Märkische Allgemeine Zeitung 05.04.06
JÜRGEN STICH
Klären wir doch erst einmal auf, weil in dieser
globalen Welt keiner mehr weiß, wer zu wem gehört. In diesem konkreten Fall
fängt das bei einer aus "strategischen" Gründen gewählten
Namensgebung an. Das "Courtyard Berlin Teltow" liegt weder in
Berlin noch (eigentlich) in Teltow, sondern jenseits des Teltowkanals auf
einem Eckchen, das hoheitlich zu Teltow gehört, aber (eigentlich) so
ziemlich von jedem Kleinmachnow zugeschlagen wird.
Courtyard ist eine von vielen Marken, mit denen der
Hotelbetreiber "Marriott International Inc. Washington D.C." sein
Geld verdient. In 70 Ländern der Welt gibt es mehr als 2800 Herbergen, die
der amerikanischen Zentrale unter den Namen Marriott, Ritz-Carlton,
Renaissance, Residence Inn, Courtyard, TownePlace Suites, Fairfield Inn, SpringHill
Suites, Executive Apartments, Ramada International und Bulgari jährlich
etwa zehn Milliarden US-Dollar einbringen.
Als Geburtsstunde von Marriott wird die Eröffnung
eines Bierausschanks von John Willard und Alice Sheets Marriott im Jahre
1927 genannt. 1975 hatte die Company mit dem Betreiben der Amsterdamer
Herberge den ersten Schritt nach Europa gewagt. Heute sind es auf dem alten
Kontinent 85 Häuser in 21 Ländern, von Luxus über Full Service bis zur
gehobenen Mittelklasse, vertreten in Großstädten, Handelszentren und
Feriendestinationen. Gesteuert wird das europäische Imperium der Amerikaner
im Gewerbegebiet von Eschborn bei Frankfurt am Main.
Als die "Roland Ernst Projekt Management Verwaltungs
GmbH Nord Ost" nach der Wende Grund und Boden von VEB Geräte- und
Reglerwerke Teltow (GRW) und VEB Elektronische Bauelemente "Carl von Ossietzky
(CvO) für einen symbolischen Preis erwerben konnte, wurden die Gebäude auf
dem Teltower Eckchen abgerissen. Offensichtlich wurden die
Projektentwickler mit dem Eschborner Regional Office von Marriott ziemlich
schnell handelseinig, da bereits 1994 an diesem Ort das "Ramada
Hotel" eröffnet wurde.
Die Pläne für das riesige Gelände
am Teltower Ufer der Wasserstraße waren gewaltig. Zwischen Potsdamer
Straße, Schwarzer Weg und Katzbachstraße sollte auf 600 000 Quadratmetern,
immerhin 75 Prozent der Gewerbefläche Teltows, "Einiges"
entstehen. Vieles ist dort nicht in Erfüllung und Roland Ernst schließlich
Pleite gegangen. Obwohl noch 220 000 Quadratmeter offeriert werden, hat
sich die Lage inzwischen einigermaßen stabilisiert. Aus den Trümmern von
GRW und CvO ist manches (und mancher) gerettet worden, so dass das Teltower
Industriegebiet heute zwar nicht mehr mit großen, damals ja doch auch
aufgeblähten DDR-Apparaten, sondern mit eher kleineren und mittleren
Unternehmen aufwarten kann, die durchaus in den Bereichen Biotechnologie,
Metallbearbeitung, Optik, Medizin sowie Medien und Informationstechnologie
wieder nationale und internationale Bedeutung erlangt haben.
Unmittelbar davon profitiert das seit 1998 in "Courtyard
Berlin Teltow" oder auch Courtyard by Marriott Berlin Teltow (so ganz
einig ist man sich da wohl nicht) umbenannte Haus am Teltowkanal Kilometer Tek
km 10,60. Wer drüben im "Techno Terrain Teltow" oder an der
forschenden "Kunststoffschmiede" in Seehof zu tun hat, steigt
hier ab, wer seinen Mitarbeitern neue Strategien zu verkünden hat, trommelt
sie hier für Tagungen und Seminare zusammen. Das Haus ist für diese
Klientel zweckmäßig ausgestattet und unkompliziert geführt, vier Etagen,
198 Zimmer, 306 Betten. Neben dem Üblichen, Fitnessmaschinen, Sauna,
Whirlpool und Pay-TV, sind wohl auch die 165 kostenfreien Parkplätze ein
Argument.
Von früh am Morgen bis spät am Abend ist das Haus von
allen arbeitsfreudigen Geistern verlassen. Wenn sie dann wieder eintrotten,
sitzen sie meist einzeln im Restaurant, was im Courtyard natürlich
"Brandenburg" heißt, und genießen nach einem langen Arbeitstag
ihr erstes warmes Essen.
Auf die Idee, sich zu dieser Stunde noch zum
Kurfürstendamm oder Potsdamer Platz aufzumachen, kommt kaum einer. Dafür
gibt's die Bar, und beim Bier scheinen sie sich plötzlich alle zu kennen.
Ein Außenstehender kann den Gesprächen kaum folgen, weil es um
hostbasiertes DBS, IE für den Bildupload, bioaktive Polymersysteme,
Mikrointegration, Dünnschichttechnologie, Mikrosensorik und sonstwas geht.
Freitagfrüh und Sonntagabend ist jeweils
Schichtwechsel. Da kommt der Teltowkanal endlich zu seinem Recht.
Rechtzeitig zur Mittagszeit und Kaffeestunde legen in den angenehmen
Monaten des Jahres die Ausflugsdampfer vor dem Hotel an. Von der Terrasse
schaut man dann auf die Wasserstraße und die Speicherhäuser. Davor die
Trasse der ehemaligen Treidelbahn, die nun Wanderweg ist. Erst jetzt weiß
man, dass das "Courtyard Berlin Teltow" oder "Courtyard by Marriott
Berlin Teltow" ein bisschen im grünen Süden von Berlin liegt.
Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht
im Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal.