Märkische Allgemeine Zeitung 26.11.05
Hoffnung
in der "Schule des Lebens"
Kleinmachnow beteiligt sich an Hilfsprojekt für Tsunami-Opfer
/ Erste Zwischenbilanz wurde vorgelegt
KONSTANZE
WILD
KLEINMACHNOW Die Welle kam scheinbar aus dem Nichts. Ihre
gewaltigen Fluten rasten nach einem Meeresbeben Weihnachten 2004 auf die Küsten
Indiens, Thailands, Sri Lankas und Indonesiens zu. Sie trafen die Menschen
unvorbereitet. 400 000 starben, Überlebende verloren Arbeit, Zuhause und
Besitz. Unzählige Kinder wurden Waisen.
Die Hilfsbereitschaft in aller Welt war groß. Auch viele
Kleinmachnower wollten spontan helfen. Und in der Gemeindevertretung reifte die
Idee, sich einem Projekt zu widmen, welches den Menschen eine dauerhafte
Perspektive ermöglicht. "Kleinmachnow hilft direkt" hieß die Devise
und so beschloss man am 10. März 2005 mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark in
Thailand das Projekt "Schule des Lebens" zu unterstützen.
Als Grundschüler aus Kleinmachnow jüngst im Rathaussaal
"ihren" Scheck überreichten, waren 5820 Euro zusammen gekommen. Jung
und Alt hatten sich engagiert: Die Steinweg- und die Eigenherdgrundschule, die
Förderschule am Schleusenweg sowie die Freie Waldorfschule sammelten übers Jahr
beinahe 3000 Euro. Die Seniorenfreizeiteinrichtung und der Bund der Rentner und
Ruheständler sowie etliche Einzelspender waren aktiv und nicht zuletzt kamen
bei der Festwoche zur Rathauseröffnung 2000 Euro zusammen. Was das in Thailand
wert ist, konnte Professor Jürgen Zimmer, Präsident der Internationalen
Akademie (INA) an der FU Berlin schnell veranschaulichen. So könne von diesem
Geld etwa ein Lehrer über zwei Jahre finanziert werden. Und ganze 65 Euro koste
es, für ein Kind einen Monat lang in der "Schule des Lebens" zu
sorgen.
Zimmer,
in Steinstücken geboren und am Bodensee aufgewachsen, kam über Umwege zu seinem
Projekt in Thailand. Dank einer Friedens-Initiative seiner Großmutter, hatte
der Erziehungswissenschaftler die Aufgabe, die eingenommenen Spendengelder
sinnstiftend anzulegen. In Chiang Mai, im Norden Thailands konnten Kinder von
Aids-Opfern und Sozialwaisen so in der ersten "Schule des Lebens"
nicht nur eine Heimat finden, sondern auch beginnen, ihr Leben gleichsam selbst
in die Hand zu nehmen.
Dann kam die Welle. Und ein Hilferuf aus Namkem.
Zweieinhalb Autostunden nördlich von Phuket war nichts mehr wie vorher. Der Tsunami
hatte den Slum mitten im Katastrophengebiet völlig verwüstet. Die Leiterin von Chiang
Mai richtete spontan eine Anlaufstelle ein. "Unter dem Baum"
versammelte sie verwaiste Kinder. Mit Hilfe eines Bremer Unternehmers konnte
dieses Projekt so schnell vorangetrieben werden, dass bereits eine dritte
Schule, nahe Namkem begründet wurde. Allen gemeinsam ist die Vision, ein
soziales Gefüge zu entwickeln, welches den oft traumatisierten Kindern auch
perspektivisch ihre Existenz sichert. Dazu gehören Glück und Zuhausesein in
thailändischer Religion und Kultur genauso wie eine fundierte Bildung und
Lebenstüchtigkeit in praktischen Dingen. So haben die Kinder jüngst mit ihrem
"Lanna Jam-Projekt" ein musikalisches Dankeschön ins Internet
gestellt. Sie haben auch, so das pädagogische Konzept, Anteil am Alltag in Haus
und Hof, erfüllen kleine Pflichten, helfen in der ökologisch geführten
Landwirtschaft und entwickeln - so das Ideal - einen sozial-unternehmerischen
Geist, der ihnen als Erwachsene das Leben in schwierigen Verhältnissen sichern
soll.
Die Existenz der Schulgemeinden wiederum soll neben
Spenden, um die weiterhin gebeten wird, auch ein innovativer Tourismus sichern
helfen. So entstanden in der Nähe Gästehäuser, in denen Reisende Anschluss und
Einblick in die Alltagskultur der Gastgeber gewinnen können. Sehr berührende
Begegnungen gebe es bei dieser Art sensiblen Tourismus, erzählt Zimmer.
Gastkinder, die bei Arbeit und Spiel "schnell mittendrin sind",
wollten am Urlaubs-Ende gar nicht nach Hause. Und so geht es auch dem
wissenschaftlichen Leiter der "Schule des Lebens" - er reist und
resümiert: In ein solches Projekt kommt man schnell hinein, aber nicht wieder
heraus.
Informationen zu "Kleinmachnow hilft direkt" im
Internet: www.school-for-life.de
und www.mixed-tape.com/sfl.