Märkische Allgemeine Zeitung 12.03.2005

Tiefe Gräben aufgebrochen
Kleinmachnower Gemeindevertreter debattierten kontrovers über 8. Mai

JÜRGEN STICH

KLEINMACHNOW Die PDS-Fraktion forderte in der Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstagabend den CDU-Abgeordneten Fred Weigert auf, sein Mandat niederzulegen. Zuvor hatte die PDS gemeinsam mit SPD und Lokalunion/Pro Kleinmachnow einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, um "Schaden von der Gemeinde abzuwenden". Thema: "Der Umgang Kleinmachnows mit dem 60. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus." Die CDU-Fraktion, der Weigert angehört, versuchte vergeblich, die Debatte zu verhindern und kündigte an, die "Dringlichkeit" rechtlich überprüfen zu lassen.

Wie berichtet, hatte Weigert in einem Brief an den grünen Kreistagsabgeordneten und Vorstandskollegen im Heimatverein, Axel Mueller, den Begriff "Befreiung" im Zusammenhang mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945 als "verstaubte Ideologie" bezeichnet. Die Deutschen seien "im vorletzten Teil des Europäischen Bürgerkriegs tragisch gescheitert" und sollten sich nicht "als scheinbar reuige Sünder mit ihren Eroberern verbünden", so Weigert. Der CDU-Politiker berief sich auf einen Aufsatz des Historikers Karl-Heinz Weißmann, den er zur Lektüre empfahl. Weißmann gilt als führender Stratege der "Neuen Rechten" und ist Mitbegründer des umstrittenen Instituts für Staatspolitik.

PDS-Fraktionschef Wolfgang Kreemke sieht in Weigerts Interpretation des Faschismus "eine sehr große ideologische Nähe zu den Tätern dieser Zeit". Gefragt sei jetzt der CDU-Ortsverband Kleinmachnow, der sich von den Äußerungen seines Mitglieds "distanzieren" müsse.

Das forderte auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Bernd Bültermann. "Wir gehen aber nicht soweit, dass wir den Mandatsverzicht verlangen", sagte er gestern zur MAZ. Wenn Weigert sich freiwillig aus der Gemeindevertretung zurückzöge, "würden wir das allerdings nicht bedauern". Der Fraktionschef sieht sich damit nicht im Widerspruch zum SPD-Ortsvorsitzenden Frank Nägele, der bereits kurz nach Bekanntwerden des Weigertschen Briefes den Rücktritt des CDU-Manns angemahnt hatte.

Vor einer "Skandalisierung" warnte der SPD-Landtagsabgeordnete und Gemeindevertreter Jens Klocksin. Man sollte jetzt keine "alten Rechnungen" begleichen. Er missbillige Weigerts Äußerungen "aufs schärfste", lehne aber ein "Tribunal" im Rahmen einer Parlamentssitzung ab. Auch die PDS sollte bei ihren Vorwürfen "die Verhältnismäßigkeit" wahren.

Die Christdemokraten beteiligten sich nicht an der Debatte. "Das haben wir bewusst getan, denn die Angelegenheit gehört nicht in die Gemeindevertretung", sagte CDU-Fraktionschef Ludwig Burkardt gestern zur MAZ. Die PDS habe sich den Tagesordnungspunkt "erschlichen", um eine persönliche Diskussion innerhalb des Heimatvereins an die Öffentlichkeit zu bringen. Ein Mandatsverzicht Weigerts komme nicht in Frage, so Burkardt.

Als Schlussredner der Debatte übte Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD) scharfe Kritik an den Abgeordneten. Das "Krisenmanagement der Fraktionen" habe nach den Vorfällen der vergangenen Tage versagt. "Ich kann nicht glauben, dass die Gräben, die jetzt aufgebrochen sind, wirklich bestehen. Wenn doch, dann habe ich große Sorgen, ob diese Gemeindevertretung die großen Probleme lösen kann, die im Ort anstehen."

Blasig forderte die Fraktionsvorsitzenden auf, in den nächsten Tagen Konzepte vorzulegen, wie die Gemeinde den 8. Mai würdigen solle. Zu einem Gespräch will der Bürgermeister in der kommenden Woche einladen.

Zuvor war im Kulturausschuss ein Streit darüber ausgebrochen, ob der OdF-Platz (Opfer des Faschismus) der richtige Ort des Gedenkens sei. Bedenken gibt es offenbar in der CDU. Und auch der Abgeordnete der Wählergemeinschaft WIR, John Banhart, plädiert für eine Veränderung der Gedenkkultur: "Der ritualisierte Antifaschismus geht mir auf die Nerven."