Märkische Allgemeine Zeitung 14.12.05
Ein
General in Neubabelsberg
Tek km 00,25: Enver-Pascha-Brücke / "100 Jahre
Teltowkanal" (Teil 5)
PETER
HAHN
Enver Pascha war Politiker, General und Kriegsminister des Osmanischen
Reichs und jungtürkischer Nationalist. 1909 kam er als Militärattaché nach
Berlin. Drei Jahre wohnte er in Klein Glienicke. In dieser Zeit entwickelte er
maßgeblich die engen deutsch-türkischen Bündnisbeziehungen. Da er mit Hilfe
preußischer Militärberater und modernen deutschen Waffen das osmanische
Militärwesen reformieren wollte, genoss er als Initiator und Garant des
Militärbündnisses hohes Ansehen und außerordentliche Popularität. Das führte
dazu, dass der 1906 von Babelsberg nach Klein Glienicke errichtete
Straßenübergang 1915 den Namen "Enver-Pascha-Brücke" erhielt.
1911 verließ er Berlin. Durch einen blutigen Putsch kam er in seiner Heimat an
die Macht - mit nahezu diktatorischen Vollmachten. Er erwirkte 1914 schließlich
das Zusammengehen mit Deutschland und Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg, wo
unter seinem Oberfehl Hunderte preußische Offiziere und Tausende deutsche
Soldaten in der türkischen Armee dienten. 1915 verschärfte er den Staatsterror
gegen die Armenier, die der Kollaboration mit dem russischen Kriegsgegner
beschuldigt wurden. Seine rigorose Kriegsführung zerrüttete den inneren Zusammenhalt
des Vielvölkerstaates und machte die Araber zu entschiedenen Gegnern des
Osmanischen Reichs. Nach dem Ende des Weltkrieges musste Enver Pascha fliehen.
Er fand Unterschlupf in Neubabelsberg bei dem befreundeten Kunsthistoriker
Friedrich Sarre, dem Direktor der Islamischen Abteilung des Berliner
Kaiser-Friedrich-Museums. Zwei Jahre später schlug er sich nach Buchara durch,
um mit seinen pantürkischen Anhängern in Buchara, Ferghana und Chiwa ein neues
Kalifat mit Sitz in Samarkand zu errichten. Den Rest besorgte die Rote Armee.
Am 4. August 1922 fiel Enver Pascha bei Baldschuan, nahe der tadschikischen
Hauptstadt Duschanbe.
Als die Sieger des Schinkelwettbewerbes 2005 ihre preisgekrönten Arbeiten für
den Neubau von Parkbrücke und Enver-Pascha-Brücke präsentierten, war weder
etwas über diese Geschichte noch über eine Namensänderung zu hören. Dabei hatte
Brandenburg 2002 als erstes Bundesland den Völkermord an den Armeniern auf den
Lehrplan gesetzt. Bekannt wurde auch, dass nach einer Intervention des türkischen
Generalkonsuls die entsprechende Stelle zuerst gestrichen, später jedoch nach
Protesten der Öffentlichkeit in geänderter Form wieder aufgenommen wurde.
Die Straßenbrücke von Babelsberg nach Wannsee fehlt seit 1945. Mit einer neuen
wird auch ein neuer Name fällig.
Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im Internet unter
www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal