Märkische Allgemeine Zeitung 01.06.2005

Albert in der Zeitmaschine
Die Relativitätstheorie als Vergnügen / Grundschüler führen Einstein auf

JENS STEGLICH

KLEINMACHNOW Als Albert Einstein am 14. März 1879 in Ulm geboren wurde, glaubte seine Mutter zuerst an eine Missgeburt - wegen des großen eckigen Hinterkopfes. Er könne sich daran nicht mehr erinnern, witzelt der alte Einstein 126 Jahre später - auf der Bühne des Kleinmachnower Bürgersaales, wo er inmitten von Kindern der Steinwegschule steht. Sie haben ihm vorher schon erklärt, was passiert sein könnte. Einstein ist mit einer Zeitmaschine in die Zukunft gereist und in Kleinmachnow gelandet. Die kleine Annika drückt das so aus: "Du gehörst zu unserer Vergangenheit, bist aber in unserer Gegenwart, und wir sind in Deiner Zukunft, ganz einfach. Die Zeit hängt vom Standpunkt ab. Alles ist relativ... oder so."

Kein Zweifel: Was da in Kleinmachnow am Montag über die Bühne ging, war ein großes Spiel mit Raum, Zeit und Licht - getragen von lauter kleinen Darstellern, die zumeist die Grundschule besuchen. Regisseurin Fiorenza Renn und ihre Theatergruppe "Arlecchino" wagten sich mit ihrem Stück "Einstein in der Schule: War Albert ein Genie?" dieses Mal an eine komplizierte Materie heran - an den großen Wissenschaftler und seine Relativitätstheorie, die 2005 ihren 100. Geburtstag feiert. Und das alles sollten Kinder genauso verstehen wie manche Erwachsene, die sich die Thesen Einsteins noch nie erklären konnten. Das Experiment ist gelungen und war ein Vergnügen. Damit bei der professionellen Zeitreise aber auch alle den Überblick behalten konnten, war die Theaterbühne klar gegliedert. Vorn auf einem Ausläufer der Bühne war das Reich der Gegenwart, in dem sich die Kinder und Einstein mit Fragen löcherten - zu Beginn übrigens in englischer Sprache, lebte doch Einstein zuletzt in Princeton (USA), bevor er fiktiv nach Kleinmachnow kam.

Zwischendurch ging es immer wieder zurück in die Vergangenheit, die sich auf der Hauptbühne abspielte. Albert mit drei Jahren, der lieber mit seinem Baukasten spielte als mit seinen Cousins und Cousinen; Albert mit sieben Jahren, als er es in der Schule mit einem strengen Lehrer zu tun bekam, der gebetsmühlenartig das Einmaleins abfragte. Aus der Gegenwart heraus kommentierte der alte Einstein ab und an das Geschehen in seiner Vergangenheit: "Die meisten Lehrer vertrödeln die Zeit mit Fragen, und sie fragen, um herauszubekommen, was der Schüler nicht weiß, während die wahre Fragekunst sich darauf richtet, zu ermitteln, was der andere weiß oder zu wissen fähig ist." Ein Satz, der zu den Originalzitaten zählt, die Stückeschreiberin Fiorenza Renn mit viel Hintersinn in das Spiel einbaute.

Auch sonst benutzte sie für ihr Gedankenspiel nur Originalquellen, ließ aus der Vergangenheit die Schwester Einsteins zu Wort kommen, die einst ein Buch über ihren Bruder schreiben wollte, das aber nie erschienen ist. Mit ihrem Stück bereitete die Lehrerin der Steinwegschule aber nicht nur Vergnügen, sie leistete Aufklärungsarbeit. Einsteins Biographie wurde ans Licht geholt und zugleich begab man sich auf die Spur der Relativitätstheorie. Dazu ging es wieder ab in die Zeitmaschine. Ziel: Einsteins Labor, wo nachgewiesen werden sollte, dass die Uhren langsamer laufen, wenn man sich ganz schnell bewegt. Gebraucht wurden dafür Zwillinge - Pauline und Charlotte, sowie Phantasie, die Einstein bekanntlich mehr bedeutete, als die Begabung, Wissen aufzunehmen.

Pauline stieg also in eine Rakete, die fast mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sein würde, ihre Schwester blieb daheim. In 50 Jahren sollten sie sich wieder treffen. Pauline war wohl ein paar Minuten älter geworden, Charlotte inzwischen aber 56 Jahre alt. Die Sechsjährige als ältere Dame auf der Bühne - das herrliche Bild konnte an diesem Abend nur noch ein besonderer Clou überbieten. Der Gast-Auftritt von Bernhard Schutz, ein Direktor am Golmer Max-Planck-Institut. Er half den Kindern aus der Patsche, als Einstein von ihnen wissen wollte, was aus seinen Theorien geworden ist. Dieses Mal führte Schutz per Videokonferenz das fiktive Gespräch mit Einstein. Bei den ersten Aufführungen war der Institutsdirektor persönlich auf die Kleinmachnower Bühne gekommen, um zu erklären, dass die satelitengestützten Navigationssysteme im Auto dank Einsteins Relativitätstheorie funktionieren und das mit Hilfe seiner Theorie die Existenz der schwarzen Löcher nachgewiesen werden konnte.

Als sich der Wissenschaftler dann von Kleinmachnows Einstein verabschiedete, klang das nach einer echten Laudatio, die er wohl genauso gehalten hätte, wenn der Begründer der Relativitätstheorie tatsächlich vor ihm gestanden hätte. "Sie haben eine Tür geöffnet für unser Wissen. Auf Wiedersehen, Professor."