Märkische Allgemeine Zeitung 01.03.06

Ein Haus voll Herrlichkeit
Tek km 13,70: Diakonissenhaus / "100 Jahre Teltowkanal" (Teil 27)

JOSEF DRABEK
Am südwestlichen Ende des Ortsteils Seehof, begrenzt von Lichterfelder Allee, Zehnruthengraben und Osdorfer Straße, steht der Komplex des Evangelischen Diakonissenhauses Berlin-Teltow. Seine Geschichte reicht bis 1841 zurück, als der "Verein zur Besserung weiblicher Gefangener" in Berlin ein Aufnahmeheim für strafentlassene junge Frauen eröffnete: das "Magdalenenstift". Idee und Name dieser seelsorglich-erziehenden Einrichtung gehen auf die Büßerin Maria Magdalena zurück, die durch Jesus Heilung und Hilfe erfuhr.

Mit königlicher Unterstützung erhielt das Stift 1843 ein eigenes Haus und bezog 1867 neue Gebäude in Plötzensee. 1876 schlossen sich die Erzieherinnen zu einer Schwesternschaft zusammen, welche die Kaiserswerther Diakonissenordnung übernommen hatte. Eine der Schwestern eröffnete 1881 in Pankow eine Filiale, in der erziehungsgefährdete Kinder und Jugendliche betreut wurden. 1885 erfolgte die offizielle Anerkennung als milde Stiftung, die sozialen Dienst an betroffenen Frauen und deren Kindern leistet.

Als von Plötzensee weggezogen werden musste, erwarb man im Juni 1900 "nahe bei Teltow an dem dortigen See" ein Grundstück von 14 Morgen. Auf diesem Gelände wurden in nur einem Jahr Gebäude für etwa 100 Zöglinge und 20 Schwestern gebaut. Ende Juli rollten die Umzugskremser und am 24. September 1901 fand die feierliche Einweihung des neu erstandenen Magdalenenstiftes Berlin statt.

Anfängliche Spannungen und Auseinandersetzungen über Wege und Mittel der Erziehung von Kindern und Jugendlichen sowie die rechte Zuordnung von geistlichem Handeln und fachlichem Können konnten bald überwunden werden. Nach Geländezukäufen, baulichen Veränderungen und Erweiterungen wuchs die Anstaltsbewohnerschaft auf 202 Personen und erhielt 1906 den Status einer selbstständigen Kirchengemeinde. 1912 wurde das Stift in "Evangelisches Diakonissenhaus Berlin-Teltow" umbenannt.

Das "Frauenseminar für Erziehungsarbeit und Jugendpflege" wurde ab 1923 als Fürsorgerinnen-Seminar weitergeführt, bis es die Nationalsozialisten 1933 schlossen. Im gleichen Jahr konnte eine staatlich anerkannte Kinderpflegerinnen- und Haushaltsschule eröffnet werden, die 1938 ihre Arbeit beenden musste. Zum Programm kamen Lehrkochen, Gymnastik, Leibesübungen und kreative Gestaltung hinzu.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das 1927 eingeweihte Krankenhaus Lazarett. Bombenabwürfe zerstörten sein Dach, trafen Mutterhaus und Kapelle, Sonnenhof-Wohnhaus, Scheune und Stall. Täglich mussten an die 500 Hilfsbedürftige versorgt werden. Nach Kriegsende wurde es Hilfskrankenhaus, betrieb die Entbindungsstation weiter, nahm tuberkulös gefährdete Kinder auf und versorgte Patienten aus Teltow und Umgebung. Die als "Diako" bekannte Einrichtung entwickelte sich zu einem anerkannten internistischen Fachkrankenhaus, das seine Arbeit als Innere Abteilung des Evangelischen Krankenhauses Ludwigsfelde-Teltow schließlich nach 2002 fortführen konnte.

Neue Kräfte waren durch die Vereinigung mit dem Diakonissenmutterhaus Bethanien aus Kreuzburg in Oberschlesien erwachsen. Die vertriebenen Schwestern hatten nach schmerzlicher Odyssee 1948 in Teltow eine neue Heimstatt gefunden. Ihr Erbe in Gestalt von Gemeindediakonie, Kinder- und Krankenpflege floss in die Arbeit ein.

Seit 1946 gab es biblisch-diakonische Kurse zur Berufsfindung junger Mädchen, 1956 begannen Ausbildungen in Wirtschaftdiakonie, 1964 wurde ein Seminar für Heilerziehungspflege ins Leben gerufen. Zum Hauptarbeitszweig entwickelte sich die Pflege und Förderung von Menschen mit geistiger Behinderung. In diesem Rahmen kam es 1972 zur Eröffnung einer Sondertagesstätte und Einrichtung spezieller Werk- und Wohnstätten.

Nach der Wende waren Strukturen anzupassen, Modernisierungen und bauliche Veränderungen durchzuführen. Aus der Sondertagesstätte für geistig behinderte Kinder ging die Förderschule Hans-Christian-Andersen hervor. Die Integrationskindertagesstätte sowie die Frühförder- und Beratungsstelle für Eltern und Kinder sind die einzigen ihrer Art im Landkreis. Die Altenhilfe betreibt Senioren- und Altenpflegeheime sowie Häuser für altersgerechtes Wohnen. Die Ausbildungstradition der Wirtschafts- und Heilerziehungsdiakonie setzt sich in der Berufsfachschule für sozial-pflegerische Berufe und der staatlich anerkannten Dietrich-Bonhoeffer-Fachschule für Sozialwesen fort.

Vor zwei Jahren erfolgte die Vereinigung mit dem Luise-Henrietten-Stift Lehnin zur Stiftung "Evangelisches Diakonissenhaus Berlin-Teltow-Lehnin" mit nunmehr 2000 Mitarbeitern in Berlin und Brandenburg. Sie blicken auf eine lange Tradition zurück: Das Mutterhaus hat seit 105 Jahren seinen Sitz in Teltow. Die Schwesternschaft begeht ihr 130-jähriges Bestehen. Ihr Wirken verkörpert 165 Jahre praktisches Christentum. Angesichts dieser Jubiläen gilt der Hausspruch aus dem Prophetenbuch Haggai mehr denn je: "Ich will dies Haus voll Herrlichkeit machen."

Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal (Potsdam-Mittelmark)