Märkische Allgemeine Zeitung 07.12.05
Der
Vater des Kreises Teltow
Tek km 12,60: Landrat Ernst von Stubenrauch bleibt
unvergessen / "100 Jahre Teltowkanal" (Teil 3)
JÜRGEN
STICH
Als
Leutnant der Reserve wurde er dem 1. Garde-Regiment zugeteilt und gewann auf
diese Weise Zutritt zu den Kreisen des adligen Offizierskorps. In dieser Zeit
soll Stubenrauch den jungen Prinzen Wilhelm kennen gelernt haben, den späteren
Kaiser Wilhelm II., der ihm zeitlebens in Freundschaft verbunden blieb und
seine Projekte stets förderte.
Gegen den Willen des Kreistages, der mit dem
Amtsvorsteher von Oppen aus Adlershof einen eigenen Kandidaten präsentierte,
schlug der Potsdamer Regierungspräsident den 32-jährigen Stubenrauch 1885 als
Landrat des Kreises Teltow vor. Den schwankenden Innenminister Robert von
Puttkammer ließ der junge Regierungsassessor wissen: "Wenn Eure Exzellenz
den Mut haben, mich hinzuschicken, ich habe den Mut, hinzugehen."
Aus den Händen des alten Kaisers Wilhelm I. empfing
Stubenrauch im Schloss Babelsberg am 18. August 1885 seine Bestallung zum
Landrat. Was der energiegeladene, im Volksmund familiär, aber respektvoll als
"Budenqualm" titulierte, Verwaltungschef in den folgenden zwei
Jahrzehnten im Kreis Teltow vollbrachte, hat die Erwartungen seiner
Vorgesetzten weit übertroffen.
Stubenrauch schöpfte die Kompetenzen, die ihm die
Kreisordnung von 1872 als Landrat zubilligte, voll aus. Mit eigenem Etatrecht
ausgestattet, ging er daran, Chausseen auszubauen und Krankenhäuser zu
errichten. Mit der finanziellen Beteiligung an Verkehrsunternehmen, Wasser- und
Elektrizitätswerken sicherte er dem Kreis die Kontrolle in zentralen
Versorgungsbereichen.
Sein Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung ging soweit, dass er den Bau des Teltowkanals, eigentlich eine originär staatliche Aufgabe, allein aus Kreismitteln bestritt. Seinen Kritikern, die vor der gewaltigen Schuldenlast warnten, hielt er die "großen Werte" entgegen, die "dem Kreis Teltow und seinen Gemeinden reichen Nutzen bringen werden".
Stubenrauch behielt recht: An den Ufern des Kanals
entstanden zahlreiche Industriegelände und Werften. Das für den Treidelbetrieb
errichtete Elektrizitätswerk in Schönow machte die Stromversorgung für
Straßenbahnen und in zahlreichen Gemeinden erst möglich. Außerdem bildete die
Wasserstraße die Grundlage für die kreiseigene Dampfschifffahrt, deren Flotte
bald über 25 Dampf- und Motorschiffe verfügte und sich zu einem einträglichen
kommunalen Unternehmen entwickelte.
Kaiser Wilhelm II., der den Landrat bei der Einweihung
des Kreishauses in Berlin 1891 und des Teltowkanals 1906 mit seiner Anwesenheit
ehrte, verlieh Stubenrauch bereits am 1. Januar 1900 den erblichen Adelstitel.
Erst dadurch gelang dem Bürgerlichen, der seit 1891 mit der aus dem Hause
Genshagen stammenden Freiin Frida von Eberstein verheiratet war, der endgültige
Sprung in die Klasse des Adels.
Der Vorgang zeigt, dass Ernst von Stubenrauch trotz
seiner modernen Auffassung kommunaler Verwaltung tief im monarchischen System
Preußens wurzelte. Er war ein typischer Vertreter eines wilhelminischen
Beamten, der zwar die "Hydra der Instanzen" beklagte, aber eben auch
gegen die "demokratische Flut" und "alle bösen Geister"
antrat, "die an dem gesunden Körper unseres Volkes nagen". Seiner
Beliebtheit in der Bevölkerung tat dies keinen Abbruch.
Der hünenhafte, 1,83 Meter große Landrat mit dem aufgezwirbelten
Schnurrbart strahlte väterliche Autorität aus. Nach dem Zeugnis seines
langjährigen Mitarbeiters Adolf Hannemann, erfreute sich Stubenrauch "in
allen Schichten der Kreisbewohner und darüber hinaus höchster Verehrung".
Der Abschied aus dem Landratsamt, den seine Berufung zum
Berliner Polizeipräsidenten am 6. Januar 1908 mit sich brachte, fiel
Stubenrauch schwer. Kurz danach verstarb der erst 56-Jährige während eines
Kuraufenthaltes an Kehlkopfkrebs. Die Trauerfeier fand in der Berliner
Garnisonkirche am 8. September 1909 statt. An der damaligen Kreisgrenze, dem Tempelhofer
Feld, erwartete eine Abteilung berittener Gendarmen den Trauerzug.
Auf dem Weg nach Genshagen, wo Ernst von Stubenrauch auf
dem Kirchhof gegenüber dem Gutshaus seine letzte Ruhestätte fand, nahmen
Hunderte Teltower Kreisbewohner Abschied. Zwischen Tempelhof und Mariendorf
überquerte das Geleit den Teltowkanal - letzte Gelegenheit für den Landrat,
sein mutiges Werk noch einmal zu grüßen.
Die MAZ-Serie "100 Jahre Teltowkanal" steht im
Internet unter www.MaerkischeAllgemeine.de/teltowkanal.
(Potsdam-Mittelmark)