Märkische Allgemeine Zeitung 13.05.06

 

Wunsch der Werktätigen

Teil 48 / Tek km 10,10: Freibad Kiebitzberge

Freibad Kiebitzberge Blick auf den Teltowkanal: Das Freibad liegt rechts oberhalb der Brücke. Foto: Lutz Hannemann

JÜRGEN STICH

Der Gemeindeverband "Industriegebiet Teltow" mit Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf ist nicht mehr. Nach der Wende strebten die Orte - ziemlich eigennützig - auseinander. Bis heute haben sie es nicht geschafft, ihre Stärken wieder zu bündeln. So werden sie weder von der Allgemeinheit, noch von der Landesregierung als wirtschaftliches und gesellschaftliches Zentrum wahrgenommen.

An diese Einzelgänge war im November 1973 gar nicht zu denken. Durch Beschluss der "Volksvertretungen von Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf" wurde damals beispielsweise auch der Bau eines Freibades für die Region auf den Weg gebracht. Bereits am 8. Dezember erfolgte der erste Spatenstich für das "Initiativobjekt Freibad Kiebitzberge im Industriegebiet Teltow" am Teltowkanal Kilometer Tek km 10,10.

Das Projekt entsprach "den Wünschen der Werktätigen", wie die Bauchronik später vermerkte. Diese waren es dann auch, die "außerhalb ihrer Arbeitszeit" mehr als 500 000 Stunden investierten und das Schwimmbad nach Plänen des Architekten Manfred Thiel aus dem Boden stampften. Rund 3000 Menschen aus den nahen Großbetrieben sollen nach Feierabend am Bau beteiligt gewesen sein.

Als Bauplatz boten sich die "Kiebitzberge" am Nordufer des Teltowkanals an. Die Fläche auf Kleinmachnower Gemarkung westlich der Rammrathbrücke hatte nichts alpines mehr, seit die von der Eiszeit geprägte Hügelkette nach dem Zweiten Weltkrieg zwecks Torfgewinnung zum Teil abgetragen worden war.

In einer Bauzeit von zweieinhalb Jahren entstanden drei Schwimmbecken mit Sprung- und Bademeisterturm, ein eigenes Wasserwerk mit Tiefbrunnen, Liegewiese, Umkleidegebäude, Toiletten, Sauna, das böhmische "Gasthaus Havel" und ein Einfamilienhaus für den "Sportstättenleiter".

 

Möglich war das nur, weil sich drei Schwergewichte engagierten: VEB Geräte- und Reglerwerke "Wilhelm Pieck" Teltow (GRW), VEB Werk für Bauelemente der Nachrichtentechnik "Carl von Ossietzky" (CvO) und die Mikroelektronik Stahnsdorf (MLS).

Offiziell entstand das Freibad Kiebitzberge im Rahmen des Wettbewerbs der Nationalen Front "Schöner unsere Städte und Gemeinden - Mach mit" zu Ehren des IX. Parteitags der SED. Dass "die Zielstellung unter Überwindung sehr großer Schwierigkeiten erreicht wurde", lässt erahnen, was sich tatsächlich abspielte.

Der fünfköpfige "Operativstab" rekrutierte sich aus den Betrieben und dem Rat der Stadt Teltow. Was an Material nötig war, wurde von der Produktion abgezweigt. "Schöpferkraft" nannte es die Bauchronik, und diese war mehr als einmal gefragt, damit am guten Ende eine Sportstätte im Wert von 5,7 Millionen Mark stand.

Mit der Eröffnung des Bades vor dreißig Jahren am 15. Mai 1976 begann sich die Plackerei auch für die Arbeiter zu lohnen. Wer seinen Betriebsausweis an der Kasse vorlegte, hatte freien Eintritt, mit der Folge, dass trotz tausender Besucher die Einnahmen nicht ausreichten, um die technischen Anlagen, Becken und Gebäude wirklich in Schuss zu halten.

Nach der Wende gab es bald ein böses Erwachen. Das Bad war Kleinmachnow zugefallen und damit auch die Verpflichtung, dem kommunalen Betrieb jährlich einen Zuschuss von rund 200 000 Euro zu gewähren. Der Ärger mit den Anwohnern kam hinzu. Sie mussten plötzlich nicht mehr nur unter dem Gestank an- und abfahrender Trabis und Wartburgs leiden, sondern jetzt auch unter dem kolossalen Lärm der Golfs und BMWs.

Mit der Hiobsbotschaft, das Bad müsse schließen, wenn nicht drei bis vier Millionen Euro in die Sanierung gesteckt würden, begann im Jahr 2002 ein Umdenken. Plötzlich tauchte ein Gedanke auf, der vor dreißig Jahren zum Bau der Anlage geführt hatte: Das Freibad Kiebitzberge gehört der Region.

Nicht mit einem "Initiativobjekt", aber als GmbH feiert nun der einstige DDR-Gemeindeverband fröhliche Urständ. Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf wollen die Kosten in Zukunft gemeinsam schultern. Ein Förderverein bringt sich und die Idee ein, die Becken für einen Winterbetrieb zu überdachen. Ein Parkdeck am Teltowkanal soll gebaut, die Verkehrswege in den Kiebitzbergen durch einen Bebauungsplan geordnet werden.

Ob sich damit die großzügige Anlage auf Dauer halten lässt, bleibt abzuwarten. Allzu groß sind die Verlockungen, da und dort begehrtes Bauland abzuknapsen. Die Schließung des Bades jedenfalls scheint abgewendet. Sie wäre nach den Worten eines CvO-Veterans "ein Frevel" gewesen.

(Potsdam-Mittelmark)