Märkische Allgemeine Zeitung 18.03.06
JÜRGEN STICH
Adlershof, das waren der Schwarze Kanal, die Rumpelkammer
von Willi Schwabe und das Sandmännchen. Weniger bekannt war, dass hier auch das
Wachregiment "Feliks Dzierzynski" des Ministeriums für
Staatssicherheit der DDR in einer Divisionsstärke von 10 211 Berufs- und
Zeitsoldaten seinen Standort hatte. Ziemlich unbekannt ist allerdings, dass
dort - unmittelbar neben dem Flugplatz Johannisthal - auf Empfehlung von Graf
Zeppelin am 20. April 1912 die "Deutsche Versuchsanstalt für
Luftfahrt" gegründet wurde.
1945 wurden die Anlagen von den Sowjets demontiert.
Nachdem mit SMAD-Befehl Nr. 187 am 1. Juli 1946 die Deutsche Akademie der
Wissenschaften zu Berlin auferstanden war, aus der 1972 die Akademie der
Wissenschaften der DDR wurde, siedelte sich auf dem Gelände wieder die
angewandte Forschung an - herausragend ab 1981 wohl das Institut für
Kosmosforschung. Akademie, Fernsehen und Wachregiment wurden nach dem Untergang
der DDR abgewickelt.
Zurück blieb eine Stadt in der Stadt - ohne Seele. Da
erinnerte sich Berlin an die "Peuplierung" von Friedrich II, der
einst mit einer interessanten Überlegung neue Bewohner nach Preußen holte:
"Alle Religionen sindt gleich und guth, und mehr die leute, so sie profesieren,
ehrliche leute seindt, und wenn Türken und Heihden kämen und wollten das Land pöplieren,
so wollen sie Mosqueen und Kirchen bauen."
So entstanden Mitte des 18. Jahrhunderts Johannisthal,
Alt Glienicke und Adlershof. Der tatsächliche Aufschwung zum Industriestandort
gelang allerdings erst nach 1867 mit dem Bau der Berlin-Görlitzer Eisenbahn.
Der nächste Schub kam 1909, als in Johannisthal der erste deutsche
Motorflugplatz eröffnet wurde, um den sich Flieger und Konstrukteure scharten.
Vor dem Wechsel ins 21. Jahrhundert
ging das schneller. Der Wissenschaftsrat, nach der Wende nicht immer mit einem
glücklichen (unabhängigen) Händchen für inhaltliche und strukturelle Tipps an
Bund und Länder, gab eine Empfehlung ab und im Januar 1992 kehrte das Deutsche
Zentrum für Luft- und Raumfahrt an seinen angestammten Standort Adlershof
zurück. Bestehende Einrichtungen und verbliebene Institute wurden integriert.
Das Land Berlin - das schreibt sich heute leicht aufs
Papier - war gut beraten, ein Jahr später einen Wettbewerb zur Entwicklung von Adlershof
und Johannisthal zum "Wissenschafts-, Wirtschafts- und
Medienstandort" auszuschreiben. Auf einem Areal von 4,2 Quadratkilometern
sollte eine moderne Stadtstruktur mit "Science City" im Zentrum und
Medienstadt, Gewerbepark und Wohnquartieren drumherum entstehen - mit Mitteln
von Land, Bund und Europäischer Union. Eine landeseigene
Entwicklungsgesellschaft, die nun unter dem Namen "Wista-Management
GmbH" agiert, sorgt für "Beschleunigung" und - was hier auf- und
anderswo missfällt - für eine in großen Teilen herausragende Architektur.
Dazu gehören das "Bessy-II-Elektronensynchrotron",
hinter dem sich erlesene Namen wie Max-Planck-Gesellschaft,
Hahn-Meitner-Institut, Fraunhofer-Gesellschaft verbergen, dazu gehört vor allem
der mehrteilige "spektralfarbige" Neubaukomplex des "Zentrum für
Photonik und Optische Technologien" der Architekten Sauerbruch, Hutton,
Ortner & Ortner, aber auch der achtgeschossige Bau aus Stahl und Glas des
"Zentrums für Informations- und Medientechnologie" der holländischen
Baumeister Michiel Cohen und Jan Pesman.
(Potsdam-Mittelmark)