, Liegewiese, Umkleidegebäude, Toiletten, Sauna, das
böhmische "Gasthaus Havel" und ein Einfamilienhaus für den
"Sportstättenleiter".
Möglich war das nur, weil sich drei Schwergewichte engagierten: VEB
Geräte- und Reglerwerke "Wilhelm Pieck" Teltow (GRW), VEB Werk
für Bauelemente der Nachrichtentechnik "Carl von Ossietzky" (CvO)
und die Mikroelektronik Stahnsdorf (MLS).
Offiziell entstand das Freibad Kiebitzberge im Rahmen des Wettbewerbs der
Nationalen Front "Schöner unsere Städte und Gemeinden - Mach mit"
zu Ehren des IX. Parteitags der SED. Dass "die Zielstellung unter
Überwindung sehr großer Schwierigkeiten erreicht wurde", lässt
erahnen, was sich tatsächlich abspielte.
Der fünfköpfige "Operativstab" rekrutierte sich aus den Betrieben
und dem Rat der Stadt Teltow. Was an Material nötig war, wurde von der
Produktion abgezweigt. "Schöpferkraft" nannte es die Bauchronik,
und diese war mehr als einmal gefragt, damit am guten Ende eine Sportstätte
im Wert von 5,7 Millionen Mark stand.
Mit der Eröffnung des Bades vor dreißig Jahren am 15. Mai 1976 begann sich
die Plackerei auch für die Arbeiter zu lohnen. Wer seinen Betriebsausweis
an der Kasse vorlegte, hatte freien Eintritt, mit der Folge, dass trotz
tausender Besucher die Einnahmen nicht ausreichten, um die technischen
Anlagen, Becken und Gebäude wirklich in Schuss zu halten.
Nach der Wende gab es bald ein böses Erwachen. Das Bad war Kleinmachnow
zugefallen und damit auch die Verpflichtung, dem kommunalen Betrieb
jährlich einen Zuschuss von rund 200 000 Euro zu gewähren. Der Ärger mit
den Anwohnern kam hinzu. Sie mussten plötzlich nicht mehr nur unter dem
Gestank an- und abfahrender Trabis und Wartburgs leiden, sondern jetzt auch
unter dem kolossalen Lärm der Golfs und BMWs.
Mit der Hiobsbotschaft, das Bad müsse schließen, wenn nicht drei bis vier
Millionen Euro in die Sanierung gesteckt würden, begann im Jahr 2002 ein
Umdenken. Plötzlich tauchte ein Gedanke auf, der vor dreißig Jahren zum Bau
der Anlage geführt hatte: Das Freibad Kiebitzberge gehört der Region.
Nicht mit einem "Initiativobjekt", aber als GmbH feiert nun der
einstige DDR-Gemeindeverband fröhliche Urständ. Kleinmachnow, Teltow und
Stahnsdorf wollen die Kosten in Zukunft gemeinsam schultern. Ein
Förderverein bringt sich und die Idee ein, die Becken für einen
Winterbetrieb zu überdachen. Ein Parkdeck am Teltowkanal soll gebaut, die
Verkehrswege in den Kiebitzbergen durch einen Bebauungsplan geordnet
werden.
Ob sich damit die großzügige Anlage auf Dauer halten lässt, bleibt
abzuwarten. Allzu groß sind die Verlockungen, da und dort begehrtes Bauland
abzuknapsen. Die Schließung des Bades jedenfalls scheint abgewendet. Sie
wäre nach den Worten eines CvO-Veterans "ein Frevel" gewesen.
(Potsdam-Mittelmark)