Märkische Allgemeine Zeitung 01.02.06
Vom Teltow nach Europa
Tek km 20,42 und 21,39: Bahnbrücken / "100 Jahre
Teltowkanal" (Teil 19)
PETER HAHN
Zwischen Berlin und dem
Teltow müssen einige Gleise den Teltowkanal überwinden. Da sind die S 1
Potsdam-Oranienburg, S 26 Teltow-Potsdamer Platz, S 2 Blankenfelde-Bernau, S 8
Zeuthen-Grünau-Hennigsdorf, S 85 Grünau-Waidmannslust, S 9 Flughafen
Schönefeld-Spandau, S 45 Flughafen Schönefeld-Gesundbrunnen und S 46 Königs
Wusterhausen-Gesundbrunnen. Und da sind vor allem die Strecken der Potsdamer,
Magdeburger, Anhalter, Dresdner und Wetzlarer Eisenbahn, auch der Friedhofs-,
Neukölln-Mittenwalder-, Wannsee- und Königlichen Militärbahn von Schöneberg zum
Kummersdorfer Forst, die inzwischen von DB, Connex und NME oder gar nicht mehr
bedient werden.
Elf Eisenbahnlinien
führten von sieben Bahnhöfen nach allen Richtungen. Lässt man den durch
Umbenennungen gebeutelten Ostbahnhof beiseite, obwohl gerade er, ob als
Frankfurter Bahnhof, Niederschlesisch-Märkischer Bahnhof, Schlesischer Bahnhof
oder auch Hauptbahnhof, die für Berlin innovativsten Ankünfte aus Osteuropa zu
vermelden hatte, dann hatten die den Altkreis Teltow tangierenden Linien vor
allem den Süden und Westen erreichbar gemacht: Vom Potsdamer Bahnhof nach
Magdeburg, Nordhausen, Kassel, Frankfurt am Main, Braunschweig, Köln, Paris und
London, vom Anhalter Bahnhof am Askanischen Platz nach Leipzig, Halle, Erfurt,
Dresden, Prag und Wien, vom Görlitzer Bahnhof an der Wienerstraße nach Cottbus,
Görlitz, Budapest, Bukarest, Basel, Zürich und Mailand.
Die Stadtbahn verband
den Osten und Westen, die Ringbahn umkreiste die Stadt und mit dem Bau des
Nord-Süd-Tunnels wurde der Teltow mit Oberhavelland und Barnim verbunden.
Berlin saß wie eine Spinne in einem Schienennetz, das sich in der Umgebung
unzählige Male verästelte. 1928 gab es täglich 516 Fernzüge inklusive 171
D-Zügen mit 82 000 ankommenden und abfahrenden Reisenden, über 28 Millionen im
Jahr. 1927 wurden auf den fünfhundert Kilometern der Stadt-, Ring- und
Vorortstrecken (157 Bahnhöfe) 359 Millionen Fahrgäste befördert, täglich also
rund eine Million.
Mit dem Blick auf die Historie erscheinen die markigen
Worte des heutigen Bahn-Konzerns in einem anderen Licht. Sechzehn Jahre nach
der Wiedervereinigung, um nur bei dem einst schon vorhandenen Streckennetz zu
bleiben, fällt die Bilanz von DB und S-Bahn (zumindest für den Teltower
Bereich) nicht gerade rosig aus.
Seit 2005 fährt die S 26
(nur eingleisig) nach Teltow-Stadt. Die neue Strecke nimmt kurz nach
Lichterfelde Süd die Kurve zur Teltower Ortsmitte. Ein Weiterbau nach
Machnow-Süd, Stahnsdorf und weiter über Stahnsdorf-Friedhof bis Dreilinden wäre
durchaus möglich, obwohl auf Teilstücken der seit dem frühen 20. Jahrhundert
freigehaltenen Trasse durch die kurzsichtige Bauleitplanung der Gemeinde
Stahnsdorf und einem im 16. Einheitsjahr noch immer nicht vorhandenen
Flächennutzungsplan einige Flächen "problematisch" würden.
Da sich die Teltower
S-Bahn-Euphorie bisher in überschaubaren Grenzen hält, darf daran erinnert
werden, dass früher die S-Bahn-Züge von Lichterfelde-Süd parallel zur Anhalter
Bahn bis zur Endstation S-Bahnhof Teltow (Heinersdorf) fuhren. Geplant und bis
1943 im Bau war die Verlängerung nach Teltow-Süd, Großbeeren-Nord, Großbeeren
und weiter bis Ludwigsfelde.
