Märkische Allgemeine Zeitung 25.03.06

Kampieren am Wasser

Tel km 06,30: Caravan Hotel Dreilinden/"100 Jahre Teltowkanal" (Teil 34)

JENS STEGLICH

Hätte er es in seinem früheren Leben den Arbeitskollegen erzählt, sie hätten nur ein bedauerndes "Träum weiter" für ihn übrig gehabt. Als Klaus Hettler noch beim Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung (dem DDR-TÜV) arbeitete, dachte er wohl selbst nicht daran, dass er im nächsten Leben ein Hotel- und Campingplatzbetreiber sein würde.

"Stell' mich auf die Liste"

Es war vor fünfzehn Jahren, als er mit dem alten Dasein brach, noch bevor ihn die Verhältnisse dazu zwingen würden. Angefangen hat es mit einer Bitte an den Chef: "Stell' mich auf die Liste", sagte er damals. In der Umbruchzeit, als in den "Volkseigenen Betrieben" die Entlassungslisten kursierten, setzte er sich in weiser Vorahnung freiwillig auf den Index. Bereut hat er das nie. Es geht ihm gut, auf dem Kleinmachnower Campingplatz Dreilinden am Teltowkanal.

Seit dem 6. Juni 1991 führt er gemeinsam mit Wolfgang Lange die Geschäfte des Zeltplatzes, zu dem sich drei Jahre später noch ein Hotel gesellte. Inzwischen haben die beiden auch Durststrecken überstanden und können zum 15. Geburtstag des gemeinsamen Kindes mit einigem Stolz sagen: "Ja, uns gibt es noch."

Dass sie wirklich Partner sind, hört man schon am Telefon: "Hettler, der eine Teil des Geschäfts", heißt es da. Irgendwann ist es wohl zur Gewohnheit geworden, den anderen automatisch mitzudenken. Das muss auch daran liegen, dass beide ähnliche Lebensläufe hinter sich haben. Lange, der andere Teil des Geschäftes, hat wie Hettler einen Bruch in der Biographie: "Ohne die Wende wäre ich bei der Defa."

Ohne 1989 gäbe es auch den Zeltplatz und das Hotel am Teltowkanal nicht. Diese Geschichte könne er allerdings schon nicht mehr hören. Zu oft habe er davon erzählt und in Zeitungen darüber gelesen, dass hier, wo die Camper ihre Zelte aufschlagen, früher die Grenzsoldaten Streife gingen, dass im Überwachungsturm heute Hotelgäste übernachten und im hinteren Wachturm Touristenzimmer eingerichtet sind.

Wer davon nichts weiß, kann die Vergangenheit heute nicht mehr erkennen. Es ist ein kleines Kunststück, was die beiden Kleinmachnower Hotel- und Campingplatzbetreiber an dem einst so gefürchteten und aus guten Gründen weithin gemiedenen Ort vollbracht haben. Dort, wo während des Kalten Krieges kaum eine Maus unbeobachtet durchschlüpfen konnte, ist eine beschauliche Idylle entstanden. Der schaurige Fleck ist ein Ort der Begegnung geworden. Wo früher Stacheldraht Welten voneinander trennte, treffen sich zuweilen Nord- und Südkorea. "Es gibt fast kein Land, das noch nicht vertreten war". Die Camper aus den beiden Koreas zählen zu den besonderen Exoten.

Seit einiger Zeit macht sogar der Tross von "Holiday on Ice" jedes Jahr, wenn die Eiskünstler gerade in Berlin gastieren, Station am Teltowkanal. Der Gästestrom aus fernen Ländern hat einen komischen Nebeneffekt: In der Saison ist auf dem Campingplatz Deutsch die Fremdsprache. Verständigt wird sich in Englisch. Hilft das nicht weiter, spricht man mit Händen und Füßen.

Eine Tour nach Potsdam

Vor allem die Nähe zu Berlin zieht die Menschen von überallher auf den Kleinmachnower Zeltplatz. Und da Neuseeländer, Japaner und alle Welt schon mal da sind, bekommen sie auch einen Tipp: "Mindestens einen Tag für eine Tour nach Potsdam reservieren." Den Rat geben sie schon allein aus altem "Regionalstolz". Die weitgereisten Gäste danken es ihnen: Welcher Neuseeländer weiß schon von Sanssouci und dem Holländischen Viertel.

Dass die Besucher den Kleinmachnower statt die nahen Berliner Zeltplätze wählen, muss auch an der lockeren Atmosphäre liegen. "Bei uns fühlt man sich frei." Das Kommen und Gehen klappt ohne große Reglementierungen, und Ausweise (als Pfand) werden auch nicht abgenommen. Der Ort hat sich wahrlich gewandelt.

Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal

(Potsdam-Mittelmark)