Märkische Allgemeine Zeitung 16.03.06
JOSEF DRABEK
KLEINMACHNOW Der dritte Vortrag im Industriemuseum zum
100-jährigen Bestehen des Teltowkanals wurde durch den Unternehmerverband
Brandenburg e. V. gestaltet. Die vom Bezirksgeschäftsführer Norbert Gölitzer
moderierte Veranstaltung war gleichzeitig die zweite Folge des diesjährigen
regionalen Wirtschaftsforums "TelTalk", das seit längerem erfolgreich
durchgeführt wird. Nächster Höhepunkt wird der Technologie-Tag in Teltow am 7.
April zum Thema "Telematik verbindet Technologien" sein.
Den Hauptbeitrag leistete Hartmut Brockelmann, Leiter des
Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin, zur Thematik "Der Teltowkanal als
Wirtschaftsfaktor in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft". Das Amt ist im
Dienstbereich für Betrieb und Unterhaltung der Bundeswasserstraßen
verantwortlich, darunter auch für den Teltowkanal.
Laut Brockelmann hat das Projekt 17 von 1990/91 nicht der
Realität entsprochen. Damit nahm er Abstand von Ausbauaktivitäten an der
"Südtrasse". Mehrere der 14 Häfen haben ohnehin viel an Bedeutung
verloren. Umso erfreulicher sind Arbeiten im Bereich Kilometer 21 bis 28 mit
einer Summe von 77 Millionen Euro, die Investitionen von 30 Millionen Euro im
Hafen Königs Wusterhausen und die Uferbefestigungen Richtung Britzer
Verbindungskanal.
Abgesehen von Ausweitungen bis maximal fünf Meter steht
die Erhaltung der dramatisch verschlechterten Bausubstanz im Vordergrund. Dabei
geht es um Befestigung der Erosionsstrecken und Beseitigung des kritischen
Zustands vieler Böschungen. Manche Gebäude sind Gefahren ausgesetzt, weil sie
in die bis zu 17 Meter hohen Hänge hinein- bzw. bis an den Kanalfuß herangebaut
wurden.
Eine weitere wichtige Aufgabe besteht
in der schrittweisen Verbesserung der Abladetiefe, d. h. des Schiffstiefgangs
im Ruhezustand. Sie beträgt auf der Reststrecke 1,75, im übrigen Kanalteil 2
und soll auf 2,20 Meter ausgebaggert werden. Eine um 10 Zentimeter größere
Tiefe bedeutet eine mögliche Mehrbeladung der Schiffe um 100 Tonnen. Allerdings
bereitet die Verbringung und Kontaminierung des Baggermaterials erhebliche
Probleme und Kosten. Kleinstaatlicher Föderalismus behindert die
länderübergreifende Verklappung und erzeugt Preisunterschiede von 22,50
Euro/Tonne in Sachsen-Anhalt und 350 Euro/Tonne in Berlin. Darunter leiden
Infrastruktur und Wirtschaft, die der Kanalbau einst hervorgebracht hatte.
Wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Relevanz der Wasserstraße
ist das Verkehrsaufkommen an der Schleuse Kleinmachnow. Seit der Wende hat sich
die Verkehrstonnage von 3 Millionen Tonnen auf 380 000 Tonnen im Jahre 2003
verringert, wobei bis 2005 ein Zuwachs auf rund 850 000 Tonnen zu verzeichnen
ist. Passierten die Schleuse 1994 noch 6852 Güterschiffe, sank deren Zahl 2003
auf 2570, die der Fahrgastschiffe von 512 auf 135.
Ein Grund für den rückläufigen Gütertransport liegt laut Brockelmann
darin, dass die Wasserwege vom Bund nicht so gut gestellt seien wie andere
Verkehrsträger und somit höhere Kosten verursachen. Hoffnungen ergeben sich aus
dem seit 2003 wieder gestiegenen Verkehrsaufkommen. Auch die 300 000 Tonnen
Schutt vom Abriss des Palastes der Republik und die durch China aufgekauften
Stahlträger sollen auf dem Wasserweg transportiert werden.
Die Zahl der geschleusten Sportboote stieg deutlich von
3438 im Jahre 1994 auf 4682 im Jahre 2003. Diese Tendenz veranlasste Brockelmann
zu der sarkastischen Bemerkung, der Kanal verkomme zu einem touristischen
Gewässer.
Hieran knüpfte der SPD-Landtagsabgeordnete Jens Klocksin
sein "kanalpolitisches Credo". Es ginge um die
"Ertüchtigung" des Kanals als Transportweg und um seine Nutzung als
Tourismusgewässer. Wasserstraße und Region hätten eine andere Funktion bekommen.
Daher müsse das touristische Umfeld qualitativ aufgewertet werden. Darin lägen
Chancen und Perspektiven des Teltowkanals.
Die nächste Veranstaltung in der Reihe "100 Jahre
Teltowkanal" findet am 12. April um 17 Uhr wieder im Kleinmachnower Industriemuseum
statt. Thema: Der Teltowkanal als ehemalige Grenze.