Märkische Allgemeine Zeitung 15.04.06
KONSTANZE WILD
Man schrieb das Jahr 1904, als ein Konzept Ernst von
Stubenrauchs die internationale Öffentlichkeit auf der Weltausstellung in
St. Louis zum Staunen brachte. Der "königliche Landrat" des
kleinen Kreises Teltow hatte das Befahren des fast 38 Kilometer langen Teltowkanals
auf einen elektrischen Schleppbetrieb ausgerichtet, der sogar zum Vorbild
für das Treideln am Panamakanal werden sollte. Noch befand sich der Kanal
im Bau. Die wirtschaftliche Entwicklung entlang der künstlichen
Wasserstraße hatte gerade begonnen. Doch die Folgen zweier Weltkriege und
die Teilung Deutschlands ließen es schließlich für Jahrzehnte still werden
am Kanal. Heute erinnern nur noch Stolperstellen an die alten an beiden
Uferseiten angelegten Treidelpfade: Rostig und krumm ragen Gleisreste aus
dem sandigen Boden.
Das konnte zahlreiche Bürger nicht abhalten, im
Sommer 2005 einer Einladung der Lokalen Agenden und anderer Initiativen zu
folgen. Auch von Berliner Seite kamen Bürger und Politprominenz. Sie
diskutierten beim Spaziergang an dem lauen Frühsommerabend zwischen Knesebeck-
und Rammrathbrücke über seit langem gehegte Pläne: An den Ufern der heute
100-jährigen Wasserstraße soll sich ein Park für die Region behutsam
entwickeln. Durchgängige Rad- und Wanderwege könnten gleichermaßen den Bürgern
der drei Teltow-Kommunen und den Berliner Ausflüglern das
Naherholungsgebiet erschließen. Einen "landschaftlichen Schatz"
gelte es zu heben, formulierte die "Interessengemeinschaft
Teltowkanalaue" beim Gründungstreffen im Januar 2006. Dazu haben die
Initiatoren verschiedener Gruppen, vom BUND bis zu örtlichen
Wandervereinen, jahrelang gesellschaftliche Kräfte gebündelt und sind,
unbeirrt vom bürokratischen Zaudern und Ränkeleien, mit Ideen
vorausgegangen - auf dem ersehnten Weg vom Griebnitzsee nach Steglitz.
Gleichsam ein Lehrstück bürgerschaftlichen Engagements, zu dem sich auch
zahlreiche Politiker und Wirtschaftsvertreter, die die Auenlandschaft als
weichen Standortfaktor erkannt haben, gesellten.
Entlang der Wasserstraße, an der
Grenzen Staaten und Menschen teilten, würde mit der ausgebauten Kanalaue eine
grüne Mitte entstehen; das Herzstück eines umfassenden Regionalparks, der durch
die Gemeinsame Landesplanung als "Teltowpark" bereits vorgedacht ist.
Ein solcher Regionalpark verbindet auch die Teltow-Gemeinden Stahnsdorf, Teltow
und Kleinmachnow und erschließt die Highlights der Region: Von den bedeutsamen
Stahnsdorfer Friedhofsanlagen über das Schleusenbauwerk am Machnower See, die
architektonischen Sehenswürdigkeiten am Weinbergviertel und den historischen
Dorfkern Kleinmachnows, bis zur Altstadt in Teltow, gibt es viele
"Landmarken", die Radler und Wanderer zum Innehalten einladen.
An jenem Frühsommerabend 2005 betrachtete mancher
Teilnehmer jedoch betreten sein Schuhwerk. An der Zehlendorfer Uferseite säumen
grüne Pferdekoppeln einen vorhandenen Rad- und Wanderweg, der zwischen Knesebeck-Brücke
und Sachtlebenstraße verläuft und am Buschgraben seinen Anschluß findet. Auf
Teltower Seite wird es holpriger. Im Uferbereich geht's über sandig-abschüssige
Trampelpfade. Hohe Schilfgürtel konkurrieren mit der tristen Rückansicht von
Baumärkten, die mit Abstellflächen dem Ufer bedrohlich nahe gerückt sind.
Industriebrachen bestimmen das Landschaftsbild. Noch - denn für einen Teil des
südlichen Uferabschnitts in Teltow gibt es städtebauliche Perspektiven. Ein
Vorentwurf sieht eine maritime Wohnbebauung vor.
Aus östlicher Richtung nähert sich der Kolonnenweg, der
als Rad- und Wanderweg bis zur Badstraße nutzbar ist. Er soll künftig im
Entwicklungsgebiet weiterführen. Auf halbem Wege zwischen Knesebeck- und Rammrath-Brücke
verband die ehemalige Teltowwerft-Brücke Bauhafen und Kraftwerk der Teltowkanal
AG mit der Treideltrasse am Südufer. 1962 endete der Betrieb, eine Folge des
Mauerbaus. Einige Kanalbauschiffe dümpeln inzwischen wieder im Hafenbecken. Aus
der Entstehungszeit hat sich einiges erhalten, vor allem der Hallenbau des
Kraftwerkgebäudes.
Dem derzeit wenig genutzten Gelände könnte mit dem
bürgerschaftlichen Engagement wieder Leben eingehaucht werden: Eine neue
Verbindung möchte man am alten Werft-Brückenkopf schlagen und so auch
vorhandene überörtliche Rad- und Wanderrouten verknüpfen. Doch gerade diesen
Brückenschlag könnte eine vorgesehene, aber nicht konkret absehbare
Kanalerweiterung auf Jahre verhindern: Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit
Nr.17 gilt als größter Stolperstein für eine zügige Planung des
Naherholungsgebietes. Doch ein Netzwerk aus Fachwissen, alter Erfahrung und
neuen Ideen treibt das Projekt Kanalaue voran. Eine wichtige Hürde konnte die
"Interessengemeinschaft" inzwischen nehmen: Die Kommunale
Arbeitsgemeinschaft der drei Gemeinden zeigte sich im März 2006 endlich einig,
gemeinsam ein Konzept für das künftige Naherholungsgebiet "Teltowkanalaue"
zu entwickeln - auf den Spuren alter Treidel- und Trampelpfade, vom Griebnitzsee
bis Steglitz.
Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im
Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal.