Märkische
Allgemeine Zeitung 13.04.05
Drei
Tage Front
Heimatverein Kleinmachnow über das Kriegsende in der Region Teltow
MANDY MAMEDOW
KLEINMACHNOW "Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, an dem
plötzlich ein Amerikaner vor uns stand und sagte: 'Ihr seid frei' . Das konnte
ich gar nicht glauben und so ging es auch den anderen. Wir dachten, es seien
verkleidete Deutsche." Erinnerungen wie diese an das Kriegsende 1945 gibt
es unzählige. Doch für die Polin Wanda Zatryb, die als Zwangsarbeiterin in der Dreilinden-Maschinenbau-GmbH
in Kleinmachnow schuften musste und im Frühjahr 1945 mit vielen anderen auf den
Todesmarsch nach Sachsenhausen geschickt wurde, bedeuteten die Worte des
amerikanischen Soldaten noch lange kein sofortiges Ende der Strapazen.
Dies bezeugen auch weitere Schicksale ehemaliger polnischer Zwangsarbeiterinnen
aus Kleinmachnow, die Autorin Angela Martin in ihrem Buch "Ich sah den
Namen Bosch" gesammelt hat. Aus diesem las sie am Montag in der
Seniorenfreizeitstätte "Toni Stemmler" einige Passagen zum Einstieg
in eine Veranstaltung des Heimatvereins Kleinmachnow, der sich für den Abend
das Kriegsende vor 60 Jahren auf regionaler Ebene zum Thema gemacht hatte.
Mit Zahlen, Bildern und Fakten veranschaulichten der Vereinsvorsitzende Rudolf
Mach, Archivar Günter Käbelmann und Zeitzeuge Heinz Ortleb sowie Gäste, die
sich spontan zu Wort meldeten, wie man diese Tage in Kleinmachnow erlebte.
Immer aber fiel der Blick auch auf Teltow und Stahnsdorf. "Teltow hatte
insofern Glück, nur drei Tage wirkliche Front gehabt zu haben", so Käbelmann.
Auch Kleinmachnow und Stahnsdorf kamen relativ gut dabei weg, als am 22. April
1945 die russischen Truppen mit ersten Panzern von Ruhlsdorf her kommend in
Teltow einmarschierten. Bereits am Nachmittag erreichten die Panzer den
Teltowkanal. Ein zweiter russischer Angriffskeil zog derweil über Stahnsdorf
gen Potsdam. Tags darauf verharrten die russischen Truppen vorm Teltowkanal,
den sie wegen der noch starken deutschen Verteidigung zunächst nicht überqueren
konnten. Doch im Morgengrauen des 24. April gelang - gegenüber vom
Diakonissenhaus - nach einstündigem Artilleriefeuer der Durchbruch an der
ehemaligen Wupper-Brücke, wie sie im Volksmund genannt wurde.
Am Vormittag hatten die Russen dann
bereits Zehlendorf erreicht. Kleinmachnow blieb "zunächst ein bissel links
liegen", wie Käbelmann berichtete. Im weiteren Tagesverlauf aber drangen
die russischen Truppen doch noch bis zur Ortsmitte, etwa in Höhe des heutigen
"Opfer des Faschismus"-Platzes, vor und abends darüber hinweg. Nur
einen Tag später waren Zehlendorf und auch Kleinmachnow vollständig
eingenommen.
Etwas übertrieben haben die sowjetischen
Frontberichterstatter nach Käbelmanns Meinung dann aber doch, wenn sie
schreiben, dass pro Frontkilometer aus 600 bis 650 Rohren rund eine Stunde
Trommelfeuer gegeben wurde.
"Diese Spuren müssten irgendwo zu finden sein. Doch
in der gesamten Raiffeisen-Siedlung, die sich in diesem Bereich befand, gab es
vergleichsweise wenige Einschläge und Zerstörungen", so der Archivar, der
sich seit 1988 intensiv mit diesem Thema befasst.
Und noch etwas anderes stimmt Käbelmann nachdenklich:
"Ich bin auf der Suche nach 60 Toten, die auf dem Kleinmachnower Friedhof
als unbekannt oder teils mit zweifelhafter Namenszuweisun g beerdigt sind. Ein
bundesweit gültiger Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 12. Juli
2004 verbietet Vereinen, Historikern, Heimatkundlern und anderen allerdings
jegliche Forschung diesbezüglich."
Wenn ein Ort also, wie im Falle des Heimatvereins
Kleinmachnow, aktuell oder künftig über seine im Krieg gefallenen Mitbürger
Nachforschungen anstellen will, ist dies nicht mehr so einfach möglich. Ein
Zustand, den Günter Käbelmann einfach inakzeptabel findet.
Auch eine Anfrage bei der Wehrmachts-Auskunftsstelle
(WAST) in Berlin brachte nur das unbefriedigende Ergebnis von zwei Jahren
Wartezeit, innerhalb derer von Rückfragen abgesehen werden sollte.
Jetzt will Käbelmann sich an den Volksbund Deutscher
Kriegsgräberfürsorge wenden. "Das wäre noch eine Möglichkeit, etwas über
die auf dem Kleinmachnower Friedhof Beerdigten herauszufinden", hofft er.