Märkische Allgemeine Zeitung 08.03.06
THOMAS VIEWEG
" Der Inarisee. Die Perle unter den Seen von
Finnland. Der nördlichste See der Welt. Das ist ein Gefühl mein Lieber",
sagt der Polizist Karl-Heinz alias Peter Franke zu Hannes alias Joachim Król.
"Wenn man in der Herbstsonne am Strand des Inarisees sitzt. Stille.
Einsamkeit."
Mit dem Film "Zugvögel. Einmal nach Inari" hat
Peter Lichtefeld im Jahr 2001 dem im nördlichsten Zipfel Finnlands gelegenen
See ein Denkmal gesetzt und damit der Sehnsucht nach Langsamkeit und Naturgenuß.
Regisseur Lichtefeld verzichtete in dem Streifen mit Peter Lohmeyer und Król in
den Hauptrollen auf schnelle Schnitte. Statt dessen wurde mit dem Fernweh nach
dem Inarisee der Genuß der unberührten Natur thematisiert.
Jetzt liegt die Inari nicht in Lappland, sondern im
Teltowkanal. Jugendliche haben sie nah der Machnower Schleuse vorsichtig ins
Wasser gehoben. Wieso die Inari? "Wir haben unsere Vierer nach Seen in
Norwegen und Finnland benannt, die Zweier nach Fjorden", erläutert Stefan Biastock.
Der Vorsitzende des Ruderclubs
Kleinmachnow-Stahnsdorf-Teltow e.V. ist heute mit neun Kindern und Jugendlichen
aufs Vereinsgrundstück gekommen. Nach der Inari wird auch die Saimaa ins Wasser
gesetzt. Beide haben anders als Rennruderboote rundere, breitere Rümpfe.
Denn was Biastock mit den Jugendlichen trainiert und was
der Verein praktiziert ist nicht das schnelle Wettkampfrudern.
"Wanderrudern ist Verreisen mit dem Boot", lautet die Philosophie des
am Teltowkanal angesiedelten Vereins. Die Sportler sollen die Natur um sich herum
wahrnehmen und genießen.
"Wanderrudern ist Breitensport, während
Wettkampfrudern meist nur von Wenigen betrieben wird", stellt Stefan Biastock
klar. Der Unterschied zwischen Wettkampf- und Wanderruderern ist dem
Vorsitzenden nicht nur wichtig, sondern hat auch zur Gründung des jungen Clubs
geführt. Ins Leben riefen ihn vor fünf Jahren zehn Berliner Ruderer, genau in
dem Jahr, in dem Lichtefeld den Inarisee auf die große Leinwand brachte. Den
Berlinern war das Rudern im Verein am Wannsee zu teuer geworden.
"Dort setzt man zu sehr auf das
Renommee durch einige Spitzensportler und für die breite Masse bleibt nichts
übrig." Im Jahr 2001 taten sich die Gleichgesinnten zusammen und ließen
zunächst vom Autoanhänger aus ihre Boote am Machnower See zu Wasser.
Auf der Suche nach einem festen Vereinshaus fanden sie im
April 2002 ein Grundstück am Teltowkanal. Sie pachteten ein kleines Anwesen auf
der Stahnsdorfer Seite der Wasserstraße, nah an der Machnower Schleuse. Das
selbst erklärte Credo vom Breitensport setzten die zehn Berliner konsequent um,
in dem sie neue Mitglieder warben. Dadurch ist der Verein längst fest in
Brandenburger Hand. Von den 43 Wanderruderern kommen nur zehn Prozent aus der
Bundeshauptstadt, schätzt Biastock. "40 Prozent sind Kleinmachnower, 30
Prozent Stahnsdorfer und 20 Prozent kommen aus Teltow." Wie die
Wasserstraße verbindet der Verein so Brandenburg mit Berlin und die Region
selbst.
"Die Höhepunkte unseres Sports sind natürlich die
Reisen", schwärmt der Vereinsvorsitzende. Regelmäßig werden Touren auf
deutschen Gewässern unternommen. Wer sich hier bewährt und genügend Erfahrung
besitzt, darf an Fernreisen teilnehmen, die schon nach Frankreich, Schweden,
Tschechien oder eben ins finnische Lappland zum Inarisee führten.
"Das sind unvergeßliche Erlebnisse." Stefan Biastock
war einer der acht Abenteurer, die sich in die in Europa kaum noch zu findende
Wildnis rund um den finnischen See wagten. Das Fernweh nach Lappland, dem
Regisseur Lichtefeld mit "Zugvögel" ein filmisches Denkmal setzte, es
hat auch ihn und seine Mitstreiter erfasst.
Ist der Teltowkanal für Ruderer, die das Naturerlebnis
suchen, nicht langweilig? "Sicher ist er eintönig", aber die
künstliche Wasserstraße biete auch Vorteile.
Schnell könne man andere Gewässer in Berlin und
Brandenburg erreichen, und, so betont der Vorsitzende, das Gewässer friere dank
Einleitungen im Winter nicht zu. "So können wir ganzjährig
trainieren."
Die Inari und die Saimaa sind zum Ablegen bereit. Stefan Biastock
macht den Steuermann. Und schon rudern die jungen Leute in den Abend auf dem
Teltowkanal hinein - angetrieben vom Fernweh und der Lust auf Touren durch unberührte
Natur.
Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal
(Potsdam-Mittelmark)