Märkische Allgemeine Zeitung 19.08.2005
Sommerfeld-Siedler
bekommen Recht
Rückübertragung wird abgelehnt
MATTHIAS ANKE
KLEINMACHNOW Das Potsdamer Verwaltungsgericht hat den
Bewohnern der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung gestern mehr Rechtssicherheit
verschafft. Mit drei Entscheidungen ist sogar ein Ende der Auseinandersetzung
um die Sommerfeld-Siedlung in Sicht, so der Tenor der Juristen.
Zunächst wurde der Rückübertragungsanspruch an einem
Grundstück An der Stammbahn abgelehnt. "Dieser Fall ist exemplarisch für
weitere hundert Grundstücke mit einem Verkehrswert von insgesamt 45 Millionen
Euro", sagte Gerichtssprecher Jes Möller der MAZ.
Übliche Verkäufe an Privatpersonen
Die Richter beriefen sich in ihrem Urteil darauf, dass
nach Gesetzeslage im Vermögensrecht Rückgabeansprüche ausgeschlossen sind, wenn
Grundstücke - wie in Kleinmachnow geschehen - einst von einer
Siedlungsgesellschaft verkauft worden sind. Maßgeblich entscheidend für die
Verwaltungsrichter war dabei, dass das verkaufte Grundstück in einem
"üblichen, normalen und nicht sittenwidrigen Geschäft" veräußert
wurde. Das war 1934 und damit nach der "Arisierung" der Gesellschaft
durch die Nationalsozialisten. An ihr hielt einst der jüdische Adolf Sommerfeld
80 Prozent der Anteile. Betont wurde, dass es sich dabei um eine
"natürliche Person" handelte, die zu einem für das Unternehmen
üblichen Preis gekauft hatte.
Sommerfeld - dessen Ansprüche über die Jewish Claims Conference
(JCC) an den Kläger und Berliner Geschäftsmann Christian Meyer übergegangen
sind - sei für die Wertminderung des Unternehmens nach der Rückübertragung 1950
bereits entschädigt worden. Die Grundstücke wären vermutlich auch ohne
Enteignung Sommerfelds rechtmäßig verkauft worden.
Das Potsdamer Verwaltungsgericht hatte
Christian Meyer zwar einst eine Rückübertragung zugesprochen. Dabei lag der
Verkauf zeitlich jedoch noch vor dem per 21. April 1933 festgesetzten Datum der
"Arisierung". Doch hierbei hätte das Bundesverwaltungsgericht die
Rückübertragung per Vermögensgesetz ebenfalls verhindert, wenn es über eine
Revision hätte entscheiden müssen. Seit Bekanntwerden dieser Position der
Bundesrichter zugunsten der Kleinmachnower ist absehbar, dass selbst ein Urteil
für den Kläger Meyer in Potsdam in der höheren Instanz keinen Erfolg haben
würde. Der "Weg nach Karlsruhe", zum Bundesverfassungsgericht also,
steht dem Kläger aber noch offen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken waren
schließlich auch Argumentationsinhalt des Anwalts von Meyer und Anlass für die
Richter, die Klage als zulässig zu betrachten. Die Klausel, die
Rückübertragungen ausschließt, kam schließlich erst 1997 ins Vermögensgesetz.
Den globalen Anspruch stellte die JCC jedoch schon 1992.
Doch dieses Bedenken erwies sich als nicht
gerechtfertigt. Aus Artikel 3 des Grundgesetzes und dem Sozialstaatsgebot
folgen laut dem Kläger zwar Wiedergutmachung. Im Interessenausgleich zwischen
diesem Anliegen, nationalsozialistisches Unrecht wiedergutzumachen und dem
Schutz des Eigentums nach Artikel 14 des Grundgesetzes tendierte allerdings für
die Richter "das Pendel zugunsten der Siedler". Ihr Schutz sei höher
zu setzen als eine Rückübertragung. Dieser Spielraum stehe dem Gesetzgeber zu.
Die Begründung verdeutlichte sich gestern auch anhand von zwei weiteren richtungsweisenden
Entscheidungen für Sommerfeld-Grundstücke. Denn in beiden Fällen muss rückübertragen
werden.
Kleinmachnow verliert Millionen
Für das Gelände in den Franzosenfichten steht nicht ein
Privater im Grundbuch, dem Grundrechte zur Seite stehen, so dass ihm
Siedlerschutz gewährt werden kann, sondern die Gemeinde Kleinmachnow ist
Eigentümerin. Der öffentlichen Hand und damit Bund, Ländern und Kommunen kommt
Siedlerschutz aber nicht zugute.
Das Gelände bekam Kleinmachnow im Zuge einer Enteignung
nach 1945. Es ist jetzt bereits verkauft. Deshalb wird der Erlös in Höhe von
150 000 Euro an den Kläger übergehen. Bis zu 15 weitere solcher Fälle könnte es
noch geben. Das trifft die Gemeinde im Millionenbereich, wie Gerichtssprecher
Möller schätzt.