Märkische Zeitung 28.01.06
Villen und Siedlungshäuser
Tek km 13,70: Seehof / "100 Jahre Teltowkanal"
(Teil 18)
JOSEF DRABEK
Vor dem Bau des
Teltowkanals erstreckte sich nordwestlich des Teltower Ortsteils Seehof ein
etwa zwei Kilometer langer von der Bäke durchflossener Rinnensee. Er wurde
Heidensee, Hegesee, Heegersee und schließlich Teltowsee genannt. Das Gewässer
reichte von der südwestlichen Einmündung des Zehlendorfer Stichkanals bis an
die Wismarer Straße.
Im Jahre 1837 hatte der
Teltower Ackerbürger Neumann südöstlich davon 418 Morgen Land erworben und
darauf ein Gehöft gebaut. Fünfzehn Jahre später verkaufte er Grund und Boden an
den jüdischen Geschäftsmann Jacobson. Bald darauf stand im Amtsblatt der
Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin: "Dem auf der
Feldmark der Stadt Teltow, südöstlich des Weges nach Giesendorf (Lichterfelde)
und Marienfelde, kurz vor der Scheidung dieser Wege belegenen Ackerbürgergehöft
des Banquieurs und Stadtraths Dr. Jacobson ist der Name 'Seehof' beigelegt
worden. Potsdam, den 22. December 1856." Das Anwesen mit fünf
Wirtschaftsgebäuden, Wohnhäusern und neunzehn Bewohnern gab dem Areal fortan
seinen Namen.
Dieses gelangte 1870/71
in die Hand des jüdischen Kaufmanns Max Sabersky, der ein Getreide-, Spiritus-
und Stärkekommissionsgeschäft sowie eine Sirupfabrik betrieb. Gemeinsam mit
seinem Bruder Albert schuf er dort in begrenztem Maße Bauland. Wohlhabende
Berliner siedelten gern in einem Gutsbezirk, weil sie dort nicht zu
Gemeindeabgaben herangezogen werden konnten.
Den der Stadt Teltow
gehörenden See kaufte der Lichterfelder Rittergutsbesitzer Johann Anton Wilhelm
von Carstenn für 56 000 Taler, um ihn mit fiskalischer Unterstützung
touristisch zu erschließen. Angedacht waren unter anderem eine Dampferlinie mit
Anlegestelle und ein Schwimmbad. Wegen zunehmender finanzieller Schwierigkeiten
musste er das Gewässer an die Sabersky-Brüder abtreten.
Ab den siebziger Jahren
des 19. Jahrhunderts entstand auf dem Areal eine Reihe von Villen und
Landhäusern. Max Sabersky ließ das Gutshaus in historisierendem Stil umbauen
und sein Wappen am Giebel oberhalb des Wintergartens anbringen. Sein Bruder
Albert baute sich in der Nähe eine prächtige Villa mit einem Wohnturm.
Bald wurde Seehof, begünstigt durch die Straßenbahnverbindung zwischen
Großlichterfelde und Kleinmachnower Schleuse, ein beliebtes Ausflugsziel der
Berliner. Gartenlokale, Gärtnereien und eine Baumschule unterstrichen das
ländliche Flair. Im See konnte man an drei Stellen baden. Im Sommer tummelten
sich Segler und Ruderer, im Winter Eisläufer. Wurde die Eisdecke über zwanzig
Zentimeter dick, rückte das Eiswerk August Liepe (Eis-Kaatsch) an und brach Blockeis
für Gaststätten, Fleischereien und Haushalte.
Die ursprünglichen Kanalbaupläne sahen vor, den Teltowsee zu erhalten und das
Kanalbett am nördlichen Uferrand vorbeizuführen. Davon musste Abstand genommen
werden, weil Bodenspekulanten von der geplanten Linienführung erfuhren, Gewinne
bis zu 40 000 Reichsmark pro Hektar erzielten und danach exorbitante
Forderungen an den Kreis Teltow stellten. Das Ende des Sees war besiegelt. Mit
dem Bau des Teltowkanals verschwanden See und Idylle. Geblieben sind noch Namen
wie Seepromenade und Kolonie Seeboden.
Nach dem Ableben von Albert und Max Sabersky fiel Seehof nach 1907 an eine
Erbengemeinschaft um den Rechtsanwalt Fritz Sabersky. Er vermietete das
Wohnhaus und übertrug die Bewirtschaftung des Gutshofes einem Verwalter.
Zwischen 1934 und 1940 erfolgte schrittweise der Verkauf des Besitzes, ob
geplant oder unter Druck der Nationalsozialisten ist nicht restlos geklärt.
Rund eintausend Parzellen gingen an Neusiedler zum Eigenheimbau. Seehof wurde
großflächig bebaut - mit vielen kleinen Straßen und Wegen.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gutshaus sowjetische Kommandantur und
später Ambulatorium. Heute beherbergt es zwei Zahnarztpraxen und ein
Dentallabor. Die Sabersky-Villa präsentiert sich in neuer Schönheit, auf die
andere Landhäuser noch warten. Weil eine "Erbengemeinschaft Sabersky"
nach der Wende Hunderte Grundstücke in Seehof zurückforderte, hielten sich die
jetzigen Eigentümer mit Investitionen zurück. Ansprüche der Erben sind
inzwischen weitgehend geklärt. 2006 kann Seehof, seit 1964 ein Ortsteil von
Teltow, auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken. Mit der Rechtssicherheit
steigen nun die Chancen, dass weitere Häuser saniert werden.
PS: Nachzutragen ist, dass sich unweit des Gutshofes der Berliner Bankier und
Großhändler Kunze ein spätklassizistisches Domizil errichten ließ. Die Villa Erica
wurde später zum Zentrum eines Kurkomplexes mit einem Bettenhaus für sechzig
Gäste. Geboten wurden Bäder, Heilgymnastiken, Elektromassagen und Inhalationen.
1921 erwarb der Bühnenpartner der Wagner-Sängerin Meta Seinemeyer, Kammersänger
Theodor Lattermann mit seiner Frau, der Altistin Ottilie Metzger-Lattermann,
die Villa Erica als Wohnhaus. Lattermann starb 1926. Die Witwe musste
Deutschland 1939 endgültig verlassen. Nach der Besetzung Belgiens wurde die Sängerin 1942 verhaftet und in
das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. Dort verliert sich die Spur.
Die MAZ-Serie "100 Jahre
Teltowkanal" steht im Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal
(Potsdam-Mittelmark)