Märkische
Allgemeine Zeitung 22.06.2005
MATTHIAS ANKE
TELTOW Wenn die Badesaison läuft, wird aus der Hauptstadt
eingeleitetes Abwasser über Brandenburgs Flüsse stets zum Reizthema zwischen
den Ländern. Wie viel wo eingeleitet wird, hänge manchmal auch von den
betroffenen Badestellen ab, wird vermutet. Dass die Berliner ihr Abwasser auf
Kosten der Potsdamer und zum Nutzen ihrer eigenen Strände beseitigen, sei aber
ein fataler Trugschluss. Dietrich Jahn, Referatsleiter der Wasserwirtschaft in
der Berliner Senatsverwaltung macht gegenüber der MAZ klar: "Es gibt dabei
keine Willkür, sondern einen historischen Hintergrund."
In Jahns Behörde, von der die Einleitungsprozesse der
Berliner Wasserbetriebe genehmigt werden, spielt seit jeher der Teltowkanal
eine wichtige Rolle. Denn besonders in den Sommermonaten ist dieser voller
Abwässer und dann das am stärksten belastete Gewässer Berlins überhaupt. So
wird es sogar im Berliner Abwasserbeseitigungsplan zugegeben. Trotz der
Schadstoff-Rückgänge nach Stilllegung des Klärwerks Marienfelde und des Ausbaus
von Waßmannsdorf nach 1995 wird die Wasserqualität zwar nicht mehr durch bisher
hohe Ammonium-Stickstoff-Konzentrationen und gelöstem organischen Kohlenstoff
beeinträchtigt. Aber auch Niederschläge gelten als Abwasser und verunreinigen
den Kanal. Folge ist beispielsweise häufig zu beobachtendes Fischsterben.
Bislang wurden Spree und Havelteile geschont
Vom Teltowkanal aus fließt geklärtes Abwasser über den Griebnitzsee
und den Tiefen See weiter in den Templiner See. Nicht aber im Winter. Dann
nämlich wird das Wasser vom Nordwesten der Stadt über den Spree-Altarm bei
Ruhleben in die Havel, den Wannsee und Jungfernsee und erst dann weiter über
den Templiner See in Richtung Nordsee geschickt - ein beachtlicher Unterschied,
der oft mit Badestellen in Verbindung gebracht wird. Denn beide Male stammen
die rund 35 Prozent des gesamten Berliner Abwasseraufkommens aus dem Ruhlebener
Klärwerk. Die sommerliche Ableitung nach Süden über den Teltowkanal geschieht
dabei jedoch mit hohem technischen Aufwand. Bereits seit 1973 pumpt eine 15
Kilometer lange Druckleitung kostenintensiv in den Kanal, der ohnehin belastet
ist und insgesamt 70 Prozent des gesamten Berliner Abwassers aufnimmt. Die
Badestellen zwischen Tegeler See und Jungfernsee sind im Sommer also von
Rest-Schadstoffen entlastet - die trotz der Klärwerke bekanntlich noch immer
vorhanden sind.
"Noch
zur Wende wurde ganzjährig in den Teltowkanal gepumpt", stellt Dietrich
Jahn von der Senatsverwaltung klar. Die andere Möglichkeit, über Spree und
Untere Havel abzuleiten, war ausgeschöpft. "Die Spree war zu DDR-Zeiten
überproportional belastet", sagt Jahn. Dorthin sollte von Ruhleben aus
nicht auch noch Abwasser fließen. Dafür sorgten bereits die Klärwerke in
Münchehofe und Falkenberg. Doch als nach Ausbau des Klärwerks in Münchehofe und
nach Schließung des Klärwerkes Falkenberg sich die Ablaufqualität des Wasser
seit der Wende sukzessive verbesserte, konnte auch wieder ein Teil dorthin
abgeleitet werden, zumindest im Winter. Im Sommer aber muss bis heute der
Teltowkanal herhalten.
Ganzjährige Entlastung bis 2012 möglich
Die Senatsverwaltung ist sich der Problematik bewusst,
wie ihr Abwasserbeseitigungsplan aufzeigt. Darin wird perspektivisch die
ganzjährige Ableitung über die Spree erwähnt, um Kosten für die Druckleitung zu
sparen und den belasteten Teltowkanal, den Großen Wannsee und die Potsdamer
Havelseen zu entlasten bei gleichzeitiger Inkaufnahme einer Belastung der
Spree. Nur wenn dort ganzjährig eingeleitet wird, so steht es im
Abwasserbeseitigungsplan, kann die Qualität des Wassers im Teltowkanal
verbessert werden. Zuvor müssten in Ruhleben jedoch teure Keimvernichter
eingebaut werden. Bis 2012 wäre das laut Wasserbehörde zu schaffen.
Zwischenzeitlich kämen Teilstrom-Ableitungen über den Großbeerener Graben zum
Nuthegraben in Frage. Mit Hilfe solcher Ableitungen hat das Wasser dann die
Chance, im Land zu verbleiben, würde also nicht mehr vollständig in die Nordsee
verschwinden.