Die S-Bahn-Strecke
zwischen Potsdam und Wannsee ist teilweise eingleisig, so dass eine
eigenständige Linie von Potsdam über Charlottenburg zur Berliner Mitte wohl
noch immer nicht möglich ist. Und schließlich gab es noch die Gleise der
Stammbahn mit einer Verbindung vom S-Bahnhof Zehlendorf über Düppel,
Kleinmachnow und Dreilinden nach Griebnitzsee. Nicht zu vergessen die S 2 nach
Blankenfelde, deren Endstation einst der S-Bahnhof Rangsdorf war - mit Plänen
für eine Verlängerung nach Zossen.
Ein bisschen ist es schon so, dass die Deutsche Bahn über
ihre Prestigeprojekte die Verästelung in und mit der Umgebung vernachlässigt
hat. Aus dem Spinnennetz wurde ein "Pilzkonzept". Dass eine
Nord-Süd-Verbindung für die Fernbahn schön wäre, haben einige schon vorher
überlegt. Die Pläne sind also nicht neu. Albert Speer gehörte mit seiner
gigantischen Zentralstation "Südbahnhof" irgendwie auch dazu. Aus all
diesen Ideen entsteht nun nahe dem Teltow mit dem "Bahnhof Südkreuz"
der zweitgrößte Fernbahnhof Berlins mit Umsteige zur S-Bahn.
Bevor die DB nach der
Umbenennung des Lehrter Bahnhofs zum ziemlich einfältigen Begriff
"Hauptbahnhof" noch einmal Berliner Geschichte entsorgt, sei daran
erinnert, dass die 1901 eröffnete Station nach Alexander August Wilhelm von
Pape benannt wurde. Der General war für Kaiser Wilhelm II "das Vorbild
eines altpreußischen Soldaten" und nach den Herren von Wartensleben,
Wrangel, Gneisenau und Möllendorf einer der Gouverneure von Berlin.
Gemocht wurde das aus
märkischen Gelbklinkern errichtete Bahngebäude nie, nicht, weil sein
burgenhaftes Aussehen hässlich war, es waren die mühsamen Umsteigewege von
Ringbahn zu Vorortbahn durch Tunnel und über Treppen. Entstanden ist dieser
Kompromiss einst durch Trennung und Gleisverlegung von Fern- und Vorortverkehr
der Anhalter und Dresdner Bahn. Fernzüge fuhren hier schon lange nicht mehr.
Papestraße war ein S-Bahn-Kreuz. Der Abriss des alten Empfangsgebäudes war nur
noch eine Frage der Zeit.
Jetzt entsteht auf einem
Areal von 140 000 Quadratmetern für mehr als 100 Millionen Euro ein neuer
Bahnhof mit 50 000 Quadratmeter überbauter Fläche als Kreuzung für den Fern-,
Regional- und S-Bahn-Verkehr der Nord-Süd-Strecken und den Ost-West-Linien der
Ringbahn. Ein wirkliches "DB-Südkreuz" kann es nicht werden, weil
sich hier Fernzüge nur mit der S-Bahn kreuzen. Viel grauer Beton ist zu
besichtigen und eine alles überdeckende Halle aus Glas und Stahl, die ziemlich
groß und weitläufig geraten ist.
Ab 28. Mai 2006 soll der
Bahnhof mehr bringen: ICE Hamburg-Berlin-Leipzig-Nürnberg-München und
Berlin-Frankfurt/Main-Stuttgart-Basel; IC Hamburg-Berlin-Dresden-Prag und
Stralsund-Berlin-Erfurt-Dortmund; RE
Stralsund-Schwedt-Angermünde-Berlin-Wünsdorf-Elsterwerda-Senftenberg,
Wismar-Wittenberge-Spandau-Jüterbog und
Rostock-Stralsund-Neustrelitz-Gesundbrunnen-Ludwigsfelde-Jüterbog-Falkenberg-Lutherstadt
Wittenberg.
In den Teltow geht's
natürlich auch: Über die Brücken des Teltowkanals beim Kilometer Tek km 20,42
mit der S 26 nach Teltow Stadt und beim Kilometer Tek km 21,39 mit der S 2 nach
Blankenfelde.
MAZ-Serie "100
Jahre Teltowkanal" unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal
(Potsdam-Mittelmark)