Märkische Allgemeine Zeitung 09.12.05

 

Gerangel um Kreis-Immobilie
Tek km 23,40: Hafen Tempelhof / "100 Jahre Teltowkanal" (Teil 4)

PETER HAHN

Die Grünen stimmten dagegen. Recht haben sie. Was aber bringt's? Das HLG Projektmanagement Münster darf ein um 30 Prozent größeres Einkaufszentrum bauen, obwohl die Ausschreibung eine Begrenzung auf 15 000 Quadratmeter festgesetzt hatte. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat somit ganz nebenbei auch beschlossen, dass am Tempelhofer und Mariendorfer Damm in Zukunft noch mehr Geschäfte leer stehen werden. Es geht um den Tempelhofer Hafen. Die 4,4 Hektar nebst einem denkmalgeschützten Speicherhaus gehörten (bis eben) den Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Dahme-Spree. Das millionenschwere Areal fiel den Nachfolgern der DDR-Kreise Königs Wusterhausen, Lübben, Luckenwalde, Zossen und Potsdam-Land 1993 mit der brandenburgischen Kreisreform zu. Da Bürokratie auch während der deutschen Teilung grenzüberschreitend funktionierte, waren sie alle zusammen Erben jenes Vermögens, das der "Altkreis Teltow" auch mit dem Teltowkanal und dem Hafen Tempelhof hinterlassen hatte.

Berlins rasante Entwicklung veranlasste damals den Kreis Teltow, mit dem Kanalbau auch besondere Hafenbecken für Groß Lichterfelde, Steglitz, Tempelhof und Britz zu bauen. So entstand am Kilometer Tek km 23,40 zwanzig Jahre vor dem Tempelhofer Ullsteinhaus auf der gegenüberliegenden Nordseite ein Hafen von etwa 170 x 70 Meter mit einer Wassertiefe von 2,10 Meter. Damit der Treidelbetrieb auf dem Schienenleinpfad, also das Schleppen der Finow- und Odermaßkähne mittels Treidellokomotiven, auch an diesen Stichhäfen durchgehend gewährleistet war, wurde die Hafeneinfahrt mit einer eisernen Leinpfadbrücke überspannt. Die Ein- und Ausfahrten der Kähne konnten in beliebiger Richtung erfolgen. Zusätzlich bekam Tempelhof einen Schiffswarteplatz im Kanalprofil außerhalb der Durchfahrtsstraße.

Die Kreis-Kanal-Kommission setzte durch, dass aus Mitteln des Kreises eine große Speicheranlage am Hafen in Tempelhof errichtet wird. Die Pläne skizzieren sowohl die Anbindung über eine Zufahrtsstraße zur ehemaligen Berliner Straße als einen Gleisanschluss. Gelöscht und geladen wurde an allen drei Hafenseiten, vor allem aber an der 170 Meter langen Kaimauer im Norden. Dort steht das 1908 mehrstöckig und feuersicher errichtete Speichergebäude, 120 Meter lang, 25 Meter breit, davor Kräne mit sechs Tonnen Tragfähigkeit, drei davon sind noch heute da. Gleich daneben die Gleise der Neukölln-Mittenwalder-Eisenbahn mit Anschluss zum Güterbahnhof Teltowkanal. Vom Tempelhofer Damm, der früheren Berliner Straße, gibt es eine Zufahrt über die Ordensmeisterstraße.

Das "Lagerhaus Hafen Tempelhof" pries in Annoncen die "hellen und luftigen Boden- und Kellerräume zur Lagerung von Getreide und Waren aller Art in jeder gewünschten Größe, eine Getreidequetsche und vorzüglichste Maschinen zur Erhaltung und Verbesserung der Waren. Gesamtlagerfläche 21 000 Quadratmeter". Zum Service gehörten "Zollabfertigung und zollfreie Niederlage im Lagerhause sowie die Ausstellung indossabler Lagerscheine für Kupfer, Zink und Blei".

Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Speicher beschädigt, während der Berliner Blockade vom 24. Juni 1948 bis 11. Mai 1949 um 24 Uhr Umschlagplatz der Luftbrücke, während des doch noch andauernden Kalten Krieges Vorratslager des Senats für die Inselstadt. Danach wurde die Anlage von der "Lagerhaus Hafen Tempelhof GmbH" verwaltet.

Als bekannt wurde, dass die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Dahme-Spree über einen Verkauf nachdenken, begann in Tempelhof-Schöneberg das Gerangel. Ein Architekturbüro plante eine "urbane Mischung aus Kultur, Kommerz und Wohnen", die schwächlich-alternative Ufa-Fabrik sah einen "Hafen der Kulturen" mit Ökokaufhaus, Solaranlage, Jugendherberge, Ateliers, schwimmender Hafenbühne und Biergärten vor.

Da zwei der drei Kreise verkaufen wollten, Potsdam-Mittelmark seinen Anteil lieber behalten wollte, was allein vernünftig gewesen wäre, alle drei Landkreise aber mit defizitären Haushalten glänzen, war es mit der Einflussnahme aus Berlin nur eine Frage der Zeit. Verkauft wurde schließlich an den Bestbietenden. Von rund 17 Millionen Euro wird gesprochen, auch davon, dass nach Ansicht von Landrat Martin Wille "der Tempelhofer Damm einen richtigen Hingucker mit tollen Angeboten erhält, der auch viele Märker ins südliche Berlin locken wird". Eigentlich ist es ihm egal, weil der Landkreis Dahme-Spree von der letztlich gezahlten Summe 40,7 Prozent, Teltow-Fläming 39,5 Prozent und Potsdam-Mittelmark 19,8 Prozent erwarten können.

Die Euphorie am Tempelhofer Teltowkanal ist nun groß, ein Meilenstein soll gesetzt und 80 Millionen Euro investiert werden. Selbst der Wiederaufbau der Leinpfadbrücke über der Hafeneinfahrt ist geplant. Wer's glaubt, soll schon jetzt selig werden.

Bedauerlich ist, dass sich die drei Brandenburger Landkreise nicht einigen, auch nicht den unternehmerischen Ehrgeiz aufbringen konnten, dort etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, um schließlich auch Mehrwert für ihre Regionen zu erwirtschaften. So wird Übliches für Berlin entstehen, ein Kulturkommerzhafen, "Tag und Nacht belebt", in dem die Märker ihr Geld lassen können.

Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal . (Potsdam-Mittelmark)