Märkische Allgemeine Zeitung 17.08.2005
Wegweisendes Urteil erwartet
Verwaltungsgericht verhandelt morgen erneut zur
Sommerfeld-Siedlung
JÜRGEN
STICH
KLEINMACHNOW Im Streit um die Rückübertragung von
Grundstücken in der Kleinmachnower Sommerfeld-Siedlung könnte es morgen zu
einer wichtigen Vorentscheidung kommen. Das Potsdamer Verwaltungsgericht wird
ab 10 Uhr exemplarisch über einen wesentlichen Fall verhandeln. "Das
Urteil könnte richtungweisend für die weiteren Verfahren sein, in denen es um
einige hundert Grundstücke mit einem Verkehrswert von zusammen mindestens 45
Millionen Euro geht", sagte Gerichtssprecher Jes Möller gestern zur MAZ.
Die Immobilie gehörte 1933 zum Betriebsvermögen der
Gemeinnützigen Siedlungs-Gesellschaft Kleinmachnow und war nach der
"Arisierung" dieser Gesellschaft an eine natürliche Person verkauft
worden. Als Zeitpunkt der Arisierung ist vom Verwaltungsgericht bereits in
früheren Verhandlungen zum Sommerfeld-Komplex der 21. April 1933 festgelegt
worden. Seit diesem Tag, so hatte es ein Vorstandsmitglied des Unternehmens
schriftlich dem Reichsfinanzministerium mitgeteilt, "befindet sich unsere
Firmengruppe unter rein nationalsozialistischer Leitung". Wenige Wochen
zuvor, Ende März 1933, war der jüdische Haupteigner des Unternehmens, Adolf
Sommerfeld, von SA-Leuten überfallen und in die Emigration gezwungen worden.
Sommerfelds Anteil an der Siedlungsgesellschaft betrug
zum Zeitpunkt seiner Flucht knapp 80 Prozent. Das Unternehmen hatte bereits
1927 rund eine Million Quadratmeter Land in Kleinmachnow erworben, um
Baugrundstücke einzurichten. Der Verkauf lief schleppend an. Der Großteil der
Flächen südlich der Kleinmachnower Stammbahntrasse wurde erst nach der
Arisierung veräußert. Auf dieses Land erhob Mitte der 90er Jahre die Jewish
Claims Conference (JCC) im Namen der Sommerfeld-Erben einen globalen
Rückübertragungsanspruch. Als die JCC damit zunächst keinen Erfolg hatte, trat
sie den Anspruch kostenlos an den Berliner Geschäftsmann Christian Meyer ab,
der den Fall seitdem durchficht.
Die Verhandlung am Verwaltungsgericht berührt morgen
nicht nur die meisten fraglichen Grundstücke in der Sommerfeld-Siedlung. Das
Urteil wird auch Klarheit darüber bringen, ob die Potsdamer Richter eine
Klausel des Vermögensrechts, die sie bislang nicht anwenden wollten, inzwischen
anders bewerten. Denn der Gesetzgeber hatte Rückgabeansprüche unter bestimmten
Voraussetzungen ausgeschlossen, wenn das Grundstück einst von einer
Siedlungsgesellschaft verkauft wurde. Genau dies liegt bei den meisten
Sommerfeld-Grundstücken aber vor.
Wie auch immer das Urteil des Potsdamer
Verwaltungsgerichts lauten wird, die letzte Entscheidung wird wohl erst das
übergeordnete Bundesverwaltungsgericht fällen. Auch Jes Möller geht davon aus,
dass "der wohl größte noch anhängige vermögensrechtliche Streit in
Deutschland" noch eine weitere Instanz erleben wird. Dass sie tendenziell gegen
eine Rückgabe entscheiden würden, hatten die Bundesrichter bereits Ende
vergangenen Jahres angedeutet. Ihr Grundsatzurteil wurde damals aber in letzter
Minute durch einen Vergleich im anhängigen Fall verhindert.